Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften hat in diesem Jahr Prof. Dr. Emmanuelle Charpentier, Direktorin der Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene für ihre bahnbrechenden Arbeiten zu CRISPR-Cas9, einem Werkzeug zur Genom-Editierung, mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Sie teilt sich den Preis mit Jennifer Doudna, Molekularbiologin an der University of California, Berkeley.
„Ich bin überwältigt und fühle mich zutiefst geehrt, eine Auszeichnung von derartiger Bedeutung zu erhalten. Ich freue mich schon, diese Auszeichnung nun mit meinem Team, mit Familie und Freunden per Video zu feiern“, so Charpentier. „Ich denke gerade besonders an meine früheren Teammitglieder – insbesondere Elitza Deltcheva und Krzysztof Chylinski, die wesentlich dazu beigetragen haben, den Mechanismus von CRISPR-Cas9 in Bakterien zu entschlüsseln, und an meine Kollegen auf dem Gebiet der CRISPR-Forschung. Die Auszeichnung unterstreicht die Bedeutung der Grundlagenforschung im Bereich der Mikrobiologie.“
In der Medizin, Biotechnologie und Landwirtschaft gilt die CRISPR-Cas9-Technologie als Revolution. Sie ist ein leistungsfähiges und vielseitiges Werkzeug, um jede beliebige Gensequenz in den Zellen lebender Organismen effizient zu verändern. CRISPR-Cas ist in den 2000er Jahren ursprünglich als ein adaptives Immunsystem von Bakterien und Archäen entdeckt worden, um Angriffe von Viren abzuwehren. Im Jahr 2011 veröffentlichte Emmanuelle Charpentier, die damals an der Universität Wien und der Umeå Universität forschte, und ihr Team eine entscheidende Studie im Fachmagazin Nature, in der sie die tracrRNA – zusammen mit CRISPR RNA und Cas9 – als zentrale Komponente der Aktivierung von CRISPR-Cas9 im Bakterium Streptococcus pyogenes und anderen Bakterien beschrieben. Ein Jahr später konnten die Forschenden zeigen, dass CRISPR-Cas9 ein Enzym ist, das aus tracrRNA und CRISPR-RNA besteht und DNA sequenzspezifisch schneiden kann. Das System wurde dann zu einem präzisen Genwerkzeug entwickelt, das fehlerhafte DNA korrigieren kann, ähnlich einer Textbearbeitungssoftware, die Tippfehler in einem Dokument bearbeitet oder korrigiert. Wie genau das CRISPR-Cas9-System die DNA gezielt ansteuert, sowie ein Leitfaden, wie es als vielseitiges genetisches Werkzeug zur Veränderung des Erbguts verwendet werden kann, hat Emmanuelle Charpentier 2012 zusammen mit Jennifer Doudna an der University of California, Berkeley in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
Sie finden dieses Video auf YouTube. Mit Klick auf das Bild werden Sie dorthin weitergeleitet.
Max-Planck-Präsident Martin Stratmann beglückwünschte Emmanuelle Charpentier für diese außerordentliche Ehre von Herzen. „Wir gratulieren Emmanuelle Charpentier zum Nobelpreis und dem grandiosen Durchbruch im Genome Editing. Wir sind stolz darauf, dass es uns immer wieder gelingt, herausragende Wissenschaftler an die Max-Planck-Gesellschaft zu berufen und damit nach Deutschland zu locken. Sie wird die Bedeutung der mikrobiologischen Grundlagenforschung in der Max-Planck-Gesellschaft sowie allgemein in Deutschland weiter stärken.“
Das Gentechnikwerkzeug CRISPR-Cas9 lässt sich in den unterschiedlichsten Bereichen anwenden, darunter in der Human- und Veterinärmedizin, der Landwirtschaft sowie der Biotechnologie. Aufgrund der Vielseitigkeit und Einfachheit in der Anwendung wurde die Technologie in kürzester Zeit von der wissenschaftlichen Gemeinschaft angenommen. In der Landwirtschaft steht sie bereits in den Startlöchern zur Vermarktung. Im medizinischen Bereich wird es in den nächsten Jahren darum gehen, die CRISPR-Cas9-Technologie in sichere und effektive Therapien für schwerwiegende Erkrankungen zu überführen, für die es aktuell keine Behandlungsmöglichkeiten gibt. „Ich bin wirklich verblüfft darüber, mit welcher Geschwindigkeit sich die Forschung an CRISPR und möglichen Anwendungen in den letzten Jahren entwickelt hat“, erklärt Emmanuelle Charpentier. „Ich freue mich auf viele weitere Entwicklungen, besonders solche, mit denen sich schwere Erkrankungen behandeln lassen.“
Sie finden dieses Video auf YouTube. Mit Klick auf das Bild werden Sie dorthin weitergeleitet.
Gen-Editing mit CRISPR/Cas9
Mit Hilfe der CRISPR/Cas9-Systeme können die Genome der unterschiedlichsten Organismen bearbeitet werden. Doch wie funktioniert die neue Gentechnik mit dem unaussprechlichen Namen?
Emmanuelle Charpentier gilt weltweit als führende Expertin auf dem Gebiet der Regulationsmechanismen, die Infektionsprozessen und Immunität von pathogenen Bakterien zugrunde liegen. Sie ist wissenschaftliche und geschäftsführende Direktorin der Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene und Honorarprofessorin an der Humboldt Universität zu Berlin. Zuvor war sie bis 2017 Professorin am Laboratory for Molecular Infection Medicine Sweden (EMBL-Partnerschaft) und Gastprofessorin am Umeå Centre for Microbial Research der Umeå Universität in Schweden, wo sie sich 2013 in Medizinischer Mikrobiologie habilitierte. Außerdem war sie Alexander von Humboldt-Professorin, Abteilungsleiterin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig, sowie Professorin an der Medizinischen Hochschule Hannover.
Charpentier studierte Biochemie, Mikrobiologie und Genetik an der Universität Pierre und Marie Curie (jetzt Universität Sorbonne) in Paris, Frankreich, und promovierte dort in Mikrobiologie mit Forschungsarbeiten, die sie am Institut Pasteur durchführte. Danach verbrachte sie mehr als fünf Jahre in den USA, wo sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin Positionen in New York an der Rockefeller University, am Langone Medical Center und am Skirball Institute of Biomolecular Medicine der News York University sowie am St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis innehatte. Im Jahr 2002 zog sie zurück nach Europa, um ihre eigene Forschungsgruppe als Assistenz- und Gastprofessorin an den Max F. Perutz Laboratories in Wien aufzubauen. Dort habilitierte sie sich 2006 im Fach Mikrobiologie.
Ab dem 7. Oktober 2024 darf wieder mitgefiebert werden: Am Montag startet in Stockholm die Bekanntgabe der diesjährigen Nobelpreise mit dem für Physiologie oder Medizin
Im Jahr 1974 warnten Wissenschaftler zum ersten Mal vor der Zerstörung der Ozonschicht durch den Menschen. Doch dauerte es lange, bis sich die Weltgemeinschaft zum Verbot ozonzerstörender Chemikalien durchrang
Die einen sehen in neuen Gentechnikmethoden eine Bedrohung für Gesundheit, Natur und kleine Bauernhöfe. Die anderen halten sie für den Schlüssel zu nachhaltiger Landwirtschaft und Klimaschutz. Was sagen Expertinnen und Experten dazu und was sind die wissenschaftliche Fakten?
Die Getrud Reemtsma Stiftung zeichnet die Hirnforscher Richard Andersen und Karl Friston mit dem International Prize for Translational Neuroscience aus