Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

Partner zum gegenseitigen Schutz: Insekten und ihre Verteidigungssymbionten

Autoren
Kaltenpoth, Martin
Abteilungen
Abteilung Insektensymbiosen, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Jena
Zusammenfassung
Zum Schutz gegen schädliche Mikroorganismen schließen sich bestimmte Insekten wie Wollkäfer und Bienenwölfe mit symbiotischen Bakterien zusammen. Diese produzieren Antibiotika gegen schädliche Bakterien oder Antimykotika gegen pathogene Pilze und werden im Gegenzug von den Wirten vor deren eigenen Verteidigungsmechanismen beschützt. Untersuchungen solcher Schutzsymbiosen liefern nicht nur spannende Einblicke in die Biologie der Insekten, sondern können auch wertvolle Erkenntnisse für die Humanmedizin zu Tage fördern.

Ein Planet der Mikroben

Auch wenn die Erde auf den ersten Blick von Pflanzen und Tieren beherrscht zu sein scheint, so sind es doch die Mikroorganismen, die lange vor den ersten Eukaryoten da waren und die die Ökosysteme in Diversität und Abundanz bei weitem dominieren. In Anbetracht dieser uralten Beziehung haben Tiere im Laufe der Zeit ausgeklügelte Strategien entwickelt, um erfolgreich mit Mikroorganismen zu koexistieren. Ein konstanter Kampf gegen potenzielle Pathogene prägt ihre Existenz, und dabei setzen sie auf ihre effektiven Abwehrmechanismen, allen voran das hochentwickelte Immunsystem. Interessanterweise manifestiert sich aber die Interaktion zwischen Tieren und Mikroorganismen nicht nur in einem kontinuierlichen Überlebenskampf, sondern auch in vielfältiger Zusammenarbeit – so spielen zum Beispiel symbiotische Bakterien bei vielen Tieren und auch uns Menschen eine entscheidende Rolle für die Verteidigung gegen Krankheitserreger.

Mikrobielle Helfer zum Schutz

Besonders vielfältige Beispiele solcher Verteidigungssymbiosen findet man bei Insekten. Oft nutzen sie die Fähigkeiten von Mikroorganismen aus, hochwirksame Moleküle zu erzeugen,zu deren Bildung die Insekten selbst nicht fähig sind. Diese antibiotisch oder antimykotisch wirkenden Substanzen können dann dem Schutz der Insekten und ihren Nachkommen vor schädlichen Bakterien und Schimmelpilzen dienen. Anschauliche Beispiele dafür bieten Wollkäfer (Lagriinae) und Bienenwölfe der Gattungen Philanthus, Trachypus und Philanthinus, bei denen wir in den letzten Jahren herausfinden konnten, dass symbiotische Bakterien den heranwachsenden Nachwuchs vor Pilzinfektionen bewahren. Während die Symbionten der Wollkäfer die Eier und Larven ihres Wirtes gegen schädliche Pilze schützen, verhindern die bakteriellen Partner der Bienenwölfe das Verschimmeln der Kokons während der langen Winterruhe.

Die Verteidigungs-Allianz der Bienenwölfe

Bienenwolf-Weibchen graben Nisthöhlen im Boden und tragen gefangene, gelähmte Honigbienen als Nahrung für die Larven ein. Nach dem
Verzehr der Bienen spinnt sich die Larve in einen Kokon ein, wo sie die Herbst- und Winterzeit verbringt. Während dieser ausgedehnten Ruheperiode schützen antimykotische Substanzen, produziert von symbiotischen Streptomyces-Bakterien auf der Kokon-Oberfläche, die Larve zuverlässig vor Schimmelpilzen. Die symbiotischen Bakterien waren zuvor von der Mutter aus spezialisierten Antennendrüsen-Reservoiren in die Brutzelle abgegeben und von der Larve auf den Kokon transferiert worden. Dieses faszinierende Zusammenspiel zwischen Bienenwölfen und Mikroorganismen offenbart die raffinierte Art und Weise, wie spezifische Verteidigungsmechanismen in die komplexen Lebenszyklen von Insekten integriert werden.

Ein Schutzschirm für die Beschützer

Der Bienenwolf setzt aber nicht nur auf eine, sondern gleich auf mehrere effiziente Schutzmaßnahmen, um sich wirkungsvoll gegen schädliche Mikroorganismen zu verteidigen: Das Bienenwolf-Ei produziert große Mengen giftigen Stickstoffmonoxids (NO), das die Brutzelle effektiv sterilisiert. Lange war unklar, wie die symbiotischen Bakterien, die sich ebenfalls in der Brutzelle befinden, diese hochkonzentrierte NO-Exposition überstehen. Vor kurzem entdeckten wir, dass die Bakterien selbst empfindlich gegenüber NO sind und diese extremen Konzentrationen in der Brutzelle allein nicht überleben könnten. Doch der Bienenwolf bewahrt seine Beschützer vor Schaden: Das Weibchen bettet die Symbionten in eine schützende Matrix ein, wenn es die Bakterien aus seinen Antennen in die Brutzelle abgibt. Diese Matrix, vorwiegend bestehend aus langkettigen Kohlenwasserstoffen, bildet eine wirksame Barriere gegen NO und verhindert, dass das toxische Gas die symbiotischen Beschützer des Bienenwolfs erreicht. Diese aufeinander abgestimmten Verteidigungsmechanismen stellen das Resultat einer 70 Millionen Jahren währenden Koevolution von Wirten und Symbionten dar.

Wirkstoffe für die Zukunft?

Die Schutzsymbiose der Bienenwölfe offenbart, welch eine wichtige Rolle Mikroorganismen für das Überleben von Tieren spielen können.
Erkenntnisse zu Verteidigungssymbiosen zwischen Tieren und Mikroben können nicht nur faszinierende Einblicke in die Biologie dieser Systeme bieten, sondern auch zur Entdeckung neuer Wirkstoffe beitragen, die schon über Millionen von Jahren evolutionär erprobt wurden, ohne schädliche Nebenwirkungen auf den Wirt zu zeigen. Außerdem kann die Aufklärung der ökologischen und evolutionären Dynamiken Erkenntnisse dazu liefern, wie Antibiotika über lange Zeiträume von Tieren erfolgreich genutzt werden, ohne dass Resistenzen die Wirkstoffe nutzlos machen. Angesichts der zunehmenden Gefahren durch Antibiotika-resistente Krankheitserreger in der Humanmedizin sind sowohl innovative Quellen für neue Wirkstoffe als auch Erkenntnisse zu deren nachhaltigen Einsatz von großer Bedeutung, wenn wir auch in Zukunft Infektionskrankheiten erfolgreich bekämpfen wollen.

Literaturhinweise

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