Entwicklungsarbeit mit Durchblick

Im Weltraumteleskop Euclid steckt Technik von zwei Max-Planck-Instituten

Wer ein Weltraumteleskop wie Euclid plant, hat genau einen Startversuch. Um Technik unter Weltraumbedingungen zu betreiben, mussten Forschende und Ingenieursteams der Max-Planck-Gesellschaft große Herausforderungen meistern. Sie haben optische Komponenten und Teile der Instrumente an Bord entwickelt und kümmern sich derzeit um einwandfreie Daten. Dass bei jahrelanger Planung auch mal etwas schiefgeht, demonstriert, dass Euclid die Grenzen des bisher Machbaren verschiebt.

Dem Moment, in dem das Euclid Weltraumteleskop seine ersten Bilder zur Erde sendete, gingen Jahrzehnte der Forschung und Technikentwicklung voraus. Daran beteiligt waren auch Forschende und Ingenieurinnen und Ingenieure der Max-Planck-Institute für Astronomie in Heidelberg und für extraterrestrische Physik in Garching bei München. Sie sind Teil des Euclid-Konsortiums, das aus Forschungseinrichtungen in 17 Ländern besteht. Und sie haben die beiden Instrumente des Teleskops, die optische Kamera (VIS, Visible Instrument) und die Nah-Infrarot Kamera (NISP, Near-Infrared Spectrometer and Photometer) mit entwickelt und gebaut. Ein weiteres Team der beiden Max-Planck-Institute gewährleistet nun gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen anderer Einrichtungen den Betrieb des Teleskops und die Logistik und Qualität der übertragenen Daten.

Ein Unikat

Euclid befindet sich auf einer gedachten Achse zwischen Sonne und Erde hinter der Erde und sucht von dort aus einen großen Teil des einsehbaren Himmels nach fernen Galaxien ab. Hier, fernab der Erdatmosphäre, trübt nichts den Blick auf das dunkle und mannigfaltige Universum. Das Teleskop ist ein Unikat. „Wir haben zusammen die größten optischen Linsensysteme entwickelt, die jemals für eine wissenschaftliche Weltraummission eingesetzt wurden“, sagt Frank Grupp, leitender Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und der Ludwig-Maximilians-Universität. Vier Linsen, bis zu 18 Zentimeter im Durchmesser und 2,5 Kilogramm schwer, das gab es noch nie.

Auch die drei Farbfilter des NISP Instruments schreiben Rekorde. „Sie sind die größten Infrarotfilter aller bisherigen Astronomie-Weltraummissionen“, sagt Knud Jahnke, vom Max-Planck-Institut für Astronomie, das die Filter gemeinsam mit der Industrie entwickelt hat. Die Kameraebene von Euclid erfasst ein Bild, das in etwa so groß ist wie der Vollmond und damit rund 250 Mal größer als das Hubble Deep Field, eine einzelne Aufnahme des Hubble Weltraumteleskops, ein schmales Fenster, in dem immerhin tausende ferne Galaxien sichtbar wurden.

Das große Gesichtsfeld und die große Optik bedingen sich gegenseitig. Sie werden eingesetzt, um innerhalb von nur sechs Jahren fast den gesamten einsehbaren Himmel jenseits unserer eigenen Galaxie bei hoher Auflösung und Detailtiefe zu fotografieren und dabei Milliarden von Galaxien in einer dreidimensionalen Karte zu erfassen. Das Ziel: zu beantworten, wie sich das Universum entwickelt hat und welche Rolle dabei Dunkle Materie und Dunkle Energie gespielt haben.

Minuten des Bangens

Nach den vielen Jahren, in denen die Instrumente des Teleskops unter hochreinen Bedingungen sorgfältig zusammengebaut wurden, hob Euclid am 1. Juli 2023 unter tosendem Lärm auf den Schultern einer Falcon 9 Rakete vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral ab. Frank Grupp erinnert sich: "Als ich die Triebwerke in Bauch und Brust gespürt habe, musste ich an 'meine' Linsen denken, die nur gut 60 Meter von den Triebwerken entfernt weitaus stärkeren Erschütterungen ausgesetzt waren". Trotzdem war er zuversichtlich und wusste, dass die Optik standhalten würde.

„Der Großteil der Mechanik wird gebaut, um zwei Minuten des Starts zu überstehen, bei dem extreme Kräfte auftreten“, sagt Knud Jahnke. Die größeren Pannen sind nur am Anfang der Planung passiert. „Ganz am Anfang ist uns ein erstes Linsendesign auf dem Teststand geplatzt. Das tat weh. Sie war zwar leicht, aber auf Grund des Materials zu spröde. Wir haben daraus gelernt“, sagt Frank Grupp. „Scheitern ist ein sensibles Thema, aber es ist wichtig.“ Die Linsen, die ins All flogen waren schwerer, damit aber robuster. Eine Kompromissentscheidung, denn jedes Gramm Startgewicht kostet teures Geld.

Der Erfolg liegt im Detail

Damit man mit Euclids Optik auch Bilder erhält, die sich für kosmologische Studien eignen, also Bilder, die besser sind als es je vom Boden aus möglich gewesen wäre, braucht es Kalibrationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Am Max-Planck-Institut für Astronomie vermitteln sie bei der Kalibration zwischen den Erwartungen an das Teleskopsystem unter Idealbedingungen und den realen Bedingungen des Teleskops im Orbit. Sie optimieren die Bilder und Daten, indem sie die Eigenheiten der Instrumente und des Teleskops, sowie den Einfluss der harschen Umgebung des Weltalls genau studieren und im Nachgang berücksichtigen. „Das Instrument ist wie es ist“, so Knud Jahnke. „Ich kann auf dem Papier vorher durchrechnen, was zu erwarten wäre, aber im Weltraum herrschen leicht andere Bedingungen als im Labor auf der Erde.“

Eine dreidimensionale Karte des Universums

Nach sechs Jahren wird Euclid etwa 40.000 Aufnahmen geliefert haben. Um aus den zweidimensionalen Bildern eine dreidimensionale Karte der Galaxien in unserem beobachtbaren Universums zu erstellen, werden bodengebundene Teleskope dabei unterstützen, die Entfernungen zu den abgebildeten Galaxien zu bestimmen. „Die Daten der Teleskope, die wir von der Erde hinzuziehen, übertreffen das Datenvolumen von Euclid bei Weitem“, sagt Maximilian Fabricius vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und der Ludwigs-Maximilians-Universität München, der das deutsche Datenzentrum von Euclid leitet. Darunter: spektroskopische Daten, also die Farbbestandteile des sichtbaren Lichts, aus denen sich gemeinsam mit den Infrarotspektren von Euclid die Entfernungen zu den Milliarden Galaxien bestimmen werden lassen.

Vertrauen schafft Sicherheit

Die ersten veröffentlichten wissenschaftlichen Bilder demonstrieren, dass das Design des Teleskops alle Anforderungen erfüllt. Die beteiligten Max-Planck-Institute waren während der Entwicklung des Teleskops Teil eines komplexen und kleinteiligen Prozesses. Ein solches Weltraumteleskop hat nur einen Startversuch und es ist nicht möglich, im Nachgang Reparaturen durchzuführen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt laut Knud Jahnke nicht nur am Fachwissen, sondern an einer offenen Fehlerkultur während der Entwicklung: „Es hat der Mission sehr gut getan, dass man Probleme immer offen ansprechen konnte und man immer vertrauensvoll miteinander umgegangen ist.“

TB

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht