Parkinson schädigt Geruchssystem

Forscher entdecken anatomische Abweichungen im Gehirn von Parkinson-Patienten, die für den Verlust des Geruchssinns verantwortlich sein könnten

Das erste Symptom der Parkinson-Erkrankung ist oft eine Beeinträchtigung des Geruchssinns. Typisch für diese neurodegenerative Erkrankung ist die irreparable Schädigung von Hirnarealen, die vor allem für die Kontrolle von Bewegungsabläufen verantwortlich sind. Inwieweit das olfaktorische System in diesem Zusammenhang betroffen sein könnte ist noch unklar. Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungsstelle für Neurogenetik in Frankfurt und der Universität Auckland in Neuseeland haben nun Riechkolben von Parkinson-Patienten untersucht und mit Proben von nicht betroffenen Menschen verglichen. Dabei haben sie festgestellt, dass der Anteil an funktionalen Einheiten dieses Hirnareals– die sogenannten Glomeruli – bei Menschen mit Parkinson nur halb so groß ist wie bei gesunden Menschen. Außerdem sind sie in den Riechkolben anders verteilt.

Neun von zehn Parkinson-Patienten leiden im Frühstadium unter Defiziten der Geruchswahrnehmung – und dies oftmals Jahre bevor die krankheitstypischen Bewegungsstörungen auftreten. Diese werden vor allem durch den Verlust von Nervenzellen in der für die Kontrolle von Bewegungen wichtigen Region der Substantia nigra ausgelöst. Was den Tod der Zellen hervorruft, ist noch nicht restlos geklärt. Im Verdacht stehen sogenannte Lewy-Körperchen. Bei diesen handelt es sich um Zelleinschlüsse, die durch die fehlerhafte Version des alpha-Synuclein-Proteins entstehen. Solche Lewy-Körperchen lassen sich in Nervenzellen der Riechkolben beobachten, noch bevor sie in der Substantia nigra nachweisbar sind.

Der olfaktorischen Vektorhypothese zufolge können Einflüsse aus der Umwelt wie Viren, Schwermetalle oder Pflanzenschutzmittel mögliche Risikofaktoren oder sogar Ursache der Parkinson-Krankheit sein. Die Hypothese besagt, dass über die Nasenhöhlen Erreger oder Giftstoffe entlang der Nervenfasern in die Riechkolben eindringen, wo sie die Entstehung der Parkinson-Erkrankung anstoßen, denn kein anderes Sinnessystem steht in so unmittelbarem Kontakt mit der äußeren Umwelt wie das Geruchssystem. Von den Riechkolben kann sich die Erkrankung dann in andere Gehirnregionen ausbreiten.

Intakte Gewebeproben erforderlich

Der menschliche Riechkolben ist vergleichsweise wenig untersucht. Die Erforschung dieser Strukturen hängt stark von der Verfügbarkeit intakter Proben ab und ist auf Spender angewiesen, die ihr Gehirn nach ihrem Tod für Forschungszwecke zur Verfügung stellen. Die Wissenschaftler aus Auckland, Neuseeland, arbeiten deshalb eng mit den Familien von Patienten, die an neurodegenerativen Erkrankungen leiden, zusammen. Sie stellen die ethisch korrekte Entnahme von Gehirngewebe kranker und gesunder Probanden nach ihrem Tod sicher. Ein weiteres Problem ist die schwer zugängliche Lage der Riechkolben sowie dessen Verknüpfung mit der Riechschleimhaut. Daher müssen die Forscher bei der Entnahme besondere Vorsicht walten lassen, um die Struktur des Riechkolbens zu bewahren.

Den neuseeländischen Wissenschaftlern ist es gelungen, geeignete Präparate für eine detaillierte Studie zu gewinnen. In einer Zusammenarbeit von Forschern rund um den Globus haben die Wissenschaftler Gewebeschnitte vom gesamten Riechkolben angefertigt und die Schnitte anschließend mit fluoreszierenden Antikörpern gefärbt. Die Kollegen in Frankfurt haben die Schnitte in Frankfurt unter dem Mikroskop untersucht und aus den einzelnen Bildern dreidimensionale Rekonstruktionen angefertigt.

Neue Messmethode

Da sich die Glomeruli in den menschlichen Riechkolben schlecht eindeutig zählen lassen, haben die Wissenschaftler eine neue Methode zur quantitativen Bestimmung entwickelt. Dabei messen sie die Glomerulus-Anteile anhand ihres Gesamtvolumens, bezeichnet als „global glomerular voxel volume“. Mit Hilfe dieser neuen Methode haben die Forscher festgestellt, dass die Glomerulus-Anteile in den Riechkolben von Parkinson-Patienten weniger als halb so groß sind. Noch ist unklar, ob Parkinson-Patienten weniger oder kleinere Glomeruli oder eine Kombination aus beidem aufweisen.

Darüber hinaus ist die Verteilung der Glomeruli verändert: Bei gesunden Menschen machen die Glomeruli im unteren Teil der Riechkolben rund 70 Prozent aus, bei Parkinson-Patienten sind dies lediglich 44 Prozent. „Der starke Rückgang in diesem Bereich könnte darauf hindeuten, dass Umweltfaktoren tatsächlich einen Einfluss auf die Erkrankung haben, denn die unteren Teile der Riechkolben liegen in unmittelbarer Nähe zur Riechschleimhaut der Nase“, erklärt Peter Mombaerts, Direktor der Max-Planck-Forschungsstelle für Neurogenetik. Die Wissenschaftler fanden zudem heraus, dass der Glomeruli-Anteil des Riechkolbens umso kleiner war, je mehr der krankheitstypischen Lewy-Körperchen ein Patient aufwies. „Dies könnte darauf hindeuten, dass die Lewy-Körperchen eine Ursache für den Glomerulus-Rückgang im Riechkolben sind“, erklärt Bolek Zapiec, Erstautor der zugrundeliegenden Veröffentlichung.

Die Frage ist nun, welche Nervenzellen in den Riechkolben als erstes und am stärksten von Parkinson betroffen sind. Die Forscher wollen deshalb als nächstes die Nervenzellen im Riechkolben identifizieren, die besonders empfindlich auf die Erkrankung reagieren.

HR

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