Gasblasen in Gesteinsporen als Wiege des Lebens
Forschende entwickeln Szenario für die Entstehung von membranlosen Mikrotröpfchen auf der frühen Erde
Wo und wie entstand Leben aus unbelebten chemischen Stoffen auf der frühen Erde vor mehr als 3,5 Milliarden Jahren? Eine wesentliche Voraussetzung für die ersten Zellen auf der Erde ist deren Fähigkeit, Kompartimente zu bilden und sich weiterzuentwickeln, um so erste chemische Reaktionen zu ermöglichen. Membranlose Koazervat-Mikrotröpfchen eignen sich ausgezeichnet zur Beschreibung von Protozellen, mit ihrer Fähigkeit sich zu teilen, Moleküle zu konzentrieren und biochemische Reaktionen zu unterstützen. Wissenschaftler haben bisher nicht nachweisen können, wie sich diese Mikrotröpfchen entwickelt haben könnten, um dem Leben auf der Erde auf die Sprünge zu verhelfen. Nun zeigen Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden und des Center for NanoScience an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München erstmals, dass das Wachstum und die Teilung von membranlosen Mikrotröpfchen in einer Umgebung, die Gasblasen in einer erhitzten Gesteinspore auf der frühen Erde ähnelt, möglich ist. Das deutet darauf hin, dass Leben dort seinen Ursprung gehabt haben könnte.
Das Team um Dora Tang, Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik, zeigte 2018, dass einfache RNA in membranlosen Mikrotröpfchen aktiv ist und diese damit eine geeignete chemische Umgebung für die Entstehung des Lebens bieten. Diese Experimente wurden in einer einfachen wässrigen Umgebung durchgeführt, in der miteinander in Konflikt stehende Kräfte ausgeglichen waren. Zellen brauchen jedoch eine Umgebung, in der sie sich kontinuierlich teilen und weiterentwickeln können. Auf der Suche nach einer geeigneteren Umgebung wandte sich Dora Tang an Dieter Braun von der LMU in München. Seine Gruppe entwickelte eine Umgebung mit ungleichgewichtigen Bedingungen, in der mehrere Reaktionen gleichzeitig ablaufen können und in denen sich Zellen auch weiterentwickeln können. Diese Zellen sind allerdings nicht diese, die wir heute kennen, sondern eher deren Vorläufer, auch Protozellen genannt, die aus Koazervaten ohne Membran bestehen.
Die Umgebung der Forschungsgruppe um Dieter Braun stellt ein wahrscheinliches Szenario auf der frühen Erde dar, wo poröses Gestein in Wasser in der Nähe von vulkanischen Aktivitäten teilweise aufgeheizt wurde. Für ihre Experimente verwendeten Dora und Dieter wasserhaltige Poren mit einer Gasblase und einem Temperaturgradienten mit einem heißen und einem kalten Pol, um zu sehen, ob sich die Protozellen teilen und weiterentwickeln würden. Alan Ianeselli, Erstautor der Studie und Doktorand im Labor von Dieter Braun, erklärt: „Wir wussten, dass die Grenzfläche zwischen dem Gas und dem Wasser Moleküle anzieht. Die Protozellen sammeln sich dort an und verbinden sich zu größeren Zellen. Deshalb haben wir auch diese spezifische Umgebung gewählt.“
Protozellen an der Grenzfläche zwischen Gas und Wasser
Tatsächlich beobachteten die Forscher, dass Moleküle und Protozellen an die Gas-Wasser-Grenzfläche wanderten, um dort größere Protozellen aus Zucker, Aminosäuren und RNA zu bilden. Alan fährt fort: „Wir beobachteten auch, dass sich die Protozellen teilen und zerlegen konnten. Diese Ergebnisse sind möglicherweise ein Mechanismus für das Wachstum und die Teilung von membranlosen Protozellen auf der frühen Erde.“ Zusätzlich fanden die Forscher heraus, dass sich als Folge des thermischen Gradienten mehrere Typen von Protozellen mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung, Größe und physikalischen Eigenschaften bildeten. Daher könnte der thermische Gradient in dieser Umgebung ein evolutionären Ausleseprozess für membranlose Protozellen sein.
Dora Tang und Dieter Braun, die die Studie geleitet haben, schlussfolgern: „Diese Arbeit zeigt zum ersten Mal, dass Gasblasen innerhalb einer erhitzten Gesteinspore ein schlüssiges Szenario für die Entstehung von membranlosen Koazervat-Mikrotröpfchen auf der frühen Erde sein könnten. Zukünftige Studien könnten weitere mögliche Umgebungen und Bedingungen für die Entstehung von Leben untersuchen.“