Hungerndes Massenmonster
Schwarzes Loch im Zentrum einer weit entfernten und sehr alten Galaxie erhielt weniger Massezustrom als erwartet
Mit dem verbesserten Gravity-Instrument am Very Large Telescope Interferometer der Europäischen Südsternwarte hat ein Team unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik die Masse eines schwarzen Lochs in einer Galaxie nur zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall bestimmt. Mit etwa 300 Millionen Sonnenmassen ist das schwarze Loch im Vergleich zur Masse seiner Wirtsgalaxie erstaunlich klein. Die Forschenden haben eine Vermutung, was hier schief läuft.
Im nahen Universum beobachten Astronominnen und Astronomen einen engen Zusammenhang zwischen den Eigenschaften von Galaxien und der Masse der supermassereichen schwarzen Löcher in ihren Zentren. Dies deutet darauf hin, dass sich Galaxien und schwarze Löcher gemeinsam entwickeln. Ein entscheidender Test wäre es, diese Beziehung in der frühen kosmischen Vergangenheit zu untersuchen. Bei diesen weit entfernten Galaxien ist es jedoch entweder unmöglich oder extrem schwierig, die Masse des schwarzen Lochs mit herkömmlichen Methoden direkt zu messen. Obwohl diese Galaxien oft sehr hell leuchten, sind sie so weit entfernt, dass sie mit den meisten Teleskopen nicht räumlich aufgelöst werden können. Als sie in den 1950er Jahren entdeckt wurden, nannte man sie daher quasi-stellare Objekte oder Quasare.
„Im Jahr 2018 haben wir mit dem Instrument Gravity erstmals die Masse eines schwarzen Lochs in einem Quasar gemessen“, sagt Taro Shimizu, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. „Dieser Quasar war allerdings sehr nah. Jetzt sind wir bis zu einer Rotverschiebung von 2,3 in das junge Universum vorgedrungen, das heißt, dass das Licht dieser Galaxie 11 Milliarden Jahre zu uns unterwegs war.“ Nach der Aktualisierung des Instruments, konnten Astronominnen und Astronomen mit Gravity+ erstmals 40-mal feinere Details in den Zentren ferner Galaxien messen und damit jenen Ort näher untersuchen, an dem sowohl schwarze Löcher als auch Galaxien in einer kritischen Epoche des frühen Universums schnell wuchsen. Gravity kombinierte für diese Messung das Licht aller vier 8-Meter-Teleskope des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte interferometrisch. Das entspricht der Leistung eines Teleskops mit einem Durchmesser von 130 Metern.
Genauer beobachtete das Team, wie sich Gaswolken in einer dicken Scheibe um das zentrale schwarze Loch der Galaxie mit der Bezeichnung SDSS J092034.17+065718.0 bewegen. Daraus lässt sich über die Gesetze der Physik direkt die Masse des schwarzen Lochs bestimmen. Mit 320 Millionen Sonnenmassen ist das schwarze Loch verglichen mit der etwa 60 Milliarden Sonnenmassen schweren Wirtsgalaxie eher leicht - zu leicht. Die Wirtsgalaxie könnte also schneller gewachsen sein als das supermassereiche schwarze Loch in ihrem Zentrum. Dies wiederum könnte darauf hindeuten, dass manche solcher schwarzer Löcher nur verzögert wachsen.
„Das wahrscheinliche Szenario für die Entwicklung dieser Galaxie ist eine starke Supernova-Rückkopplung, bei der Sternexplosionenen Gas aus den zentralen Regionen entfernen, bevor es das schwarze Loch im galaktischen Zentrum erreichen kann“, sagt Jinyi Shangguan, Gravity-Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. Erst wenn die Galaxie genug Masse angesammelt hat, um diese durch die Schwerkraftwirkung in der Zentralregion zu halten, kann das schwarze Loch schnell an Masse zulegen und so mit dem Wachstum der Galaxie Schritt halten. Um herauszufinden, ob dieses Szenario auch für andere Galaxien und ihre zentralen schwarzen Löcher zutrifft, wird das Team weitere hochpräzise Massenmessungen von schwarzen Löchern im frühen Universum durchführen.
HH, BEU