Mehr Sauerstoff in früheren Ozeanen
Sauerstoffarme Meeresregionen wurden in vergangenen Warmzeiten offenbar kleiner
Eine paläoklimatologische Studie eines internationalen Teams um Forschende des Max-Planck-Institutes für Chemie kommt zu dem Schluss, dass sauerstoffarme Gebiete in den Meeren in langen Warmzeiten der Vergangenheit schrumpften.
Wenn der Sauerstoff knapp wird, hat es das Leben schwer. Das gilt für Bergregionen über 7000 Meter genauso wie für umgekippte Gewässer. So können in tropischen Küstenregionen Westamerikas und Westafrikas, aber auch im Golf von Bengalen und im Arabischen Meer nur spezialisierte Mikroben oder Organismen mit langsamem Stoffwechsel wie Quallen überleben.
In den vergangenen 50 Jahren haben sich sauerstoffarme Meeresregionen ausgeweitet. Das hat gravierende Folgen auch für die Menschen, die in den Küstenregionen vom Fischfang leben. Die Wissenschaft schreibt diese Entwicklung der Erderwärmung zu: Dadurch löse sich zum einen weniger Sauerstoff im Wasser, zum anderen würden die Ozeanschichten schlechter durchmischt und immer größere Teile der Meere umkippen, so die gängige Meinung. Doch wie wird diese Entwicklung weitergehen und was geschah in vergangenen Warmzeiten?
Ein Team um Alexandra Auderset und Alfredo Martínez-García vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz hat in einer aktuellen Studie gezeigt, dass im offenen Ozean die sauerstoffarmen Zonen während der Warmzeiten der Vergangenheit kleiner wurden.
Der frühere Sauerstoffgehalt der Ozeane lässt sich aus Sedimenten ablesen
Die Forschenden leiten diese Erkenntnis aus ihren Analysen von marinen Sedimentarchiven ab. An Bohrkernen lassen sich vergangene Umweltbedingungen ähnlich ermitteln wie an Baumringen. So geben die in den Sedimenten abgelagerten Skelette von Foraminiferen und anderem Zooplankton unter anderem Aufschluss über den Sauerstoffgehalt des Meeres in der Vergangenheit. Zu ihren Lebzeiten speichern die Kleinstlebewesen in ihren Skeletten Stickstoff, dessen Isotopenverhältnis vom Sauerstoffgehalt des Meeres abhängt. Grundlage dafür ist die sogenannte Denitrifikation: Unter sauerstoffarmen Bedingungen verstoffwechseln Bakterien Nitrat, und zwar bevorzugt solches mit dem leichten Isotop 14N, zu molekularem Stickstoff. So verringert sich in sauerstoffarmem Meerwasser die Konzentration von 14N im Vergleich zum schwereren Stickstoffisotop 15N, weil die Bakterien dann mehr Denitrifikation betreiben.
Der tropische Pazifik war während zweier Warmzeiten gut mit Sauerstoff versorgt
Anhand des veränderten Isotopenverhältnisses in den Skeletten im Sediment ermittelten die Forschenden, dass die sauerstoffarmen Regionen im östlichen tropischen Nordpazifik während zweier Warmphasen der Erdneuzeit, nämlich vor etwa 16 und 50 Millionen Jahren, schrumpften.
„Mit diesem Ergebnis haben wir nicht gerechnet“, sagt Alexandra Auderset über die Studie, die nun in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde. „Aus dem Zusammenhang zwischen den hohen globalen Temperaturen und verringerter Denitrifikation schlussfolgern wir, dass der tropische Pazifik gut mit Sauerstoff angereichert war.“
Was das für die derzeitige Ausweitung der sauerstoffarmen Meeresregionen bedeutet, können die Forschenden aber noch nicht genau abschätzen: „Ob unser Ergebnis bereits auf die kommenden Jahrzehnte übertragbar ist oder erst auf viel längere Sicht eine Rolle spielt, bleibt unklar“, sagt die Paläoklimaforscherin Auderset. „Das liegt daran, dass wir noch nicht wissen, ob kurz- oder langfristige Prozesse dafür verantwortlich waren.“
Dass sauerstoffarme Zonen in wärmeren Zeiten schrumpften, könnte am Rückgang der biologischen Produktivität in den tropischen Oberflächengewässer liegen. Die Produktivität könnte zurückgegangen sein, weil Winde im äquatorialen Pazifik aufgrund des wärmeren Klimas schwächer wurden.
Dafür spricht eine weitere Erkenntnis der Autoren: Während der beiden Warmzeiten des Känozoikums – dem Klimaoptimum des mittleren Miozäns vor etwa 16 Millionen Jahren und dem Klimaoptimum des frühen Eozäns vor etwa 50 Millionen Jahren – war der Temperaturunterschied zwischen hohen und niedrigen Breitengraden viel geringer als heute.
Ein Blick in die Zukunft
Sowohl die globale Erwärmung als auch ein geringer Temperaturunterschied zwischen hohen und niedrigen Breitengraden dürften die tropischen Winde geschwächt haben, wodurch der Auftrieb von nährstoffreichem Tiefseewasser verringert wurde. Dies wiederum könnte zu einer geringeren biologischen Produktivität an der Oberfläche geführt haben. Weniger Planktonwachstum bedeutet , dass beim Abbau der Biomasse weniger Sauerstoff verbraucht wird. Diese Kette von Ereignissen kann relativ schnell ablaufen. Ist dieser Mechanismus entscheidend, dann könnte der Sauerstoffmangel im offenen Ozean in den kommenden Jahrzehnten abnehmen.
Die Ursache für den Rückzug der Zonen mit wenig Sauerstoff könnte aber auch im Tausende von Kilometern entfernten Südpolarmeer liegen, wo der Klimawandel, anders als in anderen Meeresregionen, zu einer beschleunigten Durchmischung von Oberflächen- und Tiefenwasser führen könnte. Dadurch könnte mehr Sauerstoff in tiefere Regionen des Ozeans gelangen und sich über die Ozeanzirkulation ausbreiten, was die sauerstoffarmen Zonen ebenfalls schrumpfen ließe. Dieser Mechanismus würde sich allerdings erst langfristig auswirken. Wenn also die stärkere Umwälzung im Südpolarmeer Teile der sauerstoffarmen Zonen der Tropen und Subtropen beleben würde, wäre mit deren Rückzug frühestens in hundert Jahren zu rechnen.
„Vermutlich spielen beide Mechanismen eine Rolle. Jetzt geht es darum, herauszufinden, welcher der dominierende ist“, so Martínez-García. Er zeichnet damit vor, was sein Team künftig untersuchen möchte.
Unabhängig davon, wann der Klimawandel sauerstoffarme Zonen im offenen Ozean zurückdrängen könnte, bleibt die Frage, welche Rückkopplungseffekte dann überwiegen und welche ökologischen und sozioökonomischen Folgen zu erwarten sind. So spricht letztlich alles dafür, die Klimaerwärmung so schnell wie möglich zu begrenzen.