Zentrales Element der Zellteilung nachgebaut

Forscher synthetisieren das Kinetochor und analysieren seine Funktionsweise

8. September 2016

Während der Zellteilung müssen die Chromosomen gleichmäßig auf die beiden entstehenden Tochterzellen aufgeteilt werden. Dazu wird von jedem Chromosom eine Kopie angefertigt, die mit dem Original an einer Stelle verbunden bleibt, bis als Mikrotubuli bezeichneten Proteinstränge die Chromosomenpaare auseinanderziehen und sie auf die beiden Zellen verteilen. Forscher des Max-Planck Instituts für molekulare Physiologie in Dortmund und des Genzentrums der Ludwig-Maximilians-Universität München haben nun die Struktur des Ansatzpunktes, des sogenannten Kinetochors, analysiert und nachgebaut, an dem sich die Chromosomen mit den Mikrotubuli verbinden. Auf diese Weise haben sie herausgefunden, wie die verschiedenen Kinetochor-Proteine zusammenarbeiten, damit die Chromosomen fest genug an die Mikrotubuli binden.

Die Zellteilung ist für den Fortbestand des Lebens unverzichtbar. Wenn beispielsweise bei der Verteilung der Chromosomen etwas schief läuft, kann es zu Missbildungen oder schweren Krankheiten wie Krebs kommen. Deshalb wollen Wissenschaftler diesen so wichtigen Vorgang im Detail begreifen.

"Was wir nicht nachbauen können, haben wir auch noch nicht völlig verstanden." Dieses Motto des Physikers Richard Feynman ist daher auch ein Leitsatz von Andrea Musacchio, Direktor am Dortmunder Max-Planck-Institut und Leiter der Studie. Er macht damit aus der Not eine Tugend, denn in einer echten Zelle lässt sich das Zusammenspiel der Einzelteile des Kinetochors während der Zellteilung bislang kaum untersuchen. "Nur wenn wir das System auseinandernehmen und vereinfachen, haben wir eine Chance, die Funktionsweise des Kinetochors zu verstehen. Wir haben es deshalb im Labor nachgebaut", erklärt Musacchio.

Kompliziertes dreidimensionales Puzzle

Der Kernkomplex eines Kinetochors enthält rund 30 Proteine. Das macht die Synthese im Labor so schwierig – ähnlich wie ein Bausatz aus Legosteinen, die alle eine unterschiedlicher Form und Funktion haben. Erschwerend kommt  aber hinzu: "Anders als beim Lego wechselwirken die Proteinbausteine des Kinetochors miteinander. Aber wie sie das tun, wussten wir nicht. Zudem kann man nicht einfach in ein Kaufhaus gehen und sich die benötigten Bausteine besorgen", berichtet John Weir, der Erstautor der Studie.  

Die Wissenschaftler begannen, die verschiedenen Bausteine des Kinetochors einzeln zu synthetisieren. So gelang es ihnen, ein aus 21 Teilen bestehendes künstliches Kinetochor zu konstruieren, das die Chromosomen mit den Mikrotubuli verknüpfen kann. In der Natur ist die gesamte Maschinerie noch deutlich komplexer, denn in einer echten Zelle spielen noch weitere Proteine eine Rolle.

Gegenseitige Verstärkung

An ihrem Modell konnten die Forscher Details der Funktion eines Kinetochors und dessen Architektur untersuchen. So zeigte sich, dass die sieben Untereinheiten des Proteinkomplexes CHIKMLN miteinander wechselwirken. "Dadurch erhöht sich die Bindungsstärke zu bestimmten Partnern", erklärt Alex Fäsen, der ebenfalls an den Untersuchungen beteiligt war. CHIKMLN ist über ein Protein mit dem Chromosom verbunden und knüpft an ein aus zehn Einheiten bestehendes Netzwerk (KMN) an, welches den Kontakt zu den Mikrotubuli herstellt. Kerstin Klare, eine weitere Wissenschaftlerin aus dem Forscherteam fasst zusammen: „Das gesamte Konglomerat besteht aus den 21 Untereinheiten, die eine Brücke zwischen dem Chromosom und den Mikrotubuli bilden.“

Mit dem Nachbau des Kinetochors haben die Wissenschaftler eine Basis für weitere strukturelle und funktionelle Untersuchungen der komplexen Kinetochor-Architektur geschaffen. Das Ziel ist es, die gesamte Zellteilung künstlich nachzuvollziehen. "Denn nur wenn wir solche Abläufe und Bestandteile der Zelle nachbauen, können wir auch vollständig verstehen, wie sie funktionieren", sagt Musacchio.

JD/HR

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