Ring um Haumea entdeckt

Beobachtungskampagne an zehn Observatorien nimmt Zwergplaneten ins Visier

Haumea besitzt einen schmalen und dichten Ring. Das hat die Beobachtung einer Sternbedeckung durch diesen Zwergplaneten ergeben. An der Kampagne waren zehn Observatorien in sechs europäischen Ländern beteiligt. Zudem haben Wissenschaftler des Garchinger Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik und von mehr als 50 weiteren Institutionen die Größe, Form und Dichte von Haumea detailliert gemessen. Die neuen Werte stimmen besser mit den theoretischen Vorhersagen überein. Trotzdem bleibt die Entstehung dieses interessanten Ringsystems mit Monden rätselhaft.

In unserem Sonnensystem wimmelt es außerhalb der Neptunbahn geradezu von interessanten Himmelskörpern, den sogenannten TNOs (trans-neptunischen Objekten). Die vier größten TNOs sind als Zwergplaneten klassifiziert – mit Pluto als bekanntestem Mitglied. Haumea ist kleiner, besitzt aber eine langgestreckte Form, rotiert sehr schnell, ist mit kristallinem Wassereis bedeckt und hat zwei Monde. Allerdings waren viele seiner physikalischen, chemischen und thermischen Eigenschaften bisher nicht gut bekannt.

„Seit seiner Entdeckung vor mehr als zehn Jahren wussten wir, dass Haumea ein exotisches Objekt ist, aber trotz Beobachtungen mit den leistungsstärksten Teleskopen kannten wir seine Eigenschaften nur unzureichend“, sagt Thomas Müller vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, der eines der Projektteams für diese Studie leitete. „Es ist fantastisch zu sehen, dass eine koordinierte Kampagne von Beobachtern mit kleinen bis mittelgroßen Teleskopen nun einen derart spektakulären Beitrag zu unserem Verständnis von Haumea und der Welt der eisigen Zwergplaneten hinter Neptun erbracht hat.“

Die Astronomen nutzten die seltene Gelegenheit einer Sternbedeckung, um eine Fülle von Beobachtungsdaten zu sammeln. Solche Sternbedeckungen sind einer Sonnenfinsternis sehr ähnlich, doch anstatt des Mondes vor der Sonne läuft in diesem Fall ein kleiner Körper unseres Sonnensystems vor einem beliebigen Hintergrundstern vorbei. Aus der Messung des Schattens auf der Erde lässt sich direkt die Größe des Objekts und seine (projizierte) Form errechnen.

Bereits im Jahr 2015 erkannten die Forscher die mögliche Bedeckung eines ausreichend hellen Sterns durch Haumea. Die verbesserten Positionen für mehr als eine Milliarde Sterne im Gaia-Katalog, der im September 2016 veröffentlicht wurde, machten Vorhersagen von Sternbedeckungen durch Asteroiden viel verlässlicher. Allerdings bleibt die Berechnung von Ereignissen, die durch TNOs verursacht werden, schwierig. Diese Objekte wurden erst vor relativ kurzer Zeit entdeckt und astrometrische Beobachtungen sind nur für einen kleinen Teil ihrer Umlaufbahnen verfügbar.

Daher bedurfte es einer großen astrometrischen Beobachtungskampagne nahe des Zeitpunktes einer potenziellen Bedeckung, um den Pfad des Schattens zu berechnen und das Beobachternetz im Januar 2017 in Bereitschaft zu versetzen. So erhielten insgesamt zehn Observatorien in sechs europäischen Ländern Daten über Haumeas zu erwartende Sternbedeckung, die dann am 21. Januar 2017 stattfand.

Die Lichtkurven zeigen tiefe Einschnitte, bedingt durch den Vorbeizug von Haumea vor dem Hintergrundstern. Weil diese Einschnitte sehr abrupt sind, kann der Zwergplanet keine globale Atmosphäre haben wie etwa Pluto. Neben der großen Bedeckung gab es aber vor und nach dem größten Einschnitt in der Lichtkurve kurze Verdunkelungen.

„Wir waren sehr überrascht, diese Sekundärereignisse zu sehen, was auf eine zusätzliche Struktur um den Zwergplaneten hindeutete“, sagt Ulrich Hopp vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und der Universitätssternwarte München, die für die Beobachtungen am Observatorium Wendelstein verantwortlich war. „Die Analyse zeigt, dass diese Verdunkelungen durch einen schmalen und dichten Ring um Haumea erklärt werden können, der etwa die Hälfte des ankommenden Sternenlichts absorbierte.“

Beobachtungskampagnen der vergangenen Jahre erhielten bereits Hinweise auf Ringe um einige kleinere Planeten in der Trans-Neptun-Region wie Chariklo und Chiron. Unerklärte Lichtkurven-Signaturen könnten zudem darauf hindeuten, dass auch andere Objekte einen Ring oder ein ganzes Ringsystem besitzen könnten. Das Reflexionsvermögen des Rings um Haumea ist vergleichbar mit jenem der bisher bekannten Ringe. Der Positionswinkel des Rings stimmt mit der Rotationsachse von Haumea überein, sodass der Ring in der Äquatorebene des Himmelskörpers liegen sollte.

Bisherige Beobachtungen haben gezeigt, dass sich auch Haumeas einer Mond Hi'iaka in der Äquatorialebene befindet, allerdings in deutlich größerer Entfernung. Der Ring liegt so nahe am stark eiförmigen Zwergplaneten, dass die Entstehung eines festen Körpers aus diesem Material nicht möglich ist.

Da Haumea eine triaxiale, ellipsoide Form besitzt, reicht die Bedeckung allein nicht aus, seine dreidimensionale Gestalt zu bestimmen. Die Messungen über mehrere Tage vor und nach der Bedeckung lieferten den Astronomen aber zusätzliche Informationen über die Rotationslichtkurve, sodass sich die Form des Ellipsoids sowie die Dichte des Zwergplaneten daraus ableiten ließen.

Die neuen Ergebnisse stehen viel besser im Einklang mit der Dichte anderer großer TNOs als bisherige Messungen. Allerdings sind die Ergebnisse nicht mit einem homogenen Körper im hydrostatischen Gleichgewicht vereinbar. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass die vereinfachte Annahme eines annähernd flüssigen Körpers nicht gültig ist und die Gesetze granularer Medien angewandt werden müssen.

„Die Anstrengungen, die wir in die Koordination und Vorbereitung dieser großen Zusammenarbeit investierten, haben sich voll ausgezahlt: In den wenigen Sekunden der Bedeckung erhielten wir eine Fülle an Informationen“, sagt Thomas Müller. „Wir wissen jetzt mehr über die Form und den Aufbau von Haumea.“

Die Entdeckung eines Rings um diesen Zwergplaneten – mit einer ganz anderen dynamischen Masse und weiter entfernt als alle anderen Objekte mit Ringen – bedeute, dass derartige Ringe wohl viel häufiger seien, als bisher gedacht. Das sei ein neues, unerwartetes und aufregendes Forschungsfeld, in dem kleine und mittelgroße Teleskope fantastische Beiträge leisten könnten.

„Unser Sonnensystem überrascht uns immer wieder aufs Neue“, sagt Paola Caselli, Direktorin am Garchinger Max-Planck-Institut. „Diese neue Entdeckung wird viel zum Verständnis der Entstehung von Zwergplaneten beitragen und damit auch Rückschlüsse auf die Frühgeschichte unseres Sonnensystems zulassen. Ich freue mich auf weitere Beobachtungen mit anderen leistungsstarken Teleskopen, um die Zusammensetzung Haumeas und anderer TNO-Objekte zu untersuchen.“

HAE / HOR

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