DNA-Struktur beeinflusst Wirkung von Transkriptionsfaktoren

Räumliche Anordnung der Bindungsstelle und benachbarter Abschnitte verändert Genaktivität

2. September 2016

So genannte Transkriptionsfaktoren bestimmen häufig, wie sich eine Zelle entwickelt oder welches Protein sie in welchen Mengen produziert. Sie koppeln an einen Erbgutabschnitt und regulieren so, wie stark ein Gen aus diesem Abschnitt aktiv wird. Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Bindungsstärke und die Nähe zum jeweiligen Gen die Aktivität steuern. Forscher vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin haben nun herausgefunden, dass der DNA-Abschnitt, an den ein Transkriptionsfaktor bindet, unterschiedliche räumliche Anordnungen einnehmen und dadurch auch die Struktur des Transkriptionsfaktors verändern kann. Dies beeinflusst dessen Aktivität. Angrenzende DNA-Teilstücke beeinflussen die Struktur des Transkriptionsfaktors maßgeblich und variieren so die Aktivität des zugehörigen Gens.

Damit ein Auto fährt, reicht es nicht, dass sich ein Mensch auf den Fahrersitz setzt – er muss vielmehr den Motor starten, Gas geben und schalten. Ähnlich geht es in den Zellen unseres Körpers zu. Wissenschaftler vermuteten bis vor kurzem, dass bestimmte Proteine lediglich an bestimmte Stellen auf dem Erbgut binden müssten und dadurch das Schicksal der Zelle lenken könnten. Je näher und fester sie an ein Gen auf der DNA koppeln, desto aktiver sollte dieses werden. Diese als Transkriptionsfaktoren bezeichneten Proteine steuern die Aktivität von Genen.

Wissenschaftler um Sebastiaan Meijsing vom Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik kommen nun jedoch zu einem anderen Ergebnis: Die Forscher fanden heraus, dass Transkriptionsfaktoren verschiedene räumliche Formen annehmen können, je nachdem an welchen DNA-Abschnitt sie andocken. "Die Form der Bindung beeinflusst wiederum, ob und wie stark ein Gen aktiv wird", erläutert Meijsing.

Das kann dazu führen, dass die Transkriptionsfaktoren an DNA-Abschnitte binden, das Gen in der Nähe davon jedoch unbeeindruckt bleibt. Ähnlich wie beim Auto reicht die alleinige Präsenz des "Fahrers" offenbar nicht aus, um etwas zu bewirken. Es müssen also noch weitere Faktoren darüber entscheiden, wie stark ein Transkriptionsfaktor ein Gen aktiviert.

Glukokortikoid-Rezeptor ist auch Transkriptionsfaktor

Ein Beispiel dafür ist die Glukoseproduktion in der Leber. Wenn das Blut zu wenig Glukose enthält, setzen die Nebennieren Glukokortikoide frei, die quasi als Botschafter fungieren. Diese Hormone wandern durch den Köper und binden an Glukokortikoid-Rezeptoren von Leberzellen. Die Rezeptoren fungieren gleichzeitig als Transkriptionsfaktoren und regulieren die Genaktivität in den Zellen. So kann die Leber mehr Glukose produzieren, und der Blutzucker steigt wieder an.

"Manchmal führt die Bindung der Glukokortikoid-Rezeptoren zu einer starken Aktivität benachbarter Gene, während sie sich in anderen Fällen kaum oder gar nicht änderte", berichtet Meijsing. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Zusammensetzung der DNA-Abschnitte, an die die Rezeptoren binden, mitbestimmen, wie stark ein Gen aktiv wird. Diese Abschnitte stehen allerdings nicht in direktem Kontakt mit den als Transkriptionsfaktoren wirkenden Rezeptoren. Sie flankierten die Bindungsstellen nur – doch das reicht offenbar aus, um die Wechselwirkung entscheidend zu beeinflussen. "Die Struktur der Schnittstelle zwischen Transkriptionsfaktor und Abschnitten des Genoms spielt folglich eine wichtige Rolle für die Genaktivität. Außerdem beeinflussen die angrenzenden DNA-Bereiche die Aktivität der gebundenen Transkriptionsfaktoren. Diese Mechanismen sorgen schließlich dafür, dass die Leberzellen sowohl die richtigen Substanzen als auch die richtige Menge davon produzieren", sagt Meijsing.

Bedeutung für die Medizin

Die Erkenntnis der Wissenschaftler könnte auch für die Medizin von Bedeutung sein: Viele mit Erkrankungen zusammenhängende DNA-Varianten gehören zu Sequenzen, die offenbar die Aktivität von Transkriptionsfaktoren steuern. "Bisher nahmen Wissenschaftler an, dass diese Bereiche ihre Wirkung entfalten, indem sie die Bindung der Transkriptionsfaktoren hemmen und dadurch die Aktivität benachbarter Gene behindern", so Meijsing. "Unsere Ergebnisse zeigen nun aber, dass einige dieser Abschnitte womöglich nicht den Kontakt direkt beeinflussen, sondern den Aktivierungszustand des zugehörigen Transkriptionsfaktors herabsetzen."

JD/HR

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht