Schüchterne Mäuse sind hartnäckige Problemlöser

Nicht die mutigsten, sondern die schüchternsten Mäuse haben sich in einer Studie als die ausdauerndsten Tüftler erwiesen

3. April 2025

Auf den Punkt gebracht

  • Höhere Erfolgsaussichten: Schüchterne Mäuse beschäftigten sich häufiger mit Problemlösungsaufgaben als ihre mutigen Artgenossen.
  • Einfluss der Testumgebung: Mäuse verhalten sich in naturnahen Umgebungen anders als im Labor – und das nicht immer vorhersehbar.
  • Persönlichkeit ist entscheidend: Problemlösungen sind mehr von Gelegenheit und Ausdauer abhängig als von Mut oder Intelligenz.

Das Forschungsteam um Alexandros Vezyrakis, gemeinsam mit Anja Guenther und Valeria Mazza, testete über 100 wildlebende Hausmäuse sowohl in naturnahen Gehegen als auch unter kontrollierten Laborbedingungen. Das Ergebnis: Schüchterne Mäuse kehrten häufiger zu den Aufgaben zurück – und erhöhten so ihre Erfolgschancen.

Die Studie stellt eine verbreitete Annahme in der Verhaltensforschung infrage: dass mutige, explorative Tiere bessere Problemlöser seien. Tatsächlich zeigte sich: Schüchtern bedeutet nicht langsam – sondern gründlich. Diese Mäuse gaben nicht auf, sondern versuchten es immer wieder. „Innovation hängt offenbar weniger davon ab, wer mutig ist, sondern vielmehr davon, wer oft genug auftaucht, um Erfolg zu haben“, erklärt Erstautor Alexandros Vezyrakis. „Es ist die Beharrlichkeit – nicht allein die Persönlichkeit –, die beim Problemlösen entscheidend ist.“

Der Kontext macht den Unterschied

Wenn wir Verhalten nur unter stark vereinfachten Laborbedingungen untersuchen, laufen wir Gefahr, das tatsächliche Reaktionsvermögen von Tieren in der Natur falsch zu interpretieren.
Anja Guenther

Ein weiterer wichtiger Befund: Die Testumgebung hatte großen Einfluss auf das Verhalten. In den ruhigen Labors gelang es 60 Prozent der Mäuse, mindestens eine Aufgabe zu lösen. In den sozialdynamischen, naturnahen Gehegen waren es nur rund 21 Prozent – und oft verhielten sich die gleichen Tiere in beiden Umgebungen ganz unterschiedlich. „Echte Lebensbedingungen sind chaotisch“, sagt Forschungsgruppenleiterin und Mitautorin Anja Guenther. „Wenn wir Verhalten nur unter stark vereinfachten Laborbedingungen untersuchen, laufen wir Gefahr, das tatsächliche Reaktionsvermögen von Tieren in der Natur falsch zu interpretieren.“

Die Studie zeigt außerdem: Erfolg im Labor sagt wenig über Erfolg in freier Wildbahn aus. Entscheidend sind zwei Aspekte von Innovation – Fähigkeit (kann ein Tier ein Problem lösen?) und Neigung (versucht es das überhaupt?). Labortests geben also eher Aufschluss darüber, was Tiere leisten könnten – aber nicht unbedingt, was sie in freier Natur tatsächlich tun. Um Innovation wirklich verstehen zu können, müssen Forschende neben den kognitiven Fähigkeiten auch ökologische und soziale Einflüsse berücksichtigen.

Podcast - Anja Guenther im Gespräch

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