Astronomie
Menschliche Neugier in unendlichen Weiten
Das All fasziniert die Menschen – seit Urzeiten und überall auf der Welt. Astronomie bringt Menschen zum Staunen, schmückt Kinderzimmer und erschüttert Weltbilder. Denn astronomische Forschung verschiebt nicht nur die Grenzen des Wissens, Astronominnen und Astronomen suchen auch nach Antworten auf die großen Fragen menschlicher Existenz. Wie groß ist das Universum? Wie ist es entstanden? Woher kommen wir? Und sind wir allein im All oder gibt es Leben da draußen?
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Gibt es Leben dort draußen?
Ist unsere Erde einzigartig? Die Astronomie kommt der Antwort auf diese vielleicht grundlegendste Frage immer näher. Das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (Eso) und seine raumfüllenden Instrumente sind bereits in der Lage, die Orte abzubilden, an denen erdähnliche Planeten entstehen könnten. Das James-Webb-Weltraumteleskop durchkämmt das Infrarotlicht, das diese jungen Scheiben aus Staub und Gas aussenden, und findet Signaturen komplexer Moleküle, die die Grundbausteine erdähnlicher Planeten und sogar des Lebens sind. Die nächste Revolution soll das bald größte Teleskop der Welt im Jahr 2028 einläuten, das dann sowohl im sichtbaren als auch im infraroten Licht beobachten wird. Es könnte das erste Teleskop sein, das Leben auf extrasolaren Planeten nachweist. Die Baustelle des Extremely Large Telescopes (ELT) lässt bereits heute die Ausmaße der Kuppelkonstruktion erahnen, vergleichbar mit dem Kolosseum in Rom.
Darum Astronomie!
Mit immer besseren Instrumenten und immer mehr Daten zeigt sich das Universum in immer neuen Formen und Details. Doch jede neue Erkenntnis wirft auch neue Fragen auf. Zum Beispiel, warum der Großteil des Kosmos aus Dunkler Materie und Dunkler Energie besteht – über die wir bis heute kaum etwas wissen.
Weltbilder hat es in der Geschichte der Menschheit viele gegeben und nicht selten spielten dabei die Gestirne eine entscheidende Rolle. Vom Sinnbild der Götter bis zur wissenschaftlichen Vermessung: Der Blick in den Nachthimmel schuf die Grundlage für eine Vielzahl von Perspektiven auf unsere Welt. Welche Rolle hat die Astronomie heute – in Zeiten, in denen Einigen der Blick auf unseren Heimatplaneten drängender scheint als der Blick ins All? Jede Suche nach neuen Welten erzählt auch eine Geschichte über die Einzigartigkeit und Verletzlichkeit unseres Planeten. Daten aus der astronomischen Forschung helfen uns, den Klimawandel zu verstehen. Und nicht zuletzt zeigt astronomische Forschung, was in großen internationalen Kooperationen gemeinsam gelingen kann.
Unser Wissen über das Universum ist in den letzten 100 Jahren unvorstellbar schnell gewachsen. Den Forschenden stehen Hochleistungsteleskope und Raumsonden zur Verfügung, die Einblicke in die Tiefen des Universums erlauben. Supercomputer werten die riesigen Datenmengen aus. So können kosmische Phänomene in bisher nicht gekannter Genauigkeit untersucht werden. Hochkomplexe Computermodelle ermöglichen es, die Entstehung des Universums immer genauer nachzuvollziehen. Auch über die Dunkle Materie und Dunkle Energie gibt es immer mehr Erkenntnisse, auch wenn die Forschenden sie noch nicht direkt nachweisen können.
Licht als universeller Informationslieferant
In der Antike versuchten Naturphilosophen jene Welt zu erklären, die sie vor sich sahen. Mit der Erfindung des Fernrohrs begann eine neue Ära: 1610 entdeckte Galileo Galilei mit einfachen Mitteln vier der Monde, die den Planeten Jupiter umkreisen. Nur wenige hundert Jahre später errichten internationale Forschungskonsortien ganze Teleskopkathedralen auf hohen Bergen. Zum Beispiel das Very Large Teleskope (VLT) auf dem Paranal in der chilenischen Atacamawüste, eines der höchstentwickelten optischen Instrumente der Welt. Hier führte das Team um Reinhard Genzel die Untersuchungen zum schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße durch, für die er 2020 den Nobelpreis für Physik erhielt.
In der Astronomie spielt nicht nur das sichtbare Licht eine wichtige Rolle. Denn das Universum erstrahlt auch in Wellenlängen, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben. Forscherinnen und Forscher nutzen das gesamte elektromagnetische Spektrum von Radiowellen bis hin zur harten Gammastrahlung, um ein umfassendes Bild des Universums zu zeichnen.
Viele Augen sehen mehr als zwei
Manchmal reicht auch das größte Teleskop nicht aus, um weit entfernte oder ganz besondere astronomische Objekte wie etwa ein Schwarzes Loch sichtbar zu machen. Kommt Materie oder gar Licht einem Schwarzen Loch zu nahe, gibt es kein Entkommen. Ein Schwarzes Loch abzubilden, ist also eigentlich unmöglich. Und doch gelang Radioastronominnen und -astronomen in einer weltweiten Kooperation genau das. Indem sie mehrere Radioteleskope auf verschiedenen Kontinenten nanosekundengenau zusammenschalten, erzeugen sie ein virtuelles Teleskop mit dem Durchmesser der Erdkugel – das Event Horizon Teleskope (EHT). Das Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn ist ein Partner in diesem Unterfangen. Dort werden auch große Teile der riesigen Datenmengen ausgewertet, die dieses Teleskopnetzwerk liefert.
Das weltweit erste Bild eines Schwarzen Lochs veröffentlichte die EHT-Kollaboration im Jahr 2019. Es zeigt das besonders massereiche Schwarze Loch im Zentrum der Riesengalaxie M87. Inzwischen gibt es auch ein „Porträtfoto“ von Sagittarius A*, dem Schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße.
So nah und doch so fern – unsere Heimat im All
Lange Zeit hielt sich der Mensch für den Mittelpunkt des Kosmos. Doch unser Sonnensystem nimmt im Universum einen eher bescheidenen Platz ein. Es liegt im Orion-Arm der Milchstraße, unserer Heimatgalaxie, und umkreist das Zentrum der Milchstraße in einem Abstand von 25.000 bis 28.000 Lichtjahren. Allein in der Milchstraße, einer flachen Spiralgalaxie, gibt es neben unserer Sonne noch hunderte Milliarden weiterer Sterne.
Obwohl wir heute dank der astronomischen Forschung viel über unser Sonnensystem wissen, gibt uns unsere nähere Umgebung noch viele Rätsel auf. Durch die – in astronomischen Maßstäben – relativ geringen Distanzen lässt sich das Sonnensystem mit Raumsonden erkunden. Ausgestattet mit modernsten Messgeräten und Kamerasystemen, senden diese unbemenschten Flugkörper Daten zur Erde, aus denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Zusammensetzung der Atmosphäre eines Planeten oder der Oberfläche eines Asteroiden bestimmen.
Die Sonde Solar Orbiter, die am 10. Februar 2020 startete, ist der Sonne bereits jetzt so nah wie nie eine andere zuvor. Zum ersten Mal wird sie auch die Pole der Sonne erkunden. Das Team um Sami Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung erhofft sich von dieser Mission entscheidende Erkenntnisse zum Sonnenwind und über die Entstehung des Magnetfelds der Sonne. Beides hat weitreichende Folgen auch für die Erde.
Der Kosmos bebt
Wenn im All große bewegte Massen – wie zum Beispiel zwei schwarze Löcher – aufeinandertreffen, bebt die Raumzeit. So hat es Albert Einstein vor über hundert Jahren in seiner allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben. Er selber glaubte nicht daran, dass Menschen diese Gravitationswellen jemals messen könnten. Zu schwach sind die Signale, wenn sie auf der Erde ankommen.
Doch trotz Einsteins Skepsis war es am 14. September 2015 soweit: Zwei große Detektoren in den USA haben zum ersten Mal in der Geschichte Gravitationswellen gemessen. An diesem Erfolg hat das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam und Hannover entscheidenden Anteil. Hier wurden wesentliche Teile der höchstempfindlichen Messgeräte entwickelt und gebaut. Und über Berechnungen und Simulationen schuf man dort die Grundlagen dafür, dass die eigentlichen Signale in der Flut der Messdaten überhaupt erkannt werden konnten. Denn obwohl bei kosmischen Katastrophen wie der Kollision von Neutronensternen gigantische Mengen an Energie freigesetzt werden, ist das, was davon auf der Erde ankommt, eher ein zartes Zittern im Rauschen des Weltalls.
Erstmals steht Astronominnen und Astronomen nun eine Art von Information zur Verfügung, die nicht auf elektromagnetischer Strahlung, also Licht, beruht. Damit erhalten sie neue Erkenntnisse über den Kosmos, möglicherweise sogar über die erste kurze Zeitspanne direkt nach dem Urknall, die undurchsichtig für Licht war.