Die Sonne kommt langsam in Fahrt

Seit Dezember 2019 nimmt die Aktivität des Sterns wieder zu - was mit den Vorhersagen übereinstimmt

In den vergangenen anderthalb Jahren war auf der Sonne nicht viel los: Kaum ein Fleck bedeckte ihre Oberfläche, kaum eine Eruption schleuderte Strahlung und Teilchen ins All. Wie Beobachtungsdaten jetzt zeigen, nimmt unser Stern seit etwa neun Monaten wieder langsam Fahrt auf. Das etwa alle elf Jahre wiederkehrende Aktivitätsminimum dürfte er bereits im Dezember 2019 durchschritten haben. Dies bestätigt Vorhersagen des Solar Cycle 25 Prediction Panel, eines von der amerikanischen Weltraumagentur NASA und der amerikanischen Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA einberufenen, internationalen Expertengremiums. Das Gremium, zu dessen Mitgliedern Robert Cameron vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen zählt, erwartet allerdings, dass sich die Sonne im nun begonnenen Sonnenzyklus Nummer 25 ähnlich schlapp zeigen wird wie in den elf Jahren zuvor.

Seit mehr als 30 Jahren laden NASA und NOAA regelmäßig internationale Experten ein, die Sonnenaktivität der nächsten Jahre vorherzusagen. Das ist keine einfache Aufgabe, denn unser Stern zeichnet sich durch ein eigenartiges Zusammenspiel aus Verlässlichkeit und Launenhaftigkeit aus. Zwar wechseln sich Phasen hoher und geringer Aktivitäten in einem erstaunlich regelmäßigen Rhythmus ab: Zwischen zwei Aktivitätsminima vergehen in etwa elf Jahre. Doch einige Eigenschaften wie Stärke und genaue Dauer eines Zyklus können durchaus variieren und lassen kein langfristiges System erkennen.

Die letzte Vorhersage vom März 2019 hat nun ihre erste Bewährungsprobe bestanden und den Anfang des nächsten Zyklus, des 25. seit Beginn verlässlicher Sonnenbeobachtungen, richtig prognostiziert. Das haben NASA und NOAA jetzt bekanntgegeben. Das Solar Cycle 25 Prediction Panel hatte diesen Zeitpunkt zwischen November 2019 und Oktober 2020 verortet. Messungen von Forschungssatelliten aus den vergangenen Monaten zeigen nun, dass die Sonnenaktivität tatsächlich seit Dezember 2019 wieder zunimmt.

Das Verhalten unseres Sterns im Voraus zu bestimmen, ist dabei nicht nur von rein wissenschaftlichem Interesse. „In Phasen hoher Aktivität können sich heftige Teilchen- und Strahlungsausbrüche von der Sonne auch auf der Erde bemerkbar machen“, sagt Robert Cameron vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, der an der jüngsten Vorhersage vom März vergangenen Jahres mitgewirkt hat. Im schlimmsten Fall können dadurch technische Systeme wie etwa Satelliten ausfallen oder Astronauten zu Schaden kommen.

Der nun begonnene Sonnenzyklus dürfte in dieser Hinsicht wenig Anlass zur Sorge geben. Das Solar Cycle 25 Prediction Panel geht davon aus, dass seine Stärke der seines ausgesprochen matten Vorgängers ähneln wird. Bereits seit den 1980er-Jahren verzeichnet die Stärke der Sonnenzyklen einen deutlichen Abwärtstrend. „Die aktuelle Phase geringer Sonnenaktivität im Vergleich zu den starken Zyklen, die während des Großteils des vergangenen halben Jahrhunderts vorherrschten, setzt sich in den nächsten elf Jahren offenbar fort“, so Cameron. Das nächste, eher schwache Maximum dürfte in der Zeit zwischen November 2024 und März 2026 auftreten.

Obwohl Prognosen früherer Sonnenzyklen zum Teil merklich danebenlagen, ist Robert Cameron überzeugt, dass sich die Sonne durchaus in die Karten blicken lässt – allerdings nur einige Jahre im Voraus. Laut den Max-Planck-Forscher machen dies neue Erkenntnisse der Sonnenphysik der vergangenen Jahre möglich.

Wichtige Anhaltspunkte bieten lokale magnetische Strukturen, die sich Jahre zuvor auf der sichtbaren Oberfläche der Sonne zeigen. Diese sogenannten bipolaren Regionen bestehen aus dicht benachbarten Bereichen entgegengesetzter magnetischer Polarität; oftmals gehen sie mit Sonnenflecken einher. Wie auf einer Art solarem Förderband schwemmen gewaltige, oberflächennahe, nord-süd-gerichtete Plasmaströme diese lokalen magnetischen Felder über mehrere Jahre hinweg aus Äquatornähe zu den Sonnenpolen - und bauen so das globale Sonnenmagnetfeld auf, das den nächsten Sonnenzyklus prägt. An den Polen sinkt das Plasma in die Tiefe und fließt dort zurück zum Äquator. „Jeder Kreislauf dauert etwa elf Jahre und ist die physikalische Grundlage des Sonnenzyklus“, sagt Cameron.

Für Vorhersagen der Sonnenaktivität ist es zum einen entscheidend, Anzahl und Anordnung der bipolaren Regionen, die Jahre zuvor auf der Oberfläche der Sonne entstehen, genau und ununterbrochen zu beobachten. Diese Aufgabe übernehmen seit einigen Jahren Satelliten wie etwas das Solar Dynamics Observatory der NASA. Zum anderen macht die Helioseismologie, eine noch junge Teildisziplin der Sonnenforschung, Vorgänge im Innern der Sonne sichtbar; auf diese Weise lässt sich unter anderem die genaue Geschwindigkeit des Plasmakreislaufs bestimmen. „Mit diesen Methoden können wir schon einige Jahre im Voraus ablesen, wie sich die Sonne im nächsten Zyklus verhalten wird“, sagt Robert Cameron. Vorhersagen, die über einen Sonnenzyklus hinausgehen, sind indes prinzipiell nicht möglich.

BK / HOR

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