Rettungsmission für das kosmologische Prinzip

Neue Himmelsdurchmusterung des MeerKAT-Radioteleskops sieht das Universum bei großen Entfernungen so, wie es zu erwarten wäre – anders als vergangene Beobachtungen anderer Teleskope

Das kosmologische Prinzip ist das Fundament der modernen Kosmologie und wurde bereits vielfach durch Beobachtungen und Computermodelle bestätigt. Es besagt, dass das Universum im großen Maßstab von jedem Ort aus gesehen und in alle Richtungen gleich aussieht. Letzteres Kriterium bezeichnet die Isotropie. Beobachtungen mit Radioteleskopen haben in der Vergangenheit aber eine kuriose Abweichung vom kosmologischen Prinzip entdeckt: In Bewegungsrichtung des Sonnensystems durch die Milchstraße fanden sie mehr Galaxien als in der entgegengesetzten Richtung. Neueste Daten des MeerKAT-Radioteleskops aber scheinen unser Weltbild wieder gerade zu rücken. Es bleibt bisher unklar, ob das kosmologische Grundprinzip damit wirklich gerettet ist.

Eine Möglichkeit, die größten Strukturen des Universums zu vermessen, ist es, mit Radioteleskopen das Licht ferner Galaxien zu beobachten. Die hellsten Galaxien senden meist auch starkes Radiolicht aus und sind daher besonders gut geeignet, um weit in den von uns aus einsehbaren Teil des Alls zu blicken dort die Verteilung der Galaxien zu vermessen. Bei diesen Messungen muss aber ein Schlüsseleffekt berücksichtigt werden, der die Daten verfälscht: Der Radiodipol. Dabei handelt es sich um einen kosmologischen Effekt, der durch die Eigenbewegung der Erde und des Sonnensystems durch unsere eigene Galaxie entsteht. In Bewegungsrichtung erscheinen Galaxien als Radiolichtquellen heller als in entgegengesetzter Richtung. Das führt dazu, dass Forschende in dieser Richtung mehr Galaxien finden, als in der entgegengesetzten Richtung. Denn jedes Teleskop hat eine begrenzte Empfindlichkeit, und je weiter eine Lichtquelle entfernt ist, desto schwächer erscheint sie und desto mehr entzieht sie sich dem Blick eines Teleskops

Mehr Galaxien in Fahrtrichtung? 

Obwohl Radioobservatorien diesen Effekt eigentlich berücksichtigt haben, hat sich die ungleiche Verteilung der beobachteten Galaxien bisher hartnäckig gehalten. Neueste Daten des MeerKAT Radioteleskops beinhalten nun keine Anzeichen mehr für eine solche Anisotropie des großskaligen Universums. Forschende versuchen unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie zu klären, warum das so ist, also ob die bisher beobachtete ungleiche Verteilung von Galaxien am Himmel ein reiner Beobachtungseffekt war oder ob die Strukturen des Universums tatsächlich dem kosmologischen Prinzip widersprechen.

Im Rahmen der Himmelsdurchmusterung MeerKAT Absorption Line Survey (Mals) haben die Astronominnen und Astronomen nun den bisher größten Katalog von Radioquellen zusammengestellt, die das MeerKAT Radioteleskop in allen Richtungen und bei unterschiedlichen Abständen zur Erde verteilt beobachtet hat. "Die Empfindlichkeit und der Umfang dieses Katalogs sind einzigartig unter den modernen Radiodurchmusterungen", sagt Neeraj Gupta, Astronom am Inter-University Centre for Astronomy and Astrophysics in Indien und Leiter des Mals-Projekts. Im Gegensatz zu früheren Messungen fanden die Forscher keine Anisotropie in der Verteilung der Galaxien, nachdem sie den zu erwartenden Effekt des Radiodipols korrigiert hatten.

Die Kosmische Hintergrundstrahlung als Referenz

Der Effekt des Radiodipols beruht auf dem Doppler-Effekt und verzerrt auch die auf der Erde empfangene kosmische Hintergrundstrahlung, eine eigentlich sehr gleichmäßig verteilte Radiostrahlung aus der Frühzeit des Universums. Der Doppler-Effekt sorgt dafür, dass die kosmische Hintergrundstrahlung in Bewegungsrichtung heller erscheint als in entgegengesetzter Richtung. Dafür gibt es drei Ursachen: Erstens verschiebt sich durch die Bewegung der Erde relativ zum Rest des Universums das Spektrum der Hintergrundstrahlung, das dem eines schwarzen Körpers gleicht. Je nachdem, in welchem Bereich des Spektrums man misst, kann dies dazu führen, dass das Hintergrundleuchten des Weltalls heller erscheint. Zusätzlich verstärkt der Doppler-Effekt die Intensität des Lichts durch den des sogenannten Doppler-Boost und die Aberration des Lichts. Beides sind eigentlich relativistische Effekte, die aber schon bei der Eigengeschwindigkeit der Erde als Teil des Sonnensystems messbar werden. Bei der Aberration scheint sich das entgegenkommende Licht zu bündeln.  

Diese Verzerrungen in der Intensität der Hintergrundstrahlung sind sehr gut verstanden und Astronominnen und Astronomen berücksichtigen diese bei Himmelsdurchmusterungen, um die tatsächliche und unverzerrte Verteilung solcher Galaxien zu erhalten, die Radiostrahlung aussenden. Denn der Doppler-Effekt verändert auch die Helligkeit einzelner sogenannter Radiogalaxien, was darüber entscheiden kann, ob ein Teleskop die Galaxie in einer bestimmten Richtung sieht oder nicht.

Bei früheren Durchmusterungen des Himmels mit Radioteleskopen wie dem Very Large Array in New Mexico wurden in Bewegungsrichtung des Sonnensystems jedoch mehr solcher Radiogalaxien entdeckt als in entgegengesetzter Richtung. Hier handelt es sich vor allem um einen aktiven Galaxientyp, bei dem ein Jet oder Materiestrom, der durch verdrillte Magnetfelder in der Umgebung des zentralen schwarzen Lochs verankert ist, Materie bei relativistischen Geschwindigkeiten aus der Galaxie herausschleudert. Dabei entsteht helle Synchrotronstrahlung, die das Radiospektrum dominiert. Die Anisotropie der aktiven Galaxien, also deren Häufung in Bewegungsrichtung, ist noch drei- bis viermal stärker als jene, die Forschende durch Messungen des Radiodipols der Hintergrundstrahlung erwartet hatten.  Die ungleichmäßige Verteilung dieser Galaxien hält sich also, auch wenn die Astronominnen und Astronomen schon alle Auswirkungen des Doppler-Effekts aus den Beobachtungsdaten herausgerechnet haben.

Empfindlichere Teleskope lohnen sich

Der Mals-Katalog bestätigt den mit anderen Radioteleskopen beobachteten Effekt jedoch nicht. „Dies könnte daran liegen, dass die Messungen mit MeerKAT deutlich empfindlicher sind als die bisheriger Teleskope, aber genau wissen wir es noch nicht“, sagt Jonah Wagenveld, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Denn damit führt der Mals-Katalog nicht nur eine höhere Zahl an Galaxien als andere Kataloge, sondern auch andere Typen von Galaxien. Darunter etwa leuchtschwächere Galaxien, die bisher unentdeckt blieben. Jene unterscheiden sich von den leuchtstärkeren Radiogalaxien auch durch die Form ihrer Radiospektren. Der frequenzabhängige Doppler-Effekt würde auf die beiden Galaxientypen also unterschiedlich wirken, wenn dieser nicht bereits berücksichtigt wäre. Eine mögliche Erklärung dafür, dass MeerKAT keine Anisotropie mehr beobachtet, könnte sein, dass die neu entdeckten Galaxien ein vollständigeres Bild des beobachteten Universums ermöglichen. Dazu müssten die neu entdeckten und schwach leuchtenden Galaxien, so wie sie MeerKAT beobachtet hat, aber selbst ungleich verteilt sein.

Auch wenn die neuen Messungen im vollen Einklang mit dem kosmologischen Prinzip sind, sind jegliche Zweifel erst ausgeräumt, wenn endgültig aufgeklärt ist, wie es zu den Abweichungen zwischen den Mals-Beobachtungen und denen anderen Radiodurchmusterungen kommt. Weitere Beobachtungen von MeerKAT oder zukünftigen Radioobservatorien werden darüber entscheiden, ob wir an unserem bisherigen Bild des Kosmos auch weiterhin festhalten können.

BEU

 

Weitere Informationen

Der neue Katalog und die begleitenden wissenschaftlichen Ergebnisse dieser Studie sind in Wagenveld et al. (2024) beschrieben, angenommen zur Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“. Dies ist die zweite von mehreren Veröffentlichungen von Radiokontinuums- und Spektralliniendaten aus dem „MeerKAT Absorption Line Survey“ (MALS), basierend auf einer Teamleistung zur Veröffentlichung dieser Daten. Die MALS-Kataloge und -Bilder sind öffentlich zugänglich unter https://mals.iucaa.in. Das MALS-Team ist ein internationaler Zusammenschluss von Forschern aus der ganzen Welt, geleitet von Neeray Gupta (IUCAA, Indien).

Das MeerKAT-Teleskop liegt in der Halbwüste Karoo. Es ist eine Einrichtung der National Research Foundation (NRF) in Südafrika und wird betrieben vom South African Radio Astronomy Observatory (SARAO). Mit 64 Schüsseln ist es das größte Radioteleskop der südlichen Hemisphäre sowie eines von zwei Vorläuferinstrumenten des Square Kilometre Array in Südafrika.

Das SKA-Observatorium (SKAO) ist eine zwischenstaatliche Organisation, die Nationen aus der ganzen Welt zusammenbringt. Aufbabe des SKAO ist der Bau und Betrieb hochmoderner Radioteleskope, die das Verständnis des Universums verändern und zum Nutzen der Gesellschaft durch globale Zusammenarbeit und Innovation beitragen soll. Das Observatorium ist weltweit tätig und besteht aus dem SKAO-Hauptquartier im Vereinigten Königreich, den beiden SKAO-Teleskopen an radioruhigen Standorten in Südafrika und Australien sowie den dazugehörigen Einrichtungen zur Unterstützung des Betriebs der Teleskope. Sobald das SKAO in Betrieb ist, wird es eine umfassende globale Sternwarte darstellen, die im Auftrag der Mitgliedstaaten und Partner zwei Teleskope auf drei Kontinenten betreibt.

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