Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
Ein neues Bild des Supernova-Überrests Vela Jr. mit den Augen von eROSITA
Vela Jr. supernova remnant: a new picture with the eyes of eROSITA
Max Planck Institute for Extraterrestrial Physics, Garching
Wenn ein Stern als Supernova explodiert, setzt er enorme Energie im interstellaren Medium frei. In den ersten Tagen nach der Explosion erreicht seine Leuchtkraft ähnliche Ausmaße wie die einer ganzen Galaxie. Danach dehnt sich das eine Million Grad heiße Gas weiter in den Weltraum aus und bleibt für Zehntausende von Jahren im Radio- und Röntgenbereich beobachtbar – als sogenannter Supernovaüberrest (SNR).
Seit 1990 wurden mit dem Röntgenobservatorium ROSAT, dem ersten abbildenden Teleskop, das den gesamten Himmel im Röntgenbereich durchmusterte, Dutzende neuer Supernova-Überreste entdeckt, darunter auch Vela Jr.
Die Untersuchung von Vela Jr. stellt eine große Herausforderung dar, da er sich auf derselben Sichtlinie wie der deutlich größere und röntgenhelle Supernova-Überrest Vela befindet. Die Emission von Vela ist so intensiv, dass sie seit den Anfängen der Röntgenastronomie bekannt ist, als die Detektoren noch bei weitem nicht so empfindlich waren wie heute. Um Informationen über Vela Jr. zu erhalten, müssen die Emissionen der beiden Objekte voneinander getrennt werden. Der neue Datensatz des Röntgenteleskops eROSITA wird uns dabei helfen, dieses Problem zu lösen.
Das 2019 gestartete eROSITA ist eine vom MPE geleitete Mission, die den Himmel halbjährlich im Röntgenbereich durchmustert [1], mehr als dreißig Jahre nach ROSAT. eROSITA hat bisher viereindrittel Himmelsdurchmusterungen im Röntgenbereich abgeschlossen. Im Gegensatz zu anderen Röntgenteleskopen wie Chandra und XMM-Newton kann eROSITA Vela Jr. in seiner gesamten Ausdehnung abbilden. Zudem lässt sich mit eROSITA gut die Energie jedes einzelnen Photons unterscheiden, das vom Detektor aufgefangen wird. So haben wir verschiedene Bilder von Vela Jr. in unterschiedlichen Energiebereichen aufgenommen (siehe Abb. 1). Je höher die Energie, desto deutlicher unterscheidet sich die Emission von Vela Jr. von jener von Vela. Auf diese Weise konnten wir schließlich die Emissionen von Vela und Vela Jr. voneinander trennen [2].
Wir haben das Bild von Vela Jr. in mehrere Teile zerlegt und jede Region einzeln analysiert. Dies ermöglichte es uns, die Emission von Vela explizit zu modellieren, indem wir die Daten aus den Regionen von Vela Jr. analysierten. Dies führte zu der Schlussfolgerung, dass die Emission von Vela Jr. nicht charakteristisch ist, was bedeutet, dass Vela Jr. im Röntgenlicht hauptsächlich durch nicht-thermische Prozesse leuchtet.
Zu Beginn der Mission führte eROSITA mehrere gezielte Beobachtungen zur Kalibrierung durch, wobei eine auf den nordwestlichen Rand von Vela Jr. ausgerichtet war (siehe Abb. 2). Dieser Teil des Überrests zeigt eine prototypische Schockfront, ein Merkmal, das häufig bei schalenförmigen Überresten zu finden ist. Das Bild in Abbildung 2 ist zudem faszinierend, da das Gesichtsfeld ähnlich groß ist wie das von XMM-Newton. Ein Vergleich zwischen Abbildung 1 und Abbildung 2 verdeutlicht sofort den Vorteil von eROSITA bei ausgedehnten Quellen wie Supernova-Überresten (SNRs).
Durch die Kombination des eROSITA-Datensatzes der gezielten Beobachtungen mit früheren Beobachtungen von XMM-Newton konnten wir die in Abbildung 2 gezeigte Schockfront mit bisher unerreichter Empfindlichkeit analysieren. Dabei stellten wir fest, dass die Elektronen Energien zwischen 0,01 keV und 1 keV aufweisen (entsprechend einem Bereich von 0,1 bis 10 Millionen Grad K). Dies unterstützt die theoretischen Vorhersagen, wonach die Elektronen für die Emission von Photonen bei sehr hohen Energien verantwortlich sind. In Verbindung mit Absorptionsstudien konnten wir eine untere Grenze für die Entfernung von Vela Jr. von 750 pc bestimmen. Die Charakterisierung der Magnetfelder und der Umgebung, in der diese Photonen emittiert werden, stellt lediglich einen ersten Schritt dar, um die offenen Fragen zu Supernova-Überresten zu verstehen.
Nach den meisten theoretischen Modellen bieten Schockfronten ideale physikalische Bedingungen, um beispielsweise die galaktische kosmische Strahlung zu beschleunigen. Die Physik dahinter ist jedoch noch nicht vollständig verstanden, und diese Bedingungen sind auf der Erde praktisch nicht reproduzierbar. Zusätzlich durchqueren diese geladenen Teilchen, hauptsächlich Kerne schwerer Elemente, den Weltraum, bis sie die Erde erreichen und täglich auf unsere Atmosphäre treffen. Während unsere Atmosphäre uns vor diesen Teilchen schützt, ist dies im Weltraum nicht der Fall. Dies stellt eine der größten Gefahren für die Sicherheit von Astronauten und Astronautinnen dar.
Ein weiteres markantes Merkmal von Vela Jr., das sofort ins Auge sticht, ist seine ovale Form. Nach der ersten Messung mit ROSAT im Jahr 1998 haben wir ein neues geometrisches Zentrum für Vela Jr. festgelegt. Gemäß dieser aktuellen Messung befindet sich das zentrale kompakte Objekt (Central Compact Object, CCO) viel näher am Zentrum von Vela Jr., nämlich nur 35,2 Bogensekunden entfernt. Im Vergleich zu früheren Messungen mit Chandra [3] zeigt diese neue Bestimmung des geometrischen Zentrums eine Kompatibilität der Position des CCO in der Röntgenstrahlung mit einem schwachen Infrarot-Gegenstück. Dieser Befund trägt dazu bei, Klarheit über die immer noch unklare Natur der CCOs zu bringen, einer Art von Neutronensternen, die häufig im Zentrum junger Überreste zu finden sind.
Bei der Bestimmung des geometrischen Zentrums wurde uns klar, dass die ovale Form möglicherweise durch die Kombination von zwei Supernovaexplosionen entstanden ist [2], und nicht nur durch eine, wie bisher angenommen. Zur Untermauerung dieser Hypothese haben wir festgestellt, dass sich zwei junge Neutronensterne in derselben Region von Vela Jr. befinden, was zwangsläufig auf zwei Supernovaexplosionen hinweist. Ob die beiden Neutronensterne ursprünglich zu einem Doppelsternsystem gehörten oder sich in der gleichen Entfernung befinden, ist noch nicht geklärt; weitere Untersuchungen sind erforderlich, um unsere Hypothese zu bestätigen. Diese Annahme konnte jedoch nur mithilfe von eROSITA aufgestellt werden, da nur ein vollständiges Bild des Überrests mit der Auflösung eines modernen Teleskops es uns ermöglicht, dieses Detail zu erfassen und die Hypothese der beiden Explosionen zu formulieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eROSITA ein unschätzbares Observatorium für die Beantwortung zahlreicher verschiedener Fragen darstellt. Ihr Datensatz wird für viele Jahre ein neues Vermächtnis in der Röntgenastronomie schaffen, vergleichbar mit dem Beitrag, den ROSAT am Ende des letzten Jahrhunderts geleistet hat.