Alter Mond mit junger Kruste

Die Kruste des Mondes hat den Mond bislang jünger aussehen lassen als er ist. Denn sie erstarrte wegen heftigem Vulkanismus wohl erst 80 bis 160 Millionen Jahre nachdem der Mond entstanden ist

Nach seiner Entstehung dürfte der Mond Schauplatz so ungeheurer vulkanischer Aktivität gewesen sein, dass seine gesamte Kruste mehrfach aufschmolz und sich komplett umwälzte. Statt auf seiner heutigen Bahn kreiste der Erdtrabant damals in größerer Nähe um die Erde. Die dabei entstehenden Gezeitenkräfte heizten sein Inneres auf und lieferten so den „Antrieb“ für den heftigen Vulkanismus. Ein internationales Forscherteam von der University of California Santa Cruz, vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und vom Collège de France hat bisherige Widersprüche und Ungereimtheiten, die das Alter des Mondes betreffen, nun aufgelöst. Nach Einschätzung der Forschenden entstand der Mond vor 4,43 bis 4,51 Milliarden Jahren. Seine Kruste scheint allerdings etwa 80 bis 160 Millionen Jahre jünger zu sein.

Bisherige Schätzungen des Mondalters liegen zum Teil einige hundert Millionen Jahre auseinander: Während einige Forschende vermuten, dass unser kosmischer Begleiter vor 4,35 Milliarden Jahren entstand, datieren andere seine Geburtsstunde auf einen Zeitpunkt vor 4,51 Milliarden Jahren. Fast alle Gesteinsproben vom Mond deuten dabei auf das jüngere Mondalter. Aber einzelne, seltene Kristalle aus Zirkoniumsilikat, so genannte Zirkone, sind deutlich älter. Mit der aktuellen Studie hat eine Forschungsgruppe diesen Widerspruch aufgelöst. Demnach schmolzen Teile der Kruste des Erdtrabanten nach seiner Entstehung noch einmal auf. Einige wenige Zirkone blieben trotz dieser extremen Bedingungen aber unverändert.

Eine Kollision und ihre Folgen

Die Geschichte des Mondes beginnt mit einer gewaltigen Kollision. In den frühen Tagen des Sonnensystems krachte ein etwa Mars-großer Brocken in die noch junge Erde. Der Zusammenprall erzeugte so viel Hitze, dass unser Planet vollständig aufschmolz, und schleuderte eine riesige Menge an Material ins All. Daraus ballte sich der Mond zusammen, zunächst bedeckt von einem Ozean aus heißem, flüssigem Gestein. In den folgenden Jahrmillionen kühlte der neu entstandene Körper ab und entfernte sich auf seinen Kreisbahnen immer weiter von der Erde, bis er seine heutige Umlaufbahn in einem Abstand von etwa 384.400 Kilometern erreichte.

„Uns interessiert besonders die Phase, als der Abstand zwischen Erde und Mond in etwa ein Drittel der heutigen Entfernung betrug“, erklärt Francis Nimmo von der University of California Santa Cruz, Erstautor der neuen Studie. Zu diesem Zeitpunkt kam es zu verschiedenen Veränderungen in Lage und Form der Mondumlaufbahn. Unter anderem wurde sie elliptischer, so dass innerhalb jeder Umrundung die Geschwindigkeit des Mondes sowie sein Abstand zur Erde merklich variierte. Die so wirkenden Kräfte walkten sein Inneres so stark durch, dass er aufheizte. Eine ähnliche Situation ist noch heute vom Jupitermond Io bekannt, der ebenfalls auf leicht elliptischer Umlaufbahn um den Gasriesen reist. Die gewaltigen Gezeitenkräfte des Jupiters machen den kleinen Mond so zum vulkanisch aktivsten Körper im Sonnensystem. Der frühe Erdmond dürfte ihm kaum nachgestanden haben.   

Den Berechnungen der Forschenden zur Folge reichte der Wärmefluss aus dem Innern des Mondes aus, um den gesamten Mantel aufzuschmelzen und umzuwälzen. Zwar bedeckte in dieser Phase zu keinem Zeitpunkt ein Magmaozean den kompletten Mond. Aber im Laufe mehrerer Millionen Jahre entlud sich die Hitze aus dem Innern nach und nach überall und verflüssigte Teile des Krustengesteins – möglicherweise sogar mehrfach. An manchen Stellen drang die heiße Lava an die Oberfläche, an anderen blieb sie unterhalb und erhitzte das darüberliegende Gestein.

Verstellen der geologischen Uhr

Für die Altersbestimmung des Krustengesteins ist diese vulkanische Vorgeschichte maßgeblich. Wie auch irdisches Gestein enthält Mondgestein seit seiner Entstehung radioaktive Isotope. Das sind Spielarten bestimmter Atome, die radioaktiv zerfallen. Da ihre Zerfallszeiten bekannt sind, lässt sich aus der heutigen Konzentration auf das Alter des Gesteins schließen. Das Entscheidende: Solange das Gestein heiß ist, kann es Isotope mit seiner Umgebung austauschen. Wenn es abkühlt, friert seine aktuelle Zusammensetzung ein. Die eingeschlossenen radioaktiven Isotope beginnen zu zerfallen, die geologische Uhr zu ticken.

„Der starke Vulkanismus dürfte die geologische Uhr des Mondes neu gestartet und somit verstellt haben“, erklärt Thorsten Kleine, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. „Das Mondgestein verrät deshalb nicht sein ursprüngliches Alter, sondern nur, wann es das letzte Mal stark erhitzt war“. Zeugnis der weiter zurückliegenden Vergangenheit liefern nur einige wenige hitzebeständige Zirkone, wie die Rechnungen der Forscher zeigen. An einigen Stellen, an denen die Lava nicht bis zur Oberfläche drang, dürften sie so kühl geblieben sein, dass ihre innere Uhr nicht beeinträchtigt wurde. „In ihrer Vielfalt verraten uns die Gesteinsproben vom Mond seine gesamte, bewegte Geschichte. Sie berichten von seiner Entstehung und seinem späteren heftigen Vulkanismus. Wir haben bisher diese Hinweise nur nicht richtig gelesen“, so Kleine. Der Mond selbst dürfte demnach zwischen 4,43 und 4,51 Milliarden Jahre alt sein. Der heftige Vulkanismus prägte ihn bereits vor etwa 4,35 Milliarden Jahren, also etwa 80 bis 160 Millionen Jahre später. 

Des Rätsels Lösung

Die neuen Erkenntnisse lösen auch viele weitere Widersprüche, die Forschende bisher umgetrieben hatten. So sprachen gegen ein hohes Alter des Mondes seine vergleichsweise wenigen Krater. In so langer Zeit hätte unser Nachbar eigentlich mehr Einschläge kosmischer Brocken „einsammeln“ müssen. Der spätere Vulkanismus bietet nun eine Erklärung. „Lava aus dem Innern des Mondes könnte die frühen Einschlagsbecken aufgefüllt und so unkenntlich gemacht haben“, sagt Alessandro Morbidelli vom Collège de France. Vor ein weiteres Rätsel stellte Forschende die Zusammensetzung des Mondmantels. Das ist die Gesteinsschicht, die sich direkt unterhalb der Mondkruste anschließt. Ihre Zutatenliste weicht von der der Erde in entscheidenden Punkten ab. War das Innere des Mondes jedoch ein zweites Mal aufgeschmolzen, könnten einige Stoffe vom Mantel in den darunterliegenden Eisenkern entschwunden sein. „Durch die neuen Ergebnisse fügen sich alle Puzzleteile, die zuvor nicht zusammenpassen wollten, zu einem stimmigen Gesamtbild der Mondentstehung zusammen“, so Thorsten Kleine.

 

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