Väter in Deutschland: Weniger Kinder pro Mann als pro Frau
Forscher legen erstmals Daten für Männer vor
Geburtenraten von Männern in Deutschland waren bislang quasi ein blinder Fleck in der Forschung. Nun haben Max-Planck-Wissenschaftler die fehlenden Zahlen über statistische Verfahren ermittelt. Danach bekommen Männer durchschnittlich weniger und später Kinder als Frauen. Im Osten sind die Unterschiede besonders stark. Dort stellten die Männer in den 1990er Jahren sogar einen weltweiten Minimal-Rekord auf.
Forscher des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock legen erstmals Geburtenraten für Männer in Deutschland vor. Demnach lag die durchschnittliche Zahl der Kinder pro Mann seit 1991 in jedem Jahr unter der Zahl der Kinder pro Frau. Im Jahr 2013 (jüngste verfügbare Daten) betrug die Rate der Männer 1,35 und die der Frauen 1,42. Im Osten war der Abstand der Männer- zur Frauen-Rate in etwa doppelt so groß wie im Westen.
Wie sich erst jetzt herausstellt, erreichte die Geburtenrate der Männer 1994 im Osten einen weltweiten Minimal-Rekord mit nur 0,74 Kindern pro Mann. Bisher galt die Rate der ostdeutschen Frauen aus dem Jahr 1994 als weltweit niedrigster Wert.
Männer und Geburten – bisher ein blinder Fleck der Forschung
Geburtenraten für Männer gab es in Deutschland bisher nicht. Sie ließen sich nicht berechnen, da die dafür nötigen Angaben zum Alter der Väter in der amtlichen Statistik unvollständig sind. Während Frauen ihr Alter bei Geburt eines Kindes immer mitteilen müssen, ist die Angabe für Männer nur bei ehelichen Geburten Pflicht. Bei nichtehelichen Geburten ist sie dagegen freiwillig. Die Demografen Christian Dudel und Sebastian Klüsener vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung haben nun die fehlenden Altersangaben der Männer über statistische Verfahren ermittelt. Die Forscher veröffentlichten ihre Berechnungen jetzt im Journal „Demographic Research“.
Viele Fragen rund um Elternschaft und Familie würden hauptsächlich mit Blick auf die Frauen diskutiert, sagt MPIDR-Forscher Christian Dudel. Das liege auch daran, dass es zum Verhalten der Männer bisher kaum Daten gebe. „Die Erforschung des Männerverhaltens beim Thema Kinderkriegen war bisher quasi ein blinder Fleck.“ Mit der Berechnungsmethode des Rostocker Instituts würde es nun leichter, das Thema endlich auch aus männlicher Perspektive zu erforschen.
Männerüberschuss im Osten drückt Geburtenraten
Ein wesentlicher Grund, dass die Kinderzahl pro Mann hinter der pro Frau zurückbleibt, ist, dass es einen Männerüberschuss im sogenannten „reproduktiven Alter“ gibt, in dem Frauen oder Männer gewöhnlich Kinder bekommen. Die Geburtenrate ist die Zahl der geborenen Babys geteilt durch alle Männer oder Frauen im reproduktiven Alter – inklusive derer, die kinderlos bleiben. Die gleiche Zahl an Kindern wird also auf mehr Männer als Frauen aufgeteilt – und entsprechend ist die Rate für die Männer kleiner.
Besonders deutlich wirkt sich der Männerüberschuss im Osten aus. Dort hinken die Kinderzahlen pro Mann denen der Frauen um mehr als zehn Prozent hinterher: 2013 betrug die Geburtenrate der ostdeutschen Frauen 1,46 und, die der Männer 1,31. Im Westen liegt die Rate für Frauen bei 1,41, die für Männer rund vier Prozent niedriger bei 1,36 (Daten von 2013). Während das Verhältnis im Westen dem in vielen anderen entwickelten Ländern entspreche, seien die Unterschiede in den neuen Bundesländern außergewöhnlich, sagt Christian Dudel. „Die vergleichsweise niedrige Fertilität ostdeutscher Männer war bisher weitgehend unbekannt.“
Ursache des hohen Männerüberschusses im Osten ist vor allem die Abwanderung junger Menschen in die alten Bundesländer in den Neunziger- und Nullerjahren. Damals verließen mehr Frauen als Männer die neuen Bundesländer. Dadurch blieb die Geburtenrate der Männer im Osten in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre sogar um 15 Prozent hinter der der Frauen zurück.
Inzwischen wird die Lücke zwar jedes Jahr kleiner. Doch während die Geburtenrate der Ost-Frauen die im Westen inzwischen überholt hat, bleibt die der Ost-Männer weiterhin unter der der West-Männer. Die niedrigeren Werte der Männer könnten langfristig zum Problem werden. Denn kleinere Fertilitätsraten bedeuten weniger Nachkommen, die später potenziell die Männer pflegen können. Sofern der Staat einspringen muss, kann er weniger Kinder zur Übernahme der Pflegekosten heranziehen.
Auch für Männer tickt die Uhr
Gemeinsam ist Ost und West, dass Männer im Durchschnitt bei Geburt der Kinder drei Jahre älter sind als die Mütter. So alt wie einst Charlie Chaplin, der in seinen späten Siebzigern sein elftes Kind bekam, ist dabei kaum ein Mann. Im Gegenteil, auch für Männer „tickt die Uhr“, wie die Berechnungen der Altersangaben zeigen: Nur sechs Prozent werden noch mit über 45 Jahren Vater - bei Frauen sind es 0,2 Prozent.
BS