Ferne Sternenwiegen

Das James Webb Weltraumteleskop enthüllt Sternentstehung in Gas- und Staubnetzen anderer Galaxien

Schon die ersten Aufnahmen des James Webb Weltraumteleskops tragen zur Klärung von Fragen bei, wie Sterne in relativ nahen Galaxien entstehen. Die Daten des leistungsstarken Infrarotteleskops offenbaren den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dort bislang verborgene Regionen, in denen neue Sterne geboren werden. Diese Bilder liefern erste Hinweise darauf, wie Netzwerke aus Gas und Staub zum Schauplatz aktiver Sternentstehung werden.

Astronominnen und Astronomen aus aller Welt, darunter auch Wissenschafterinnen und Wissenschafter des Max-Planck-Instituts für Astronomie wollen einige der letzten Geheimnisse der Sternentstehung in Galaxien lüften. Die Studie mit dem Namen Physics at High Angular Resolution in Nearby Galaxies with JWST (Phangs-JWST) unter der Leitung von Janice Lee, leitende Wissenschaftlerin des Gemini Observatoriums am NOIRLab der National Science Foundation in Tucson, Arizona, USA, analysiert Bilder des James Webb Weltraumteleskops. Die jüngsten Ergebnisse des Teams wurden kürzlich in einer Sonderausgabe der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.

Vier Galaxien in neuem Licht

In den ersten Monaten des wissenschaftlichen Betriebs hat das James Webb Teleskop (JWST) vier der 19 geplanten Galaxien in relativer Nähe zur Milchstraße im infraroten Wellenlängenbereich beobachtet. Dies sind durchweg Galaxien, die wir von oben oder unten sehen. Genauer handelt es sich um die Objekte NGC 628 (M 74), NGC 1365, NGC 7496 und IC 5332. „Wir sind besonders stolz auf die wesentlichen technischen Beiträge des Max-Planck-Instituts für Astronomie zu einer der verwendeten Infrarotkameras, Miri, wie zum Beispiel den Filterradmechanismus der bildgebenden Kamera“, sagt Eva Schinnerer, Gruppenleiterin am Institut. Sie leitet die gesamte Phangs-Kooperation. Die Miri-Aufnahmen zeigen ein Netzwerk aus stark strukturiertem Gas und Staub in diesen Galaxien. Es sind insbesondere die bisher im Verborgenen gebliebenen filigranen Strukturen, die anzeigen wo und wie strömendes Gas direkt in Sterne umgewandelt wird. Ein Beispiel ist Gas, das in das Zentrum der Galaxie NGC 1365 fließt und dort die Entstehung neuer Sterne anheizt.

„Die Klarheit, mit der wir die feinen Strukturen sehen, hat uns wirklich überrascht“, sagt Adam Leroy von der Ohio State University, USA und Humboldt-Forschungspreisträger am Max-Planck-Institut für Astronomie. „Die neuen Phangs-JWST-Daten geben uns einen faszinierenden Einblick in die Sternentstehung umliegender Spiralgalaxien bei höchster Auflösung“, erklärt Nadine Neumayer, Leiterin einer Lise-Meitner-Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut. Die Infrarotbilder ergänzen die vorhandenen Daten des Hubble-Weltraumteleskops aus dem optischen Spektralbereich.

Das Phangs-Team hat unter anderem an Hubble-Aufnahmen jahrelang untersucht, wie diese Galaxien im optischen oder ultravioletten Licht aussehen. Doch dabei sahen sie in den Regionen, wo die Sterne entstehen, nur Gas und Staub, weil das Licht der neuen Sterne nicht aus diesen Geburtskokons nach außen dringt. Die entscheidende Frühphase im Lebenszyklus eines Sterns blieb den Blicken von der Erde aus also verborgen. Infrarotes Licht kann den Staub dagegen durchdringen. Das im Infrarotbereich sehr leistungsstarke James Webb Weltraumteleskop ermöglicht es nun, die fehlenden Puzzlestücke der Sternengeburt sichtbar zu machen.

Feine Netze der Sternentstehung

Die Bilder zeigen feinste, nie zuvor gesehene Strukturen, wie etwa im Zentrum von NGC 628, die das Team noch nicht erklären kann. „Die neue Perspektive, die uns JWST auf die Zentren von Galaxien gibt, trägt grundlegend zu unserem Verständnis der Entwicklung von Sternhaufen und Galaxien bei“, sagt Nils Hoyer, Doktorand am Max-Planck-Institute für Astronomie und an der Universität Heidelberg. „Mit dem JWST können wir die jüngsten Sterne, die sich noch in ihren Geburtswolken befinden, in nahen Galaxien genau lokalisieren“, ergänzt Schinnerer. Zudem können die Forschenden nachvollziehen, wo und wie einströmendes Gas in Sterne umgewandelt wird, wie zum Beispiel in NGC 1365. Diese Erkenntnisse vergleichen Sie dann mit den entsprechenden Prozessen in der Milchstraße. Im Zentrum der Galaxie NGC 628 enthüllen die Beobachtungen darüber hinaus einen sehr massereichen und eng gepackten Sternhaufen. Insgesamt zeigen die neuen Daten bereits eine große Vielfalt von erstaunlich ruhigen bis hin zu dichten und massereichen Regionen mit Episoden sehr aktiver Sternentstehung.

Die Astronominnen und Astronomen entdeckten ferner, wie Sterne nicht nur in den Spiralarmen, sondern auch zwischen ihnen entstehen. „Durch den Einsatz von JWST konnten wir die jungen Sterne schließlich in feinen Ausläufern aus Gas, den sogenannten »Spurs«, nachweisen, die sich von den Spiralarmen aus erstrecken" erklärt Tom Williams, ehemaliger Astronom am Max-Planck-Institut für Astronomie. „Unsere früheren Beobachtungen hatten bereits darauf hingedeutet, dass dies der Fall sein könnte“. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Sternentstehungsrate in den Spiralarmen erwartungsgemäß höher ist, weil es dort mehr Gas und Staub. Die Effizienz, mit der daraus Sterne entstehen, scheint jedoch in der gesamten galaktischen Scheibe konstant zu sein.

Die Bilder von James Webb stehen allen Forschungsteams und auch der Öffentlichkeit zur Verfügung. Das Phangs-Team arbeitet daran, den Wert dieser Aufnahmen für die astronomische Gemeinschaft zu erhöhen, indem es sie mit komplementären Aufnahmen anderer Observatorien abgleicht. Die Qualität der Daten öffnet die Tür hin zu einem noch umfassenderen Verständnis, wie sich Prozesse im kleinen Maßstab des filigranen Netzes aus Staub und Gas und die Entwicklung und Struktur einer Galaxie im großen Maßstab gegenseitig beeinflussen. Es lohnt sich dabei auch, die mit James Webb gewonnenen äußeren Bilder der Sternentstehung in anderen Spiralgalaxien direkt mit entsprechend detaillierteren Erkenntnissen aus dem Inneren unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, zu vergleichen.

MN

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