Der Kohlenstoffkreislauf im Erdsystem
Kohlenstoff ist der grundlegende Baustein des Lebens und durchläuft einen globalen Kreislauf. Der Mensch verändert den Kohlenstoffkreislauf tief greifend, wenn er etwa fossile Treibstoffe verbrennt und Wälder rodet. Das hat gravierende Folgen für die Bewohnbarkeit unseres Planeten. Die dabei ablaufenden Prozesse und Wechselwirkungen zu verstehen, ist entscheidend dafür, den Klimawandel in akzeptablen Grenzen zu halten.
Als Kohlenstoffkreislauf bezeichnen Forscher den Weg, den der Kohlenstoff durch das Erdsystem nimmt. Dabei durchläuft er diverse Stationen zu Land, zu Wasser, in der Luft und in der Biosphäre. Einige Komponenten des Erdsystems, wie das Land oder der Ozean, fungieren als Kohlenstoffspeicher, welche das Element eine gewisse Zeit speichern und dann wieder in die Atmosphäre abgeben. Vom Menschen verursachte Emissionen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Methan verändern diesen natürlichen Kreislauf tief greifend (Bild 1). Genauer zu verstehen, wie der Kohlenstoffzyklus in all seiner Komplexität funktioniert, ist deshalb heute dringlicher denn je.
Wichte Grüne Lungen
Seit dem Beginn der industriellen Revolution gelangten durch die Aktivitäten des Menschen große Mengen Treibhausgase in die Atmosphäre. Durch das Verbrennen fossiler Treibstoffe sowie die großflächige Abholzung von Wäldern stieg die Konzentration kohlenstoffhaltiger Verbindungen wie Kohlendioxid und Methan in der Luft so weit an wie nie zuvor in den letzten Jahrtausenden. Jedoch bleiben nur etwa 40 Prozent des Kohlenstoffs, der in Form von Kohlendioxid freigesetzt wird, in der Atmosphäre. Den Rest nehmen die Ozeane und die Landbiosphäre auf.
Atmosphäre, Ozeane, Vegetation und Böden tauschen auf Zeitskalen von Minuten bis zu Tausenden von Jahren über eine Vielzahl physikalischer, chemischer und biologischer Prozesse riesige Mengen an Kohlenstoff aus. Erwärmt sich das Klima, führen viele dieser Prozesse entweder zu verlangsamter oder zu beschleunigter Anreicherung von Treibhausgasen in der Luft. Damit bewirken sie negative oder positive Rückkopplungen zwischen dem globalen Kohlenstoffkreislauf und dem Klima. So können höhere Temperaturen an Land zum Beispiel die Atmung des Bodens intensivieren, wodurch mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt. Umgekehrt verlängert eine Erwärmung in nördlichen Breiten die Wachstumsperiode und sorgt so dafür, dass Pflanzen vermehrt Kohlendioxid in Sauerstoff umwandeln.
Einige Zonen unseres Planeten beeinflussen den Kohlenstoffkreislauf besonders stark. Ihr Zustand liefert somit Hinwei- se darauf, wie gut es um das Erdsystem insgesamt bestellt ist. An Land zählen dazu besonders die tropischen Regenwälder Amazoniens, im Kongobecken und in Südostasien sowie die borealen Wälder und die arktische Tundra. Sie entziehen der Atmosphäre nicht nur überaus große Mengen Kohlenstoff. Als grüne Lunge der Erde enthalten diese Regionen auch ein riesiges Reservoir an Kohlenstoff, der in ihrer Vegetation und ihrem Boden gespeichert ist.
In einem beträchtlichen Teil der borealen Wälder und Tundren ist Kohlenstoff zusätzlich in Permafrostböden gebunden. Diese könnten infolge der Klimaerwärmung tauen und große Mengen Kohlendioxid freisetzen – im Fall von Sümpfen und Mooren Methan, das ein noch stärkeres Treibhausgas ist.
In den Weltmeeren wiederum liegen zwei Schwerpunktzonen des Kohlenstoffumsatzes: eine im Nordatlantik und eine im Südpolarmeer rund um die Antarktis. Hier gelangt überschüssiger Kohlenstoff mit absinkenden Wassermassen von oberflächennahen Schichten in die Tiefe, wo er für Hunderte bis Tausende von Jahren eingelagert bleibt. Verändert sich die Ozeanzirkulation in diesen Regionen auf Grund steigender Temperaturen, so könnte das die Speicherkapazität des Meeres für Kohlenstoff verringern. Nach vorläufigen Untersuchungen scheint genau das im Südpolarmeer bereits der Fall zu sein. Das birgt die Gefahr, dass bisherige Kohlenstoffsenken verschwinden oder sich sogar in Quellen weiterer Kohlenstoffemission verwandeln könnten.
Die Hauptaufgabe der Forschung liegt auf der Hand: Zunächst gilt es, den Kohlenstoffkreislauf als integralen Bestandteil des globalen Klimasystems besser zu verstehen. Dazu bedarf es weiterer Untersuchungen der beteiligten Umwandlungsprozesse in den Ökosystemen an Land und im Meer. Außerdem müssen wir ergründen, auf welche Weise der Kohlenstoffzyklus mit der Verbreitung von Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor sowie mit dem Wasserkreislauf verzahnt ist.
Vom Wetter zum Klima
Dabei gilt es auch die vielfältigen Rückkopplungen zwischen Klimasystem und Kohlenstoffzyklus zu berücksichtigen, die sich in unterschiedlichen Zeiträumen vollziehen – von einige Tage währenden Wetterphänomenen über Zehntausende von Jahren dauernde Klimaperioden bis zu geologischen Epochen, die sich über Jahrmillionen hinziehen. Um allein diese Vielzahl der zeitlichen Betrachtungsebenen berücksichtigen zu können, ist die Verbesserung unserer Analyseinstrumente und Simulationsverfahren unverzichtbar. Für die internationale Forschergemeinschaft bedeutet das, die existierenden Erdsystemmodelle immer weiter zu verfeinern.
Beobachtungen in der realen Welt – besonders an Schwerpunkten des Kohlenstoffumsatzes – liefern die nötigen empirischen Grundlagen für diese Modelle. Beispielsweise misst das »Zotino Tall Tower Observatory« in der sibirischen Taiga mit seinem 304 Meter hohen Stahlturm die örtlichen Konzentrationen an Treibhausgasen, reaktiven chemischen Verbindungen und Aerosolpartikeln sowie eine Fülle von meteorologischen Parametern7. Ein ähnliches Observatorium soll demnächst im Amazonasbecken errichtet werden. Ergänzend werden in regelmäßigen Abständen Messkampagnen mit Flugzeugen durchgeführt und Fernerkundungssysteme auf Satelliten installiert.
Eine der größten Herausforderungen unserer Zeit besteht darin, den Kohlenstoffkreislauf so zu steuern, dass die Erde in einem stabilen Klimazustand bleibt. Aus naturwissenschaftlicher Sicht erfordert das zum einen, dass wir vermehrt nichtfossile Energiequellen wie Biotreibstoffe erschließen. Zum anderen gilt es neue Wege zu finden, um Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu entfernen. Dazu gehören zum Beispiel Aufforstungen in großem Stil oder das »Auswaschen« von Kohlendioxid aus der Luft und seine dauerhafte Speicherung im Untergrund oder in der Tiefsee.
Es gilt, den Kohlenstoffkreislauf so zu steuern, dass die Erde in einem stabilen Klimazustand bleibt
Technologische Fortschritte wie die Nutzung von Biomasse aus der Landwirtschaft bieten gleich mehrere Vorteile: Biomasse könnte als kohlenstoffarmer Treibstoff oder auch als Kohlenstoffspeicher dienen. Denn als Rohstoff für langlebige Produkte aus Carbonmaterialien kann Biomasse dazu beitragen, der Atmosphäre – zumindest während der Lebensdauer des jeweiligen Produkts – Kohlendioxid zu entziehen, und wäre dadurch auch auf dem internationalen Markt für Emissionszertifikate handelbar.
Eine naturwissenschaftliche Betrachtung des globalen Kohlenstoffkreislaufs allein genügt freilich nicht. Die Störung dieses Zyklus hängt eng mit der globalen wirtschaftlichen Entwicklung, dem Energiebedarf und der Nutzung von Nahrungsquellen zusammen. Um den Klimawandel in möglichst verträgliche Bahnen zu lenken, müssen wir deshalb auch eine Vielfalt sozioökonomischer Faktoren einbeziehen. Sie in rationaler, wissenschaftlich fundierter Weise zu berücksichtigen, ist eine große Herausforderung. Doch sie muss gemeistert werden, wenn das Erdsystem auch in den nächsten 100 Jahren und darüber hinaus stabil bleiben soll – im Interesse der nachfolgenden Generationen.
Um bestimmen zu können, welche anthropogenen CO2-Emissionen mit dem Ziel der Begrenzung der Erderwärmung um zwei Grad Celsius kompatibel sind, müssen wir Veränderungen im Kohlen-stoffzyklus in unsere Klimasimulationen aufnehmen. Das Max-Planck-Institut für Meteorologie zeigte, dass zum Ende des 21. Jahrhunderts die Rückkopplung zwischen Kohlenstoffzyklus und Erderwärmung die »zulässigen« jährlichen CO2-Emissionen um die Hälfte reduziert (Roeckner, E. et al., Clim. Change, DOI 10.1007/s10584-010-9886-6, 2010).