Archiv der Tierwanderungen in der Arktis
Ein globales Archiv mit Bewegungsdaten aus über drei Jahrzehnten protokolliert Veränderungen im Verhalten arktischer Tiere
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachten seit langem die Bewegungen und das Verhalten von Tieren in der Arktis. Es war jedoch schwierig, die Studien dazu ausfindig zu machen und auf sie zuzugreifen. Ein internationales Team unter der Leitung von Sarah Davidson, Datenkuratorin am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell, und Gil Bohrer von der Ohio State University haben deshalb ein von der NASA finanziertes globales Datenarchiv für Studien zur Tierwanderung in der Arktis und Subarktis aufgebaut.
Das Arctic Animal Movement Archive soll Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen miteinander vernetzen und ihre Zusammenarbeit fördern. Forschende von über 100 Universitäten, Regierungsbehörden und Naturschutzgruppen aus 17 Ländern sind daran beteiligt. "Mit dem Archiv wollen wir eine globale Forschungsgemeinschaft über Institutionen und politische Grenzen hinweg aufbauen", sagt Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie, der die Forschungsplattform Movebank entwickelt hat. Das Archiv enthält derzeit über 200 Forschungsprojekte mit den Bewegungsdaten von mehr als 8.000 Meeres- und Landtieren von 1991 bis heute.
Zugverhalten der Steinadler
Forschende haben nun verschiedene Studien veröffentlicht, die Daten und Fachwissen mithilfe des Archivs zusammenführen. So stellten Wissenschaftler beim Vergleich der Bewegungen von mehr als 100 Steinadlern von 1993 bis 2017 fest, dass junge Adler, die nach milden Wintern nach Norden ziehen, früher in ihren Brutgebieten eintreffen. Die Ankunftszeit der ausgewachsenen Vögel ist jedoch unabhängig von den Bedingungen an ihren Brutplätzen ziemlich konstant geblieben. Dies beeinflusst das Brutgeschäft und das Überleben der Küken. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir Klimadaten berücksichtigen müssen, die Jahrzehnte umfassen", sagt Scott LaPoint, Wissenschaftler bei Black Rock Forest.
Eine zweite Studie mit mehr als 900 weiblichen Karibu-Weibchen aus den Jahren 2000 bis 2017 hat ergeben, dass Herden weiter im Norden früher im Frühling gebären, während sich die Geburten der südlicheren Populationen weniger stark verändert haben. "Dass wir die Geburt in einem so großen Maßstab, über Populationen und Unterarten hinweg und über Millionen von Quadratkilometern untersuchen können, ist für eine Tierart in einer so abgelegenen und rauen Umgebung wirklich beispiellos", erklärt Elie Gurarie von der Universität Maryland.
Unterschiedliche Reaktionen auf den Klimawandel
Eine dritte Analyse, die sich mit den Wanderungsgeschwindigkeiten von Bären, Karibus, Elchen und Wölfen von 1998 bis 2019 befasst, kommt zu dem Schluss, dass die Arten unterschiedlich auf jahreszeitliche Temperaturen und winterliche Schneebedingungen reagieren. "Wie Tiere mit ihren Wanderungen auf veränderliche Wetterbedingungen reagieren, wirkt sich auf den Konkurrenzkampf der Arten und die Räuber-Beute-Dynamik aus", sagt Peter Mahoney, der seine Untersuchungen an der Universität Washington durchgeführt hat.
Zu den Hunderten von Studien, die bereits im Archiv enthalten sind, kommen immer weitere hinzu. Dies dürfte dazu beitragen, Veränderungen im Verhalten der Tiere und im arktischen Ökosystem zu erkennen. "Darüber hinaus liefern wir eine dringend benötigte Datenbasis früherer Verhaltensweisen und Wanderungen", sagt Davidson. "Damit lassen sich das Wildtiermanagement verbessern, neue Forschungsfragen beantworten und Veränderungen in der Arktis für zukünftige Generationen dokumentieren.“