Leibniz-Preise für zwei Max-Planck-Wissenschaftler
Tobias Erb und Moritz Helmstaedter werden mit dem wichtigsten deutschen Forschungspreis geehrt
Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis, der mit je 2,5 Millionen Euro Preisgeld verbunden ist, wird seit 1986 jährlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) verliehen. Insgesamt haben bislang 445 Nominierte den Preis erhalten, darunter 371 Wissenschaftler und 74 Wissenschaftlerinnen. Die Verleihung findet am 13. März 2024 in Berlin statt.
Die zwei Max-Planck-Wissenschaftler im Porträt:
Tobias Erbs Schwerpunkt liegt auf der Erforschung der Stoffwechselwege von Mikroorganismen, vor allem solchen, die an der Umsetzung des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) beteiligt sind. An den Schnittstellen zwischen Molekularbiologie, Biochemie und synthetischer Biologie untersucht er die Struktur und Funktion mikrobieller Biokatalysatoren (Enzyme), verändert ihre Eigenschaften mit Methoden der synthetischen Biologie und baut Stoffwechselwege zusammen, die in der natürlichen Evolution nicht entstanden sind. Diese Stoffwechselwege setzt Tobias Erb in natürlichen und künstlichen Zellen ein. Die innovative, fächerübergreifende Forschung eröffnet neue Ansätze zur Entwicklung von Technologien für die Bewältigung der Klimakrise.
Mikroorganismen nutzen Sonnenlicht oder Wasserstoff, um CO2 in Form von organischen Verbindungen zu fixieren. Damit können sie das problematische Treibhausgas CO2 als Kohlenstoffquelle nutzbar machen. Mit Tobias Erbs synthetischen Stoffwechselwegen lässt sich in ähnlicher Weise CO2 aus der Luft entnehmen – dies aber sogar effizienter als in der Natur - und in Wertstoffkreisläufe einspeisen. Kürzlich gelang es ihm und seinem Team, einen künstlichen Chloroplasten zu konstruieren und elektrischen Strom direkt an Stoffwechselumsetzungen zu koppeln, um den biochemischen Energieträger ATP zu gewinnen. Aus einfachen Kohlenstoffverbindungen könnte man damit Wertstoffe auf nachhaltige Weise herstellen. Damit eröffnet Tobias Erbs Forschung weitreichende Möglichkeiten zur Entwicklung nachhaltiger Verfahren in der Biotechnologie sowie dem Einfangen von CO2 aus der Atmosphäre.
Tobias Erb wurde 2009 an der Universität Freiburg im Fach Mikrobiologie promoviert. Nach Forschungsaufenthalten in den USA und der Schweiz übernahm er 2014 die Leitung der Abteilung „Biochemie und Synthetischer Metabolismus“ und wurde 2017 Direktor am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie. Seit 2022 ist er zudem Professor an der Philipps-Universität Marburg.
Moritz Helmstaedter wird der Leibniz-Preis für seine Pionierarbeiten auf dem Gebiet der Neurowissenschaften zuerkannt, die zu einem grundlegend neuen Verständnis der dreidimensionalen Organisation und Funktion von Schaltkreisen des Gehirns von Säugetieren geführt haben. Helmstaedter konnte Instrumente und Technologien entwickeln, die einen systematischen und zugleich hochauflösenden Zugang zu den dicht gepackten neuronalen Netzwerken im Gehirn erlauben.
Er ist damit einer der Begründer des Gebiets der Konnektomik, das aus der Rekonstruktion von Tausenden von Neuronen und deren synaptischer Verschaltungen die Grundprinzipien der Hirnorganisation erkennen lässt. Seine Analysen eines dichten lokalen Konnektoms von mehr als 200 000 Synapsen widerlegten die über Jahrzehnte gültigen Annahmen von der Funktionsweise neuronaler Konnektivität; aufgrund seiner Arbeiten geht die Wissenschaft nun von hochpräzisen Verschaltungen der einzelnen Synapsen aus. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, musste Helmstaedter eine Reihe methodischer Probleme lösen, etwa, wie sich große Gewebeproben bis hin zu ganzen Gehirnen aufbereiten lassen, um darin die Neuronenpopulation präzise erfassen zu können. So konnte er auch Fragen nach den prinzipiellen Unterschieden zwischen dem Gehirn des Menschen und dem Gehirn anderer Säugetierspezies beantworten.
Seit 2014 ist Moritz Helmstaedter Direktor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt am Main. Er bekleidet zudem seit 2016 das Extraordinariat für Neuronal Networks an der Radboud University Nijmegen in den Niederlanden. Zuvor hatte er Rufe an den Janelia Research Campus in Virginia (USA) sowie an die ETH Zürich abgelehnt. Promoviert wurde der studierte Physiker und approbierte Arzt am Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung in Heidelberg.
Zwei Leibniz-Preisträgerinnen und zehn Leibniz-Preisträger haben nach der Auszeichnung mit dem wichtigsten Forschungsförderpreis in Deutschland auch den Nobelpreis erhalten : 1988 Hartmut Michel (Chemie), 1991 Erwin Neher und Bert Sakmann (beide Medizin), 1995 Christiane Nüsslein-Volhard (Medizin), 2005 Theodor W. Hänsch (Physik), 2007 Gerhard Ertl (Chemie), 2014 Stefan W. Hell (Chemie), 2020 Emmanuelle Charpentier (Chemie) und Reinhard Genzel (Physik), 2021 Benjamin List (Chemie), 2022 Svante Pääbo (Medizin) sowie 2023 Ferenc Krausz (Physik). Alle Ausgezeichneten sind auch Max-Planck-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler.