Ansatz zur Behandlung von Muskelschwund entdeckt
Utrophin-Anstieg in Muskelzellen normalisiert Zellfunktion bei Duchenne Muskeldystrophie
Die Duchenne Muskeldystrophie ist eine seltene Erbkrankheit mit schwerwiegenden Folgen wie Muskelschwund. Verursacht wird dies durch Mutationen im Dystrophin-Gen, infolge dessen die Genaktivität gestört ist. Dadurch werden lediglich mRNA-Fragmente statt intakter mRNA-Ketten gebildet. Forschende vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung haben nun entdeckt, dass der Abbau der mRNA-Fragmente so gesteuert werden kann, dass vermehrt Utrophin gebildet wird. Dieses kann dann das fehlende Dystrophin kompensieren. Die Ergebnisse könnten den Weg für neue Therapien bei der Duchenne Muskeldystrophie und anderen genetisch bedingten Erkrankungen ebnen.

Bei der Duchenne Muskeldystrophie (DMD) handelt es sich um eine schwere Muskelerkrankung, die vor allem Jungen betrifft. Die Erkrankung verläuft chronisch und beginnt bereits im Kindesalter. Die Lebenserwartung bei den betroffenen Patienten ist deutlich verkürzt. Verursacht wird die bislang nicht heilbare Erkrankung durch Mutationen im Dystrophin-Gen. Dieses liegt auf dem X-Chromosom. Dystrophin ist für die Stabilität der Zellmembran in Muskelfasern wichtig. Durch den Gendefekt fehlt Patienten Dystrophin, so dass die Muskelzellen in ihrer Funktion eingeschränkt sind und die Muskulatur zunehmend geschwächt wird.
Die Behandlung von Duchenne Muskeldystrophie beschränkt sich bislang in der Regel darauf, mit geeigneten Verfahren die Muskelfunktion so lange wie möglich zu erhalten. Zudem werden erste Gentherapien eingesetzt, mit denen die Produktion von Dystrophin in den Muskelzellen gesteigert werden soll. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Abteilung von Didier Stainier am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben nun in einer Studie entscheidende neue Erkenntnisse über die genetischen Zusammenhänge bei der Entstehung der DMD gefunden, die die Grundlage für neue therapeutische Ansätze darstellen könnten.
Mehr Utrophin durch transkriptionale Adaptation
Im Zentrum steht dabei neben Dystrophin ein zweites Protein namens Utrophin. Beide Proteine sind miteinander verwandt. „Bereits früher war bekannt, dass eine vermehrte Produktion von Utrophin fehlendes Dystrophin zumindest in Teilen kompensieren kann“, so Lara Falcucci, Erstautorin der Studie. „Wir konnten nun erstmals in menschlichen Muskelzellen zeigen, dass auf der Ebene der Genaktivität ein als transkriptionale Adaptation bezeichneter Prozess dazu in der Lage ist, die Produktion von Utrophin zu verstärken.“
Bislang war dies nur von tierischen Organismen wie dem Fadenwurm C. elegans, Zebrafisch und Maus bekannt. „Bei DMD ist das Dystrophin-Gen zwar vorhanden, verschiedene Mutationen verhindern jedoch die korrekte Produktion des Proteins. Zusätzlich bewirken einige Dystrophin-Mutationen, dass die vom Gen abgeschriebene mRNA in Fragmente zerfällt. Diese wiederum übernehmen neue Funktionen bei der Regulation anderer Gene", erklärt Mitautor Christopher Dooley.
Transkriptionale Adaptation als Therapieansatz?
Die Max-Planck-Wissenschaftler haben nun an kultivierten Zellen von DMD-Patienten gezeigt, dass die Dystrophin-mRNA-Fragmente in den Zellen eine verstärkte Produktion von Utrophin verursachen. „Der Mechanismus dahinter ist die transkriptionale Adaptation. Wenn man den Zerfallsmechanismus der Dystrophin-mRNA reguliert, kann man auf diese Weise die Produktion von Utrophin in den Zellen kontrollieren. Dies stellt einen Anknüpfungspunkt für eine Therapie dar“, so Falcucci.
Didier Stainier, Direktor am Max-Planck-Institut, ordnet die Erkenntnisse der Studie ein: „Die transkriptionelle Adaptation ist ein faszinierender Prozess, der es uns erlaubt, die Folgen von Genmutationen zu entschärfen.“ Die Studie hat das Verständnis über die Abläufe genetischer Kompensationen wie der transkriptionellen Adaptation in Zellen grundlegend verbessert. „Wir sind davon überzeugt, damit die Tür für die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze zur Behandlung der Duchenne Muskeldystrophie geöffnet zu haben. Insbesondere könnte dies für Patienten mit bislang schwer zu adressierenden Mutationen der Fall sein,“ so Stainier.