Forschungsbericht 2011 - Max-Planck-Institut für Biogeochemie
Unser wichtigster Kohlenstoffspeicher: Wie der Boden als dünne Haut der Erde globale Stoffkreisläufe und das Klima beeinflusst
Bedeutung des Kohlenstoffs im Boden
Organische Substanz im Boden besteht etwa zur Hälfte aus Kohlenstoff und ist ein wichtiges Merkmal der Bodenfruchtbarkeit. Böden mit einem hohen Gehalt an organischer Substanz können mehr Nährstoffe und Wasser speichern und an Pflanzen abgeben als Böden mit weniger organischer Substanz. Ihre bessere Bodenstruktur gewährleistet eine geringere Auswaschung von Nähr- und Schadstoffen ins Grundwasser. Die organische Bodensubstanz ist daher seit Langem ein wichtiger Forschungsschwerpunkt für die Entwicklung nachhaltiger Strategien in der Landwirtschaft. Da organische Zersetzungsprozesse im Boden zu den wichtigsten natürlichen Quellen von CO2 gehören, wird seit etwa 2 Jahrzehnten verstärkt die Rolle der Böden in globalen Kohlenstoffkreisläufen erforscht. Denn jährlich entweicht etwa die 10-fach höhere Menge CO2 aus Böden in die Atmosphäre als bei der Verbrennung fossiler Energieträger freigesetzt wird. Diese Menge unterliegt starken natürlichen Schwankungen, wird aber auch durch Landnutzung und Umweltänderungen beeinflusst. Eine viel diskutierte Frage ist derzeit, ob die Klimaerwärmung Abbauprozesse im Boden beschleunigt und es infolgedessen zu einer verstärkten Freisetzung von CO2 aus dem Boden und damit zu einer positiven Rückkopplung auf das Klima kommt. Um vorhersagen zu können, wie Böden auf Landnutzungsänderungen oder Umweltänderungen wie den Klimawandel reagieren werden, müssen die Prozesse, die zur Speicherung oder Mobilisierung von Kohlenstoff im Boden führen, verstanden und mengenmäßig erfasst werden.
Warum findet man so viel Kohlenstoff im Boden?
Pflanzen sind der wichtigste Lieferant für Bodenkohlenstoff. Abgestorbene Pflanzenteile gelangen ober- und unterirdisch in den Boden und werden dort von Bodenorganismen über komplexe Nahrungsnetze zu Bodenkohlenstoff ab- und umgebaut (Abb. 1). Den Abbau des Bodenkohlenstoffs zu CO2, die Mineralisation, übernehmen vor allem die Mikroorganismen. Bis heute ist aber nicht klar, warum ein Teil des Kohlenstoffs im Boden schnell umgesetzt wird, während ein anderer für Jahrzehnte bis Jahrtausende im Boden verbleibt [1]. Lange Zeit hat man angenommen, dass besondere Molekülstrukturen mancher Kohlenstoffverbindungen schwerer abbaubar sind als andere, und es so zu einer selektiven Anreicherung dieser Verbindungen kommt. Heute hält man vor allem zwei Faktoren für die Anreicherung des Kohlenstoffs im Boden für verantwortlich: (1) Manche Moleküle sind für abbauende Organismen und ihre Enzyme nur begrenzt zugänglich, (2) ein Mangel an Nährstoffen oder Energiequellen beschränkt das Wachstum der Mikroorganismen [1]. Kohlenstoffverbindungen können beispielsweise durch Bindung an Bodenmineralien vor dem Abbau geschützt werden. Analysen am MPI für Biogeochemie haben ergeben, dass Böden, in denen ein großer Teil des Kohlenstoffs an Minerale gebunden vorliegt, weniger CO2 freisetzen. Damit spielt auch die Mineralzusammensetzung des Bodens eine besondere Rolle für die Kohlenstoffspeicherung.
Wie viel neuer Kohlenstoff bleibt im Boden?
Die Bestimmung der genauen Menge organischer Verbindungen, die jährlich in den Boden gelangt, ist eine methodische Herausforderung. So gibt es derzeit keine einfachen Verfahren zur direkten Messung der jährlich absterbenden Wurzelmasse oder zur Bestimmung des Kohlenstoffs, der zusätzlich durch Ausscheidungen lebender Wurzeln (Wurzelexudate) in den Boden gelangt. Eine indirekte Möglichkeit, den Weg des Kohlenstoffs von der Pflanze in den Boden zu verfolgen, bietet die Markierung der Pflanzen mit stabilen Isotopen. Dazu werden Pflanzen unter einer künstlichen Atmosphäre gehalten, in der das Verhältnis der stabilen Isotope 12C und 13C im gesamten CO2–Anteil der Luft gegenüber den natürlichen Bedingungen verändert wurde. Da die Pflanzen aus diesem CO2 ihre Biomasse aufbauen, ist es möglich, durch die Messung der Isotopenverhältnisse den neuen pflanzenbürtigen Anteil des im Boden vorgefundenen Kohlenstoffs zu bestimmen. Wie schnell die Isotopenmarkierung der Pflanzen in verschiedenen Bodenorganismengruppen auftaucht, lässt außerdem darauf schließen, welche Kohlenstoffquellen sie nutzen. In einem umfangreichen Feldexperiment (Quasom-Projekt) führt das Institut erstmals eine kontinuierliche Markierung von Pflanzen unter natürlichen CO2-Konzentrationen durch, um die Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen, Boden und Bodenorganismen zu untersuchen (Abb. 2).
14C-Messung zur Bestimmung des Alters und der Verweilzeiten des Kohlenstoffs im Boden
Mithilfe der Beschleuniger-Massenspektrometrie (Accelerator Mass Spectrometry – AMS) wird am MPI für Biogeochemie der natürliche Anteil des radioaktiven 14C-Kohlenstoffisotops gemessen. Ist die 14C-Konzentration in der Biomasse der abgestorbenen Pflanzen bekannt, dann kann über die Zerfallszeiten des 14C das mittlere Alter des Kohlenstoffs in einer Bodenprobe bestimmt werden. Zusätzlich kann zur Modellierung schnellerer Umsätze im Boden ein 14C-Signal verwendet werden, das durch die oberirdischen Atombombentests in den 1960er-Jahren erzeugt wurde. Dadurch kam es zu einer Verdoppelung der 14C-Konzentration im atmosphärischen CO2. Diese Anreicherung gelangte über die CO2-Fixierung der Pflanzen auch in den Boden, wo sie bis heute nachweisbar ist [2]. Ein Vergleich der 14C-Konzentrationen in Bodenproben eines Standorts, die vor und nach den Atombombentests genommen wurden (archivierte Proben), zeigt, wie schnell und in welchem Umfang der alte Kohlenstoff in Bodenproben durch neuen ersetzt wurde. Mithilfe dieser 14C-Bestimmung wird am MPI für Biogeochemie anhand von mathematischen Modellen die Verweilzeit des Kohlenstoffs an verschiedenen Standorten bestimmt.
Insgesamt nimmt das mittlere Kohlenstoffalter mit der Bodentiefe deutlich zu. Dafür ist vor allem der an Minerale gebundene Kohlenstoff verantwortlich, der im Unterboden deutlich älter ist als der freie, ungebundene Kohlenstoff. Die Änderung des mineralgebundenen Kohlenstoffalters mit der Tiefe scheint dabei von der Menge und Mobilität des gelösten organischen Kohlenstoffs im Boden abhängig zu sein. Weitere Experimente sollen zeigen, unter welchen Umständen der alte mineralisch gebundene Kohlenstoff wieder mobilisiert und abgebaut werden kann.
Boden und Klimawandel
Man geht davon aus, dass sich mit dem Klimawandel bei höheren Temperaturen auch die Umsetzungsprozesse im Boden beschleunigen, sodass es zu einer positiven Rückkopplung zwischen Klimaerwärmung und weiterer CO2-Freisetzung aus dem Boden käme. Das Pflanzenwachstum und die Zersetzungsleistung der Bodenorganismen hängen jedoch nicht nur von der Temperatur, sondern auch von der Verfügbarkeit von Wasser und Nährstoffen ab. Die Organismengemeinschaft und ihre Stoffwechselaktivität werden sich zudem an die veränderten Umweltbedingungen anpassen. In natürlichen Systemen sind daher keine einfachen Reaktionen der Umsetzungsprozesse im Boden auf Temperaturänderungen zu erwarten und Prognosen sind schwierig. In Feld- und Laborexperimenten untersucht das MPI für Biogeochemie die Abhängigkeit der CO2-Freisetzung aus dem Boden von der Temperatur, der Bodenfeuchte, den Bodeneigenschaften sowie von der Zersetzergemeinschaft und ihrer Aktivität. Mathematische Modelle zur Simulation der Prozesse im Boden werden mit den Ergebnissen getestet und weiterentwickelt.
Bedeutung der Landnutzung für den Kohlenstoff im Boden
Der Mensch beeinflusst über die Auswahl der Pflanzen, Düngung und Bodenbearbeitung sowohl den Kohlenstoffeintrag in den Boden als auch die Lebensbedingungen der Mikroorganismen und damit den Anteil des Kohlenstoffs, der mineralisiert wird. Insbesondere Landnutzungsänderungen wie die Umwandlung von Wäldern und Wiesen zu Äckern oder die Entwässerung und Nutzung von Feuchtgebieten führen zu erhöhten CO2-Emissionen und einer Verringerung des Kohlenstoffgehalts im Boden. Im Rahmen von zwei großen deutschen Biodiversitätsexperimenten (Biodiversitäts-Exploratorien und The Jena Experiment) untersucht das Institut, wie sich unterschiedliche Bewirtschaftungsformen und Artengemeinschaften von Wald- und Grünlandstandorten auf die Kohlenstoffspeicherung im Boden auswirken. Neben dem Einfluss von Vegetation und Düngung wird auch die Rolle der Bodenorganismen für Umsetzungsprozesse im Boden ermittelt.
Nachweis von Änderungen im Bodenkohlenstoffgehalt
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Wälder, Wiesen und Weiden in Europa derzeit Kohlenstoffsenken darstellen, Ackerstandorte hingegen schwache Quellen [3]. Diese Ergebnisse basieren auf Messungen des Gas-Austauschs zwischen Ökosystemen und der Atmosphäre sowie auf Modellrechnungen. Der direkte Nachweis der Änderungen in den Bodenvorräten und in der Biomasse steht allerdings noch aus. Die hohe räumliche Variabilität der Bodeneigenschaften, die von der Oberfläche nicht einfach sicht- und messbar ist, erschwert die direkten Untersuchungen. Um dennoch die kleinen Änderungen in den großen vorhandenen Vorräten nachweisen zu können, müssen sehr große Probenzahlen über einen längeren Zeitraum von 10 oder mehr Jahren untersucht werden. Im Jahr 2004 wurde im Rahmen des EU-Projekts CarboEurope an 12 europäischen (FLUXNET-) Standorten unterschiedlicher Landnutzung eine umfangreiche Erstinventur der Bodenkohlenstoffgehalte durchgeführt (Abb. 3) [4]. Derzeit werden diese Flächen nach und nach wiederbeprobt. Erste Ergebnisse der Wiederholungsinventuren bestätigen die Senkenfunktion der Wälder [5].