„Mir liegt die Max-Planck-Bibliothekscommunity sehr am Herzen“

Ein Interview mit Susanne Hilbring, Bibliotheksleiterin am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, zu den Aufgaben moderner Bibliotheken

Frau Hilbring, Sie arbeiten seit 1989 in der Bibliothek des Kölner Instituts. Wie sind Sie dazu gekommen?
Nach meinem Studium habe ich unter anderem bei der GESIS, dem Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, in einem Datenbankprojekt für sozialwissenschaftliche Publikationen gearbeitet. Für die Arbeit am MPI für Gesellschaftsforschung war es zudem von Vorteil, dass ich Italienisch konnte. Denn zu diesem Zeitpunkt lag ein Forschungsschwerpunkt auf dem Vergleich westeuropäischer Gesundheitssysteme.

Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?
Ich schenke mir erst einmal eine Tasse Tee ein und tausche mich mit meinen Kolleginnen aus. Dann setze ich mich an den Schreibtisch. Im Moment bin ich an einem Projekt beteiligt, bei dem es um eine gemeinsame Suchoberfläche für Max-Planck-Bibliotheken geht. Wir bauen einen MPG-weiten Index mit allen Quellen auf, die uns zentral zur Verfügung stehen, kombiniert mit den lokalen Katalogen. Dies erfordert viele Absprachen und Meetings mit den Kolleginnen und Kollegen an anderen Instituten, sodass wenig Zeit bleibt für die Routinearbeiten wie die Buchauswahl. Priorität hat aber immer die Beratung unserer Forschenden. Ich unterbreche meine Arbeit, wenn eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler sich etwa mit einer Frage zum Open-Access-Publizieren an mich wendet. Die Beratung in diesem Bereich ist eine meiner Hauptaufgaben.

Was mögen Sie besonders an Ihrer Arbeit?
Der Austausch mit anderen Instituten ist sehr wichtig, deshalb engagiere ich mich gerne in Arbeitsgruppen der Bibliothekscommunity. Wir haben eine Open-Access-Gruppe oder tauschen uns über die Beschaffung von E-Books aus. Jeder kennt Kniffe, sodass die anderen in der Community davon profitieren. Das liegt mir sehr am Herzen. So habe ich einen Teamraum für Best-Practice-Beispiele eingerichtet. Fortbildung ist entscheidend, damit man auf dem Laufenden bleibt und aktiv Prozesse gestalten kann.

Zumal sich die Bibliothekslandschaft in den vergangenen drei Jahrzehnten gravierend verändert hat…
Das Internet hat alles verändert. Als sich in den 90er-Jahren junge Forschende sehr für Zeitungsquellen interessierten – diese galten lange als unfein und wurden nicht benutzt –, habe ich begonnen, ihnen die Tageszeitungen zur Verfügung zu stellen, erst auf CD-ROM, dann über Datenbanken. Ich musste mich immer mit neuen Medien beschäftigen – wie eine Krake, die alles zusammenhält. Im Moment sind viele Artikel hinter Bezahlschranken, eine große Herausforderung!

Wie groß ist Ihr Buchbestand?
Wir haben im Moment 67.000 gedruckte und elektronische Bücher. In den vergangenen Jahren habe ich sehr viel aussortiert, fast 20.000 Exemplare. Wir sind eine Gebrauchsbibliothek und sehen unsere Aufgabe nicht darin, Wissen bis in alle Ewigkeit zu konservieren.

„Bibliotheken sind die Labore der Geisteswissenschaften“, hat ein Kollege von Ihnen, Peter Weber vom MPI für Innovation und Wettbewerb, einmal gesagt. Gefällt Ihnen dieser Vergleich?
Das gilt für die rechtswissenschaftlichen Bibliotheken mehr als für uns. Unsere Bibliothek bietet ein großes Angebot an Literatur in den Sozial-, Politik- und Wirtschaftswissenschaften, von den Klassikern bis hin zum aktuellen Aufsatz. Forschende finden hier genau die Literatur, die sie für ihre aktuelle Arbeit brauchen. Aber durch die systematische Präsentation stoßen sie auch auf relevante Publikationen, die sie vorher vielleicht gar nicht im Blick hatten.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Barbara Abrell

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