„Männchen finden sich attraktiv, weil sie sich nicht mehr riechen.“
Interview mit Markus Knaden und Bill Hansson über den Einfluss von Ozon auf die Geruchswelt von Insekten
Forschende des Max-Planck Instituts der chemischen Ökologie in Jena und des Max Planck Centers Next Generation Insect Chemical Ecology haben festgestellt, dass hohe Ozonwerte die Duftsignale von Fruchtfliegen so stark beeinflussen, dass sie sich weniger attraktiv finden und sich in Folge dessen vermutlich seltener paaren. Was das für das Insektensterben bedeutet und welchen Einfluss Ozon auch auf die Geruchswelt von uns Menschen hat, erklären der Studienleiter Markus Knaden und Bill Hansson, Leiter der Abteilung evolutionären Neuroethologie.
Ozon spielt eine maßgebliche Rolle in der Untersuchung – wo kommt Ozon eigentlich her?
Hansson: Ozon findet man an zwei Orten: In zwölf bis 50 Kilometer Höhe schützt es uns vor schädlicher UV-Strahlung. Aber wir finden es auch hier unten auf der Erde, weil es gewissermaßen von uns Menschen produziert wird. Wir stoßen viele schädliche Abgase aus - zum Beispiel Stickoxide. Die entstehen durch Verbrennungsmotoren und Feuerungsanalgen. Stickoxide reagieren zusammen mit dem Sonnenlicht und organischen Gasen in der Atmosphäre und bilden so Ozon. Wir stoßen es also nicht direkt aus, schaffen aber die Bedingungen dafür. Wenn es warm und sonnig ist und die Schadstofflast in der Luft hoch ist, steigt auch die Ozonkonzentration.
In der Studie ging es um das Sexualverhalten von Fruchtfliegen. Was hat Ozon damit zu tun?
Knaden: Fruchtfliegen, sind abhängig von Gerüchen. Bei Gerüchen wiederum dreht sich alles um die Chemie. Ozon ist ein sehr reaktives Gas, deshalb kann es die Chemie der Duftstoffe verändern. Das hat zur Folge, dass die Fliegen anders riechen. Das ist so, als würden sie plötzlich ihre Sprache nicht mehr verstehen. Der komplette Kommunikationskanal bricht zusammen. Männchen, die eigentlich für Weibchen attraktiv wären, sind es auf einmal nicht mehr. Wir haben auch festgestellt, dass die Männchen sich untereinander auf einmal attraktiv fanden, weil sie nicht mehr riechen wie Männchen.
Über welche Konzentrationen sprechen wir hier – sind das reale Werte?
Knaden: Ja sind es. Allerdings werden Messungen zu Ozon hauptsächlich in Städten durchgeführt. Daher fehlen uns Daten zu ländlichen Gebieten. Wir gehen aber davon aus, dass zumindest die chemisch stabilen Stickoxide von den Städten aus weit in die Natur getragen werden und dort potentiell Schaden anrichten. Die von uns im Labor untersuchten Ozon-Konzentrationen entsprechen denen, wie sie an heißen Tagen in Städten auftreten. Im Sommer werden manchmal Ozonwarnungen ausgesprochen. Das passiert bei einem Verhältnis von einer Milliarde Luft- zu 100 Ozon-Molekülen. Normalerweise sind es 20 bis 30 Moleküle. Manche Städte in China weisen diese Werte mittlerweile fast permanent auf. Wir sehen aber, dass die Ozon-Werte weltweit ansteigen. Wie sich das Ozon auf Fliegen auswirkt, die auf dem Land leben, wo die Werte noch niedriger sind, wollen wir im Sommer untersuchen.
Sind die Ergebnisse auch auf andere Insekten übertragbar?
Knaden: Bienen, Schmetterlinge, Ameisen, Käfer kommunizieren über Pheromone. Aber selbst Arten, die das nicht tun, können von den erhöhten Ozon-Werten betroffen sein – zum Beispiel, wenn sie von solchen Insekten als Nahrung abhängen. Aktuell weiten wir die Untersuchungen auf Nachtfalter aus. Grundsätzlich aber gilt: Pheromone mit Kohlenstoffdoppelbindungen werden von Ozon und Stickoxiden angegriffen – und das sind mehr als 90 Prozent der bisher identifizierten Insektenpheromone. Es verändert auch die Gerüche der Blumen, sodass Insekten ihre Nahrung nicht mehr finden und Giftstoffe nicht mehr erkennen. Aber auch unsere eigene Geruchswelt kann sich durch zu viel Ozon verändern. Wenn wir Blumen im Labor hohen Ozonkonzentrationen aussetzen, dann riechen wir einen Unterschied.
Auch von Stickoxiden sagen Sie – was bedeutet das für die Insekten in der freien Natur, wo sie beiden Gasen ausgesetzt sind?
Knaden: Draußen wird der Effekt wahrscheinlich sogar noch stärker sein. Stickoxide sind noch reaktiver als das Ozon und greifen die Bindungen auch an. Wir wollen im Sommer auch Feldexperimente und die Fliegen der Stadtluft aussetzen und uns dann ihr Paarungsverhalten anschauen.
Hängen die Ozonwerte mit dem Insektensterben zusammen?
Hansson: Als Hauptgründe dafür werden immer Pestizide und der Verlust der Lebensräume genannt. Ich glaube, dass das zwar stimmt, aber dass der Kommunikationsverlust auch ein wichtiger Faktor ist. Wie viel Einfluss er hat, kann ich nicht sagen. Ich weiß nicht, ob er genauso quantifizierbar ist, wie die anderen Einflüsse – es ist jedenfalls schwieriger. Irgendwann haben wir vielleicht Metaanalysen dazu, die gibt es aber aktuell nicht.
Interview: Emma Lehmkuhl