Gequetschte Quantenkommunikation

Neue Perspektiven für sicheren Datenverkehr: Lichtblitze in besonders empfindlichen Quantenzuständen lassen sich durch die Atmosphäre übertragen

26. August 2014
Die NSA könnte es künftig schwer haben, verschlüsselte Nachrichten zu knacken – zumindest, wenn sich eine Technik durchsetzt, die auch Wissenschaftler des Erlanger Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts und der Universität Erlangen-Nürnberg erforschen: die Quantenkryptografie. Die Physiker schaffen jetzt die Grundlage, um dieser Technik, mit der sich Information schon heute abhörsicher austauschen lässt, zu breiterer Anwendung zu verhelfen. Sie haben erstmals einen hellen Lichtpuls, den sie vorher in einen besonders empfindlichen Quantenzustand gebracht hatten, über 1,6 Kilometer durch die Luft vom Max-Planck-Institut zur Universität gesendet. Dabei blieb der Quantenzustand, den sie gequetscht nennen, erhalten, was viele Physiker nicht für möglich gehalten hatten. Helle Lichtblitze für die Quantenkommunikation durch die Atmosphäre zu nutzen, böte gegenüber der dafür heute gebräuchlichsten Technik, manchen Vorteil: So lassen sich die Photonenpakete anders als einzelne Photonen auch bei Sonnenschein übertragen. Außerdem werden die dafür nötigen Empfänger schon heute für die optische Telekommunikation sowohl über Glasfasern als auch über Satelliten verwendet.

Eine Botschaft, die mithilfe der Quantenkryptografie geschützt wird, lässt sich nicht unbemerkt abhören. Denn die Quantenphysik verbietet es, dass ein Spion einen Schlüssel, der durch bestimmte Quantenzustände codiert ist, mitliest, ohne diese zu beeinflussen. In einem ausgeklügelten Procedere für den Austausch des Schlüssels zu einem Datenverkehr lässt sich das ausnutzen, sodass ein ungebetener Zuhörer nicht nur auffliegt, sondern ihm auch der Zugriff auf die Information verwehrt bleibt.

Die quantengeschützte Kommunikation ist jedoch eine fragile Angelegenheit, Störungen können sie leicht vereiteln. Umso bemerkenswerter ist die Arbeit der Erlanger Max-Planck-Forscher um Gerd Leuchs, Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg: „Wir haben es jetzt geschafft, einen Lichtblitz, also ein Puls, der viele Photonen enthält, in einem besonders empfindlichen Quantenzustand durch die Atmosphäre zu übertragen“, sagt Christian Peuntinger, der an dem Projekt maßgeblich beteiligt war. Er und seine Kollegen schickten ein Photonenpaket vom Dach des Erlanger Max-Planck-Instituts Luftlinie bis zum 1,6 Kilometer entfernten Gebäude der Universität Erlangen-Nürnberg. „Dies funktioniert sogar am helllichten Tag“, so Christian Peuntinger.

Die Sonne stört die Quantenkommunikation mit einzelnen Photonen

Bisher setzen die Quantenkommunikation und die Quantenkryptografie hauptsächlich auf einzelne Photonen als Informationsträger. Diese haben Physiker in zahlreichen Experimenten auch schon durch die Luft geschickt. Die einzelnen Lichtteilchen sind jedoch nur bei Dunkelheit gut zu detektieren, weil Streulicht, von dem es an einem sonnigen Tag reichlich gibt, sie überdeckt – etwa so, wie in einer lauten Kneipe eine einzelne Stimme kaum zu vernehmen ist, vor allem, wenn die Unterhaltung von einem Ende des Raums zum anderen stattfinden soll. Was aber nützt ein Datenverkehr, der bei Sonnenschein stillstehen muss?

Wenn dagegen Lichtblitze die Information transportieren, ist die Kommunikation auch im prallen Sonnenlicht möglich, weil die hier für verwendeten speziellen Empfänger – anders als Detektoren für einzelne Photonen – für Streulicht unempfindlich sind. Das ist aber nicht der einzige Vorteil, den die Empfänger für die hellen Pulse bieten. Sie sind auch viel schneller als die Detektoren für einzelne Photonen und ermöglichen daher höhere Übertragungsraten. Und was sie für die Erlanger Forscher besonders attraktiv macht: Die entsprechenden Geräte sind in der optischen Kommunikation etwa über Glasfaserkabel schon weit verbreitet und kreisen sogar an Bord von Telekommunikationssatelliten durch den Orbit.

Einen Vorteil schienen einzelne Photonen gegenüber hellen Lichtblitzen bislang jedoch zu haben. Auch einzelne Photonen können beim Durchgang durch die Atmosphäre verloren gehen, aber wenn sie ihr Ziel erreichen, kommen sie als Ganzes und unverändert an. Die Abschwächung in der Atmosphäre reduziert lediglich die Datenrate.

Kommunikation mit besonders empfindlichen gequetschten Zuständen

Bei der Quantenkommunikation mit Blitzen vieler Photonen gibt es also auch ein Problem: Die Blitze taugen nur für die Quantenkommunikation, wenn sie in empfindlichen Zuständen vorliegen. Diese gehen leicht kaputt, wenn ein Lichtblitz eine Luft-Turbulenz passiert und deformiert oder abgeschwächt wird. „Daher haben Quantenphysiker bisher erst gar nicht versucht, solche Signale durch die Atmosphäre zu senden“, sagt Christoph Marquardt, Leiter der Gruppe Quanteninformationsverarbeitung am Erlanger Max-Planck-Institut. Sein Team hat jetzt bewiesen, dass sich solche Pulse sehr wohl für die Quantenkommunikation durch die Luft eignen: „Wir haben sogar Pulse in gequetschten Quanten-Zuständen verwendet, die besonders empfindlich sind.“

Um zu verstehen, was gequetschte Zustände sind, ist ein kleiner Exkurs zu den Grundfesten der Quantenphysik nötig: Für Quantenteilchen gilt die Heisenberg’sche Unschärferelation. Diesem Gesetz zufolge nehmen etwa der Ort und der Impuls, vereinfacht gesprochen die Geschwindigkeit eines Quantenteilchens, wie auch dessen andere Eigenschaften, keine exakten Werte an. Vielmehr weisen Messungen dieser Größen eine gewisse Unschärfe auf, selbst wenn die Messmethode noch so genau ist. Würde diese Regel sich in unserer Alltagswelt bemerkbar machen, hätte es die Verkehrspolizei schwer: Dann könnte sie nicht sowohl Ort als auch Geschwindigkeit eines Temposünders gerichtsfest bestimmen.

Mit einigen Kniffen können Physiker immerhin eine Eigenschaft festgelegter Merkmalspaare – Ort und Impuls bilden solch ein Paar – sehr genau eingrenzen. Die andere Messgröße verwischt dafür umso mehr. Der Verkehrspolizei wäre damit kaum geholfen: Entweder sie könnte feststellen wie schnell ein Temposünder in eine Radarfalle rauscht, dann könnte sie aber kein Beweisfoto von ihm schießen, weil sie nicht wüsste, wohin sie die Kamera richten soll. Oder ihr gelänge die Aufnahme, aber sie könnte dem Verkehrsrowdy kein Vergehen nachweisen, weil sich seine Geschwindigkeit nur sehr vage ermitteln ließe.

Turbulenzen können der Polarisation nichts anhaben

Physiker nennen einen Zustand, in dem eine Eigenschaft auf Kosten einer anderen präzisiert wird, gequetscht. Nehmen sie den Handel mit der Unschärfe an Licht vor, sprechen sie von gequetschtem Licht „Mit gequetschtem Licht würde man wohl nicht über Satelliten kommunizieren, aber in der Quantenkryptografie wäre es nützlich“, sagt Christoph Marquardt. Für Satelliten kämen nicht-gequetschte Blitze in Frage, bei denen Verluste weniger stören: „Auch solche Pulse haben wir durch die Atmosphäre übertragen“, sagt Bettina Heim, die an dem Experiment ebenfalls mitgearbeitet hat.

Gelungen ist den Erlanger Forschern die Übertragung des gequetschten Lichts durch einen Trick, der im Nachhinein wie viele gute Ideen recht naheliegend scheint. Die Physiker haben das Problem, dass die meisten gequetschten Zustände des Lichts an den Turbulenzen in der Luft zerstört werden, schlicht umgangen. Sie haben ein Merkmalspaar gequetscht, dem die Turbulenzen nichts anhaben können: die Polarisation in zwei verschiedenen Richtungen. Die Polarisation entspricht der Schwingungsebene einer Lichtwelle. „Auch wenn die Wellenfronten eines Lichtblitzes wegen der Turbulenzen fürchterlich verformt aussehen, die Polarisation bleibt erhalten“, sagt Christoph Marquardt.

Anders als viele Physiker erwarteten, blieb der gequetschte Zustand der Lichtsignale bei der Übertragung erhalten, wenn auch der Grad der Quetschung durch Verluste etwas litt: Die Polarisation in der einen Richtung war nicht mehr so scharf eingegrenzt wie vor dem Weg durch die Atmosphäre, und die Polarisation in die andere Richtung gelangte weniger verschmiert zum Empfänger. Die Erlanger Forscher haben sich mit ihrem Experiment eine gute Position in einem internationalen Rennen verschafft: Einige Teams weltweit arbeiten daran, Quantenkommunikation über Satelliten möglich zu machen. Für die hellen Pulse, die das Erlanger Team nun durch die Atmosphäre übertragen hat, gibt es auf Satelliten immerhin bereits Empfänger. Jetzt hoffen die Forscher, dass ihre Quantenblitze auch zuerst von Satelliten empfangen werden.

PH

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