Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik
Eine Landkarte zur Erforschung junger Bauspeicheldrüsenzellen
Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden
Unsere Bauchspeicheldrüse besteht aus verschiedenen Zelltypen, die für die Kontrolle unseres Blutzuckers sehr wichtig sind. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Gen „Neurogenin 3“ (NEUROG3), dessen Mutation zu Diabetes mellitus führen kann. Dieses Gen ist während der Entwicklung der Bauchspeicheldrüse nur für kurze Zeit aktiv, weshalb sein Verhalten und seine Dynamik insbesondere im Menschen bisher ungeklärt war.
Wir am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden haben gemeinsam mit der Novo Nordisk Foundation an der Universität Kopenhagen eine spezielle Methode verwendet, um sowohl die Aktivität des Gens als auch das Protein, das es in menschlichen Bauchspeicheldrüsenzellen bildet, zu beobachten und besser zu verstehen. Diese Methode ermöglicht es, das dynamische Verhalten von Bauchspeicheldrüsenzellen, welches in Live-Aufnahmen beobachtet werden kann, mit allen von ihnen produzierten Genen zu verknüpfen. Ein besseres Verständnis davon, wie sich die hormonproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse entwickeln, könnte den Weg ebnen, mehr dieser Zellen für therapeutische Zwecke zu gewinnen, beispielsweise für die Produktion und Transplantation in Patienten, die an Diabetes leiden.
Ein wichtiges Gen in der Bauchspeicheldrüse
Unterschiedliche Zellen der Bauchspeicheldrüse kontrollieren unseren Blutzucker, wie zum Beispiel die Insulin produzierenden Betazellen. Der Botenstoff Insulin hilft, unseren Blutzucker zu senken. Während unseres Körperwachstums entwickeln sich diese speziellen Zellen aus einem einzigen Zelltyp, den man als endokrinen Vorläufer des Pankreas bezeichnet. Dieser Zelltyp nutzt nur für kurze Zeit ein Gen namens Neurogenin 3 (NEUROG3), um seine Aufgabe zu erfüllen und die Entwicklung der Bauchspeicheldrüse zu regulieren. Mutationen oder Dysregulationen von NEUROG3 können daher erhebliche Folgen für die Entwicklung und Funktion der Bauchspeicheldrüse haben. Störungen im Zusammenhang mit NEUROG3 können sich auf die Produktion von Insulin und anderer Hormone auswirken und zu Erkrankungen wie Diabetes führen. Die Rolle von Genen wie NEUROG3 zu verstehen ist entscheidend, um die Entwicklung der Bauchspeicheldrüse und der Entstehung von Krankheiten im Zusammenhang mit ihrer Funktion zu klären.
Live-Beobachtung mit überraschenden Ergebnissen
Um NEUROG3 in den Zellen sichtbar zu machen, nutzten wir spezielle Markierungen. So konnten wir in Live-Aufnahmen beobachten, wie sich die Zellen über einen längeren Zeitraum bewegten. Indem wir 2-D- und 3-D-Modelle der menschlichen Bauchspeicheldrüse betrachteten, fanden wir heraus, dass die Konzentration des NEUROG3-Gens in den verschiedenen Zellen unterschiedlich war. Einige Zellen hatten viel von diesem Protein, andere nur wenig.
Überraschenderweise bildeten alle Zellen, in denen NEUROG3 nachweisbar war, trotz dieser Unterschiede Zellen, die Hormone produzieren. Ein anderes überraschendes Ergebnis war, dass die Ansammlung von NEUROG3 und die Produktion endokriner Zellen beim Menschen zweifach langsamer war, als bei Mäusen. Das bedeutet, dass dieses Gen bei Menschen mehr Zeit braucht, um seine Aufgabe zu erfüllen.
Das Team nutzte die Methode der Langzeit-Live-Bildgebung, um einen Prozess der Organentstehung zu beobachten, der normalerweise im Mutterleib verborgen bleibt. Die Helligkeit der Zellen ermöglichte es, die Aktivität der Gene mit dem Verhalten der Zellen zu kombinieren. Auf diese Weise fand das Forschungsteam heraus, dass ein anderes Gen namens KLK12 dafür sorgt, dass die Zellen sich bewegen, um Langerhans-Inseln zu bilden, sobald das NEUROG3-Gen zu arbeiten beginnt.
Künftige Anwendungen
Die Zellkultursysteme, die wir entwickelt haben, um zu verstehen, wie Zellen in menschlichen Embryonen Organe bilden, tragen bereits erste Früchte. In unserer Studie haben wir wesentlich mehr über die Art und Weise gelernt, wie die Aktivität bestimmter Gene während der embryonalen Entwicklung zu Diabetes im späteren Leben führen kann. Die Ergebnisse zeigen, dass man bei der Herstellung von endokrinen Zellen für künftige therapeutische Anwendungen, bei denen diese Zellen Diabetikern transplantiert werden, eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Kontrolle von NEUROG3 hat.
Die hier angewandte Methode könnte auch zur Untersuchung anderer Entwicklungsprozesse genutzt werden, um Veränderungen in der Genexpression im gesamten Genom mit beobachtbaren Ereignissen in der Live-Bildgebung zu verknüpfen. Dies würde einen umfassenden Überblick von Systemen in sich dynamisch verändernden Umgebungen ermöglichen.