Asteroiden aus Hubbles Schatztruhe
Im Archiv des Weltraumteleskops finden sich die Spuren vieler unbekannter Himmelskörper
Mit einer ausgeklügelten Kombination aus menschlicher und künstlicher Intelligenz haben Astronomen 1701 neue Spuren von Asteroiden in den Archivdaten des Hubble-Weltraumteleskops aus den letzten 20 Jahren entdeckt. Während sie etwa ein Drittel davon identifizieren und bekannten Objekten zuordnen konnten, handelt es sich bei mehr als 1000 Spuren vermutlich um bisher unbekannte Asteroiden. Diese nicht identifizierten Objekte sind schwach und wahrscheinlich kleiner als jene, die bei bodengestützten Durchmusterungen entdeckt wurden. Sie könnten den Forschenden wertvolle Hinweise auf die Bedingungen im frühen Sonnensystem geben, als die Planeten geboren wurden.
Im Juni 2019, dem Internationalen Asteroidentag, veröffentlichte eine internationale Gruppe von Astronomen den „Hubble Asteroid Hunter“, ein Bürgerbeteiligungsprojekt auf der Plattform Zooniverse. Ihr Ziel: die visuelle Identifizierung von Asteroiden in den Archivdaten des Weltraumteleskops Hubble.
„Was für den einen Astronomen nur Müll ist, kann für einen anderen Astronomen ein Schatz sein“, sagt Sandor Kruk, jetzt am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, der die Asteroidenstudie leitete. Dabei wurden Daten gesammelt, die bei den meisten Beobachtungen automatisch als Rauschen oder Störungen herausgefiltert werden. „Die Datenmenge in den Astronomiearchiven wächst exponenztell, und wir wollten uns diese erstaunlichen Daten zunutze machen“, so Kruk. Die Astronomen identifizierten zwischen dem 30. April 2002 und dem 14. März 2021 mehr als 37.000 zusammengesetzte Bilder, aufgenommen mit den ACS- und WFC3-Kameras an Bord des Hubble-Weltraumteleskops. Diese Aufnahmen wurden von Bereichen aufgenommen, die über den gesamten Himmel verteilt sind. Bei einer typischen Beobachtungszeit von einer halben Stunde sollten die Asteroidenspuren auf den Bildern als Streifen zu sehen sein.
„Aufgrund der Umlaufbahn und der Bewegung von Hubble selbst erscheinen die Streifen auf den Bildern gekrümmt, was es schwierig macht, Spuren von Asteroiden zu klassifizieren – oder besser gesagt, es ist schwierig, einem Computer zu sagen, wie er sie automatisch erkennen soll“, sagt Sandor Kruk. „Deshalb brauchten wir Freiwillige für eine erste Klassifizierung, mit denen wir dann einen Algorithmus für maschinelles Lernen trainierten.“ In Zahlen: Es gab zwei Millionen Klicks auf die „Hubble Asteroid Hunter“-Webseite, 11.482 Freiwillige fanden 1488 positive Klassifizierungen in etwa einem Prozent der Bilder. Die Forschenden nutzten diese Klassifizierungen der Laien, um einen automatisierten Algorithmus für maschinelles Lernen in der Google Cloud zu trainieren und so in den verbleibenden Archivdaten nach weiteren Asteroidenspuren zu suchen. Dies führte zu 900 zusätzlichen Entdeckungen und einer Gesamtzahl von 2487 möglichen Asteroidenspuren in den Hubble-Archivdaten.
Drei der Autoren, Sandor Kruk, Pablo García Martín von der Autonomen Universität Madrid und Marcel Popescu vom Astronomischen Institut der Rumänischen Akademie, prüften diese Spuren, wobei sie Relikte kosmischer Strahlung und andere Objekte ausschlossen. Der endgültige Datensatz enthielt 1701 Spuren in 1316 Hubble-Bildern. Von diesen konnten etwa ein Drittel als bekannte Asteroiden im „Minor Planet Center“, der größten Datenbank für Objekte des Sonnensystems, identifiziert werden, sodass 1031 nicht identifizierte Spuren übrig blieben.
Für eine eindeutige Identifizierung als Asteroid mit einer bekannten Umlaufbahn sind weitere Beobachtungen erforderlich, aber die Stichprobe weist interessante Charakteristiken auf: Diese Objekte sind systematisch schwächer und daher wahrscheinlich kleiner als typische Asteroiden, die vom Boden aus entdeckt werden, haben aber eine ähnliche Geschwindigkeit und Verteilung am Himmel wie die bekannten Körper im sogenannten Asteroidengürtel. In weiteren Arbeiten werden die Astronominnen und Astronomen die Krümmung der Spuren, die durch die Bewegung von Hubble entstanden sind, nutzen, um die Entfernung zu den Asteroiden zu bestimmen und ihre Bahnen zu untersuchen.
„Asteroiden sind Überbleibsel aus der Entstehung unseres Sonnensystems, über sie können wir mehr über die Bedingungen bei der Geburt unserer Planeten erfahren“, sagt Sandor Kruk. „Aber es gab auch andere Zufallsfunde in den Archivbildern, denen wir derzeit nachgehen.“ Der Einsatz einer solchen Kombination aus menschlicher und künstlicher Intelligenz zur Durchsuchung riesiger Datenmengen sei ein großer Fortschritt und man wolle diese Techniken auch bei anderen bevorstehenden Durchmusterungen einsetzen, beispielsweise mit dem Euclid-Teleskop.“ Rene Laureijs, Projektwissenschaftler von Euclid und Mitautor der Studie, fügt hinzu: „Obwohl es für die Aufnahme von Galaxien konzipiert wurde, wird das Teleskop schätzungsweise 150.000 Objekte in unserem Sonnensystem beobachten.“
HAE / HOR