„Nach wie vor viel Print“

Johannes Mikuteit ist seit gut neun Jahren Bibliotheksleiter am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg. In diesem Interview spricht er über die Besonderheiten einer juristischen Spezialbibliothek mit einer 100-jährigen Geschichte.

Mit ihren gut 13 Planstellen ist Ihr Bibliotheksteam eher groß…

Unsere Bibliothek ist eine der größten Bibliotheken innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft mit einem bedeutenden Bestand und breitem Dienstleistungsangebot. Vergleichbar ist beispielsweise die Bibliothek des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, zumal beide Einrichtungen gemeinsame Wurzeln in Berlin haben.

Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht wurde vor 100 Jahren als Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Berlin gegründet und war ursprünglich im Berliner Schloss untergebracht – zusammen mit unserem privatrechtlichen „Schwester-Institut“, das im Jahr 1926 gegründet wurde. Beide Institute hatten von Anfang an umfangreiche eigene Bibliotheken. Bei der Bombardierung des Berliner Schlosses am Ende des Zweiten Weltkrieges sind aber viele Bücher verbrannt, so dass wir hier in Heidelberg in den ersten Nachkriegsjahrzehnten - neben dem laufendem Bestandsaufbau mit Hilfe von neuer Literatur - Lücken schließen und den verbliebenen Berliner Bestand nach Heidelberg holen mussten.

Was ist an Ihrer Bibliothek so besonders?

Besonders ist tatsächlich der Bestand mit Büchern in zahlreichen Sprachen und aus vielen Regionen der Welt, der weltweit eine herausgehobene Stellung auf diesem juristischen Spezialgebiet einnimmt.

Unter den Sprachen dominiert Englisch als moderne Lingua franca der internationalen Wissenschaftswelt. Neuanschaffungen werden jedoch im gesamten europäischen Raum in den verschiedenen Sprachen erworben, außerdem in den USA, Kanada und Australien sowie in afrikanischen Ländern. Ein Direktor unseres Instituts, Prof. Armin von Bogdandy, hat überdies einen Forschungsschwerpunkt in Lateinamerika. Deshalb kaufen wir derzeit viel spanisch- und portugiesischsprachige Fachliteratur aus und über diese Region. Asien ist natürlich ebenfalls wichtig. Aus den asiatischen Staaten erwerben wir bislang vergleichsweise wenig originalsprachige Literatur.

Wie groß ist ihr Bestand?

Letztes Jahr lag er bei rund 723.000 Exemplaren. Dabei handelt es sich primär um gedruckte Bücher und Zeitschriften. Juristinnen und Juristen schätzen durchaus noch Papier, und längere Abhandlungen und Aufsätze werden gerne nach wie vor in Print gelesen.

Neben den juristischen Inhalten findet man bei uns zudem viel Literatur aus den „Nachbarwissenschaften“ wie etwa Geschichte, Geographie, Philosophie sowie den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.

Digitalisieren Sie die Bücher auch?

Eher selten. Die Bestandsdigitalisierung ist aufwändig. Der technische Vorgang des Digitalisierens selbst ist in der Regel einfach. Aber es gilt, viele Fallstricke zu beachten, wie beispielsweise teils schwierig zu klärende Urheberrechtsfragen. Auch die Nachbearbeitung der Digitalisate ist nicht trivial. Wir haben im Bestand vergleichsweise wenige Rara, also sehr alte und wertvolle Schriften, die dringend zu digitalisieren wären, aber viele unikale und bislang noch nicht digitalisierte Titel aus aller Herren Länder. Eine Bestandsdigitalisierung hätte insbesondere auf diese Titel zu zielen, die jedoch zuvor genau zu identifizieren und mit hohem Aufwand durch den Digitalisierungsprozess zu bringen wären. Dafür fehlen uns momentan die notwendigen Ressourcen.

Wie hat sich Ihr Aufgabenbereich verändert, seitdem Sie am Institut arbeiten?

Der Anteil der digitalen Angebote und Services hat in allen Bereichen stark zugenommen. Einen Schub gab es besonders während der Corona-Pandemie, in der digitale Informationen stark nachgefragt wurden. Vor allem bei den Zeitschriften und überhaupt Periodika dominieren mittlerweile digitale Versionen. Leider können wir aber Loseblattsammlungen, die in den Rechtswissenschaften teilweise noch gebräuchlich sind, nicht gänzlich abbestellen. Das schreit nach meiner Meinung dringend nach entsprechenden Online-Angeboten der Verlage. Für Juristinnen und Juristen ist es aber nach wie vor besonders prestigereich, wenn ihre Dissertation oder Habilitation als klassisches Buch in einem renommierten (Fach-)Verlag gedruckt erscheint.

Direkt neben ihrem Büro arbeitet ihr Vorvorgänger …

Das ist tatsächlich eine Besonderheit. Herr Schwietzke war lange Jahre von 1975 bis 2002 zuerst stellvertretender Bibliotheksdirektor unseres Instituts bis 1980 und danach leitend bis 2002 Bibliotheksdirektor, abgelöst von Dr. Harald Müller, der von 2001 bis 2015 ebenfalls anfänglich stellvertretender Bibliotheksdirektor war und schließlich im Jahr 2002 Bibliotheksdirektor wurde. Herr Schwietzke kommt noch jeden Tag hier ins Haus und geht eigenen Arbeiten nach. Wir verstehen uns sehr gut und tauschen uns in Fachfragen vertrauensvoll aus. Gemeinsam überschauen wir einen Zeitraum von bald fünf Jahrzehnten Bibliotheksgeschichte des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg und der Max-Planck-Gesellschaft im Ganzen.

Danke für das Gespräch.

Das Interview führte Barbara Abrell

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht