„Mathematische Strukturen besser verstehen“
Er gilt als der „Mozart der Mathematik“. So titelte der Spiegel kürzlich. Jetzt hat der 30–jährige Peter Scholze einen der bedeutendsten Mathematik-Preise erhalten, die Fields-Medaille. Ein Gespräch über seine Forschung, universelles Wissen und offene Wünsche.
Welche Bedeutung hat für Sie die Auszeichnung?
Peter Scholze: Diese Auszeichnung ist eine große Ehre für mich. Die Fields-Medaille ist eine der wichtigsten Auszeichnungen, die Mathematikerinnen und Mathematikern erhalten können– und wohl auch die bekannteste. Der Preis bedeutet mir eine große Anerkennung meiner Arbeit.
Kam der Preis für Sie überraschend?
Obwohl - oder gerade weil - mir vorher von allen Seiten nahegelegt wurde, dass ich die Fields-Medaille „ja eh bekomme“, war es doch eine große Überraschung und Freude, den Preis tatsächlich zu erhalten.
Wie haben Sie sich gefühlt, als die Auszeichnung verkündet wurde? Haben Sie gefeiert?
In dem Moment, in dem ich die Nachricht bekam, war ich schon euphorisch. Ich habe es meinen engsten Bekannten gesagt und noch am gleichen Tag ein wenig gefeiert.
Die Ehrung ist mit dem Nobelpreis vergleichbar. Was ändert sich dadurch in Ihrem Leben?
Die Fields-Medaille gilt verbreitet als der ‚Nobelpreis der Mathematik´. Ich persönlich bin aber der Ansicht, dass eher der Abelpreis diesem Anspruch gerecht wird. Ich hoffe, dass sich durch den Preis in meinem Leben nicht viel ändert.
Was fangen Sie mit dem Preisgeld an?
Mal schauen - bis jetzt ist nur eine Flasche Champagner geplant.
Können Sie bitte kurz und für Laien verständlich umreißen, für welche Leistungen Sie die Auszeichnung bekommen?
Es geht grob gesagt darum, die Beziehung zwischen Algebra/Zahlentheorie und Geometrie besser zu verstehen. Es gibt eine starke Beziehung zwischen Algebra und Geometrie. Zu jedem geometrischen Objekt gehört ein Ring. Ein Ring ist ein algebraisches Objekt, mit dem man „rechnen“ kann – im einfachsten Fall die ganzen Zahlen.
Umgekehrt hat aber auch jeder Ring ein assoziiertes geometrisches Objekt, einen Raum. Für die ganzen Zahlen wird dieser Raum mit Spec(Z) bezeichnet, das sogenannte Spektrum. Die Punkte in diesem Raum entsprechen den Primzahlen. Üblicherweise wird dieser Raum mit einer Struktur versehen, die noch nicht besonders geometrisch ist. Wenn man ihn aber etwas anders auffasst, kann man ihn wie eine dreidimensionale reelle Mannigfaltigkeit betrachten, also wie ein sehr geometrisches Objekt.
Ein Teil meiner Arbeit besteht darin, Spec(Z) „geometrischer zu machen“, jedenfalls in kleinen Umgebungen von Primzahlen. Hier arbeitet man mit sogenannten p-adischen Zahlen. Die p-adischen Zahlen in der Zahlentheorie entsprechen den Potenzreihen für Funktionen in der Analysis. Ich habe Methoden entwickelt, mit denen man diese p-adischen Zahlen geometrisch besser verstehen kann. Auf diese Weise konnte man einige offene Probleme der Algebra und Zahlentheorie lösen.
Gibt es für dieses Fachgebiet einen Anwendungsbezug? Wie profitiert davon die Menschheit? Wie die Wissenschaft?
In den Grundlagenwissenschaften, vor allem in der reinen Mathematik, weiß man nie, welche Anwendungen sich irgendwann einmal ergeben. Generell entsteht durch mathematische Forschung neues, universelles Wissen, das für alle Zeiten gültig ist. Die Mathematik ist die kumulativste aller Wissenschaften und daher auch extrem reichhaltig. Ich hoffe, dass durch meine Forschung im Bereich der Arithmetischen Geometrie mathematische Strukturen und Zusammenhänge besser verstanden werden.
Wie geht es beruflich nun für Sie weiter? Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich werde in Bonn bleiben und zukünftig neben meiner Tätigkeit als „Hausdorff Chair“ am Mathematischen Institut auch als Wissenschaftlicher Direktor am Max-Planck-Institut für Mathematik arbeiten. Mein Ziel ist es generell mathematische Strukturen besser zu verstehen. Konkret hoffe ich zum Beispiel dazu beizutragen, das Langlands-Programm weiter voranzutreiben, indem fundamentale Zusammenhänge zwischen verschiedenen mathematischen Gebieten postuliert werden.
Sie sind ein besonders junger Medaillenträger, Sie haben praktisch alles erreicht. Welche Wünsche sind noch offen?
Früher hatte ich den Wunsch, in der akademischen Laufbahn bleiben zu können, um meiner Leidenschaft, der Mathematik, nachgehen zu können. Dieser Wunsch ist mir erfüllt worden. Und mit der mathematischen Forschung habe ich doch gerade erst angefangen.
Das Interview führte Stefan Hartmann/ Hausdorff Zentrum für Mathematik der Universität Bonn