Gasblase umschwirrt das Herz der Milchstraße
Forschende entdecken mit dem Radioteleskop Alma einen Hot Spot nahe dem schwarzen Loch Sagittarius A*
Im Zentrum unserer Milchstraße steckt ein schwarzes Loch. In der unmittelbaren Umgebung dieses Sagittarius A* genannten Massemonsters geht es turbulent zu. Jetzt hat eine internationale Gruppe unter der Leitung von Maciek Wielgus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn ein Objekt entdeckt, welches das schwarze Loch auf einer sehr engen Bahn in nur etwa 70 Minuten umläuft. Die Beobachtung dieses Hot Spots gelang mit der Teleskopanlage Alma in den chilenischen Anden.
Im April 2017 richtete das Event Horizon Telescope (EHT) acht Radioteleskope auf das Zentrum unserer Milchstraße. Ergebnis dieser Kampagne, der auch Alma angehörte, war das im vergangenen Mai veröffentlichte erste Bild des galaktischen schwarzen Lochs. Für die Kalibrierung verwendete das Team um Maciek Wielgus jene Alma-Daten, die parallel zu den EHT-Beobachtungen von Sagittarius A* aufgezeichnet wurden.
Einige der Messungen erfolgten zufällig kurz nach einem Ausbruch von Röntgenenergie aus dem Zentrum unserer Galaxis. Solche Flares stehen vermutlich mit Hot Spots in Verbindung – heißen Gasblasen, die sehr schnell und nahe am schwarzen Loch kreisen. „Diese Blase umläuft Sagittarius A* in 70 Minuten auf einer Bahn, die ähnlich groß ist wie die des Planeten Merkur. Dabei hat das Objekt offenbar das unglaubliche Tempo von etwa 30 Prozent der Lichtgeschwindigkeit“, sagt Wielgus.
Neu sei, dass sich derartige Flares bisher nur in Röntgen- und Infrarotbeobachtungen von Sagittarius A* zeigten: „Jetzt sehen wir zum ersten Mal einen sehr starken Hinweis darauf, dass umlaufende Hot Spots zudem in Radiobeobachtungen vorhanden sind“, so Maciek Wielgus weiter, der auch am Nicolaus Copernicus Astronomical Centre in Polen sowie in der Black Hole Initiative der Harvard University tätig ist.
Jesse Vos von der Radboud-Universität vermutet ebenfalls, dass der ursprünglich bei Infrarotwellenlängen entdeckte und jetzt im Radiobereich beobachtete Hot Spot eine Erscheinung desselben physikalischen Phänomens ist: „Wenn sich eine solche Blase abkühlt, wird sie bei längeren Wellenlängen sichtbar.“
Lange Zeit nahm man an, dass die Flares durch magnetische Wechselwirkungen in dem sehr heißen Gas entstehen, das in unmittelbarer Nähe von Sagittarius A* kreist. Die neuen Ergebnisse stützen diese Idee. Laut Monika Mościbrodzka von der Radboud-Universität finden sich starke Hinweise auf einen magnetischen Ursprung dieser Flares; zudem geben die Beobachtungen einen Hinweis auf die Geometrie des Prozesses. Denn Alma ermöglicht es, die polarisierte – also in eine Richtung schwingende – Radioemission von Sagittarius A* zu untersuchen. Das Team nutzte diese Messungen zusammen mit theoretischen Modellen, um mehr über die Entstehung des Hot Spots und die Umgebung, in die er eingebettet ist, zu erfahren.
Die Beobachtungen bestätigen einige der früheren Entdeckungen, die am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte gemacht wurden. So deuten die Daten des VLT-Infrarot-Instruments und von Alma beide darauf hin, dass der Strahlungsausbruch in einem Gasklumpen entsteht, der mit etwa 30 Prozent der Lichtgeschwindigkeit im Uhrzeigersinn um das schwarze Loch herumwirbelt. Dabei blicken wir offenbar nahezu von oben auf die Umlaufbahn.
Das Team hofft, mit dem Event Horizon Telescope den umlaufenden Gasklumpen direkt beobachten zu können und noch näher an das schwarze Loch heranzukommen. Aber schon jetzt ist Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie, zufrieden: „Die Ergebnisse belegen eindrucksvoll, dass Weiterentwicklungen am Alma-Teleskop für die Bildgebung mit dem EHT auch Erkenntnisse über die Variabilität solcher Quellen in Größenordnungen ermöglichen, die so bisher nicht möglich waren.”
NJ / HOR