Erste Sonnenaufnahmen von Sunrise III
Die Messdaten des ballongetragenen Sonnenobservatoriums machen kleinste Details auf der Sonnenoberfläche sichtbar
Das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise III hat einen einzigartigen, etwa 200 Terabyte umfassenden Datensatz von der Sonne im Juli dieses Jahres während seines sechseinhalbtägigen Stratosphärenfluges eingefangen. Nun hat das Team die ersten sorgfältig bearbeiteten Bilder des Teleskops sowie ein Video des gesamten Fluges, aufgenommen von der Bordkamera, veröffentlicht. Die Bilder der Oberfläche der Sonne zeigen kleinste Strukturen von nur 50 Kilometern Größe. Die Sunrise III-Daten ermöglichen es, Prozesse auf der sichtbaren Oberfläche der Sonne und in ihrer unteren Atmosphäre in unerreichter Höhenauflösung ununterbrochen über mehrere Stunden zu verfolgen. Wie im gesamten zurückliegenden Jahr war die Sonne während des Forschungsflugs von Sunrise III besonders aktiv. Neben Sonnenflecken und dynamischen Magnetfeldern konnte das Observatorium so auch zwei Strahlungsausbrüche miterleben.
Sechseinhalb Tage lang ununterbrochene und ungestörte Sicht auf unseren Stern – das bot der Forschungsflug des ballongetragenen Sonnenobservatoriums Sunrise III im Sommer dieses Jahres. Nach dem erfolgreichen Start am 10. Juli 2024 jenseits des Polarkreises in Schweden hob ein Heliumballon Sunrise III auf eine Höhe von mehr als 35 Kilometern. Für Sonnenforschende ist diese Beobachtungsposition optimal: Oberhalb der irdischen Luftmassen trüben keine Luftturbulenzen die Sicht; zudem hat Sunrise III von dort Zugang zur ultravioletten Strahlung von der Sonne. Da der Flug im Sommer am Polarkreis stattfand, bot die Mitternachtssonne die Möglichkeit, während der Reise ununterbrochen auf unseren Stern zu schauen. Stratosphärenwinde trugen das Observatorium nach Westen bis zur Landung in den kanadischen Nordwest-Territorien. Bisher liegt erst ein kleiner Teil des insgesamt 200 Terrabyte fassenden Datenspeichers ausgewertet vor, den das Bergungsteam etwa zwei Wochen nach der Landung aus der Wildnis rettete. Um alle Bilder zu sichten, die das Teleskop aufgenommen hat, würde es bei einer Bildrate üblicher Videos von 25 Bildern pro Sekunde etwa einen Monat dauern. Um das volle Potential der Daten auszuschöpfen, müssen die Aufnahmen aufwändig aufbereitet werden.
Still halten für über 86 Millionen detailscharfe Bilder der Sonne
Die ersten, so bereinigten Aufnahmen zeigen Ausschnitte der sichtbaren Sonnenoberfläche und der darübergelegenen Chromosphäre auf bisher einzigartige Art und Weise. Das UV-Spektropolarimeter Susi, das unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung entwickelt und gebaut wurde, fängt das für das menschliche Auge unsichtbare ultraviolette Licht der Sonnenoberfläche ein. Neben Sonnenflecken und ihren feinstrukturierten Rändern hat das Instrument das typische Muster auf- und absteigenden Plasmas, der so genannten Granulation, abgebildet. In den schmalen Grenzbereichen zwischen einzelnen Granulen leuchten in den Aufnahmen winzige, helle Flecken auf. Sie messen kaum mehr als 50 Kilometer im Durchmesser und gelten als die kleinsten Bausteine des Sonnenmagnetfeldes.
„Um Strukturen von nur 50 Kilometern Größe auf der Sonne sichtbar zu machen, treiben wir die Optik an die Grenzen des Machbaren. Das empfindliche System muss im Flug auf Haaresbreite justiert gehalten werden“, erklärt Sunrise III-Projektwissenschaftler Achim Gandorfer. „Im Flug korrigieren wir Abweichungen im Mikrometerbereich, hauptsächlich hervorgerufen durch unvermeidbare Temperaturschwankungen, in Echtzeit. Den letzten Feinschliff bekommen die Daten im Supercomputer“, fügt er hinzu. „Ausgeklügelte Algorithmen und monatelange Rechenzeit auf dem Hochleistungscluster unseres Max-Planck-Instituts sind notwendig, um alle störenden Effekte aus allen Daten herauszurechnen“, ergänzt Tino Riethmüller vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, verantwortlich für die Software von Sunrise III.
„Die Detailschärfe der Aufnahmen hat all unsere Erwartungen übertroffen“, so Alex Feller, Leiter des Susi-Teams am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Auf alltäglichere Maßstäbe übertragen entspricht sie der Fähigkeit, aus einer Entfernung von 50 Kilometern eine Ein-Euro-Münze auszumachen. „Sunrise III schafft es, auch die Magnetfelder und deren zeitliche Entwicklung über Stunden konstant mit dieser Detailgenauigkeit sichtbar zu machen“, ergänzt Feller. Das gelingt vor allem dadurch, dass Sunrise III aus dem Weltall und nicht durch die wabernde Erdatmosphäre hindurch auf die Sonne blickt. Kein Teleskop auf der Erde kann über Stunden so still halten.
Entscheidend für die hohe Qualität der Sunrise III-Daten war dabei das Bildstabilisierungssystem, das am Institut für Sonnenphysik in Freiburg entwickelt wurde, sowie die Fähigkeit der Gondel, während des Fluges selbst kleinste Schwankungen selbsttätig auszugleichen. Diese Eigenschaften führen zu einem weiteren Alleinstellungsmerkmal von Sunrise III: punktgenaue und zeitgleiche Beobachtungen vom ultravioletten bis zum infraroten Bereich des Sonnenspektrums. „Sunrise III hat in weniger als einer Woche vermutlich den bisher vollständigsten Datensatz der Sonne aufgenommen“, freut sich Andreas Korpi-Lagg, Projektleiter von Sunrise III.
Strahlungsausbrüche und veränderliches Magnetfeld
Die Sonne steuert derzeit auf ihr Aktivitätsmaximum zu und zeigte sich auch während des Fluges von Sunrise III temperamentvoll. So gelang es etwa, das Teleskop auf zwei Strahlungsausbrüche zu richten. Zudem zeigen Aufnahmen des Instrumentes TuMag entstehende und vergehende Sonnenflecken sowie Regionen, in denen die heißen Plasmaströme aus dem Innern der Sonne Magnetfelder an die Oberfläche spülen. Oberhalb der Chromosphäre steigt die Temperatur der Sonne sprunghaft an: von etwa 10000 Grad bis auf eine Million Grad. In den heute veröffentlichten Aufnahmen sind oberhalb der Sonnenflecken langgezogene, fibrillenartige Strukturen zu sehen.
„Die neuen Daten von Sunrise liefern einen einzigartigen Blick auf die sichtbare Oberfläche der Sonne und die darüber gelegene Chromosphäre“, so MPS-Direktor Prof. Dr. Sami K. Solanki, Sunrise III-Missionsleiter. „Sie bieten uns die Möglichkeit, die Prozesse und Phänomene in allen Höhenschichten der Sonnenatmosphäre besser als je zuvor zu verstehen“, fügt er hinzu.
„Selfies“ während des Fluges
Sunrise III flight as seen by IRIS-2
Ein Kamerasystem eines spanischen Teams von Amateurastronomen dokumentierte aus der „Selfie-Perspektive“ Start, Flug und Landung. Der komplett schwarze Himmel direkt neben der Sonne ist ein eindrucksvoller Beleg für die weltraumähnlichen Beobachtungsbedingungen in der Stratosphäre.
Hintergrundinformationen
Das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise III ist eine Mission des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS, Deutschland). Sunrise III blickt mit Hilfe eines 1-Meter-Teleskops, dreier wissenschaftlicher Instrumente und eines Systems zur Bildstabilisierung aus der Stratosphäre auf die Sonne. Die Gondel ist der Beitrag des Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University (Maryland, USA) zur Sunrise III-Mission. Die drei wissenschaftlichen Instrumente sind SUSI (Ultraviolett-Spektropolarimeter), TuMag (Spektropolarimeter im sichtbaren Bereich) und SCIP (Infrarot-Spektropolarimeter).
Das Instrument TuMag wurde von einem spanischen Konsortium unter Leitung des Instituto de Astrofísica de Andalucía (Granada, Spanien) zur Verfügung gestellt. Das Infrarot-Spektropolarimeter SCIP spezialisiert sich auf die genaue Bestimmung der Plasmaströme und der Magnetfelder in der Chromosphäre. Es wurde vom National Astronomical Observatory Japans zur Mission beigesteuert.
Maßgeblich Mitwirkende an der Mission sind das Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins Universität (APL, USA), ein spanisches Konsortium, das National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ, Japan), und das Institut für Sonnenphysik (KIS, Deutschland). Das spanische Konsortium wird geleitet vom Instituto de Astrofísica de Andalucía (IAA, Spanien) und besteht zudem aus dem Instituto Nacional de Técnica Aeroespacial (INTA), der Universitat de València (UV), der Universidad Politécnica de Madrid (UPM) und dem Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC). Weitere Partner sind das Wallop’s Flight Facility Balloon Program Office (WFF-BPO) der NASA und die Swedish Space Corporation (SSC).
Sunrise III wird unterstützt von der Max-Planck-Förderstiftung, der NASA im Rahmen der Grants #80NSSC18K0934 und #80NSSC24M0024 ("Heliophysics Low Cost Access to Space"-Programm) sowie dem ISAS/JAXA Small Mission-of-Opportunity-Programm und JSPS KAKENHI JP18H05234. Die spanischen Beiträge wurden vom spanischen MCIN/AEI im Rahmen der Projekte RTI2018-096886-B-C5 und PID2021-125325OB-C5 sowie von "Center of Excellence Severo Ochoa"-Preisen an das IAA-CSIC (SEV-2017-0709, CEX2021-001131-S) finanziert, die alle von den europäischen REDEF-Fonds "A way of making Europe" kofinanziert wurden.