Was im Gehirn zwischen grau und weiß liegt

8. Oktober 2020
Neurowissenschaftler betrachten das Gehirn als ein Gebilde, das aus zwei grundlegenden Gewebetypen zusammengesetzt ist. Die graue Substanz besteht aus Milliarden von Neuronen, welche eine dünne Schicht auf der Hirnoberfläche bilden. Diese neuronalen Zellen sind durch millionenfache Verbindungen, die gebündelt tiefer im Gehirn verlaufen und die weiße Substanz bilden, in einem verschachtelten Netzwerk zusammengeschaltet. Bis vor kurzem war über die Grenzfläche zwischen der weißen und der grauen Substanz - der so genannten „oberflächlichen weißen Substanz“ - noch nicht viel bekannt. Frühere Untersuchungen hatten jedoch darauf hingedeutet, dass schwerwiegende Krankheiten wie Alzheimer und Autismus mit dieser Region verknüpft sind. Nun ist es einem multidisziplinären Team unter der Leitung von Nikolaus Weiskopf vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften gelungen, die oberflächliche weiße Substanz im lebenden menschlichen Gehirn sichtbar zu machen.

„Wir weisen nach, dass die oberflächliche weiße Substanz sehr viel Eisen enthält. Es ist bekannt, dass Eisen für den Prozess der Myelinisierung notwendig ist.“, erklärt Evgeniya Kirilina, Erstautorin Studie. Myelin macht die weiße Substanz weiß. Es bildet die Fettschicht der Axone der Nervenzellen, die die Informationsübertragung durch das Gehirn beschleunigt. Dieser Prozess kann während der gesamten Lebensspanne auftreten, ist aber in der frühen Entwicklung des Gehirns vorherrschend. Tatsächlich fand sich die größte Eisenkonzentration in der oberflächlichen weißen Substanz in Regionen des frontalen Kortex, der sich im gesamten Prozess der Hirnreifung am langsamsten entwickelt. So ist der frontale Kortex erstaunlicherweise erst im vierten Lebensjahrzehnt eines Menschen vollständig myelinisiert.

Der Schlüssel zu den Entdeckungen des Forschungsteams liegt in der innovativen bildgebenden Methode, die sie anwendeten. Mit einem 7-Tesla-MRT Scanner konnten sie hochauflösende Karten der Grenze zwischen weißer und grauer Substanz über das gesamte lebende Gehirn hinweg erstellen. Die Genauigkeit dieser Submillimeterkarten wurde im Vergleich zu traditionellen und fortgeschrittenen histologischen Methoden beurteilt, die eine physische Untersuchung und Analyse von postmortalen Gehirnen beinhalten. Evgeniya Kirilina fügt hinzu: "Der Einblick in die Organisation der Grenzfläche zwischen weißer und grauer Substanz wirft ein neues Licht auf die Entwicklung des Gehirns. Wir hoffen, dass die Methode dazu beitragen kann, unser Verständnis davon sowie von Veränderungen der oberflächlichen weißen Substanz entscheidend zu verbessern".

 

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