Soziale Ungleichheit wächst mit der Stadt

Sowohl in antiken römischen als auch in moderen Städten hängen Bevölkerungsgröße und die Vermögen der Eliten zusammen

Je mehr Menschen in einer Stadt leben, desto größer sind der Reichtum der städtischen Eliten und die soziale Ungleichheit. Diesen Zusammenhang haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Geoanthropologie sowohl in antiken römischen als auch modernen Städten gefunden. Es handelt sich also offenbar um ein Kennzeichen von Städten, das unabhängig von der historischen Epoche und der Kultur ist. Die Studie zeigt zudem, dass die zunehmende soziale Ungleichheit in wachsenden Städten durch das Wachstum selbst verursacht wird. Das Autorenteam kommt zu dem Schluss, dass es nicht ausreicht, etwa das Steuersystem zu ändern, um die Ungleichheit zu reduzieren.

Seitdem der Mensch Städte baut, gelten diese als Zentren unbegrenzter Möglichkeiten und gleichzeitig als Abbild der Schere zwischen Arm und Reich. Während sich dies in der Antike noch über die Hausgröße, Monumentalbauten und wohlwollenden Inschriften über die Herrscher und Mäzenen ausdrückte, sehen wir heute Luxushochhäuser neben zurückgelassenen Vierteln sowie Zeltstädte in den Schatten öffentlicher Gebäude.

Dieser Kontrast wirft wichtige Fragen auf: Ist diese urbane Ungleichheit nur ein Zufall oder handelt es sich dabei um ein tiefer verwurzeltes Phänomen? Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Geoanthropologie, die im Fachmagazin Nature Cities erschienen ist, versucht diese Fragen zu beantworten. Die Forschenden verglichen antike und moderne Städte und haben dabei Gemeinsamkeiten bei der Verteilung und dem Ausdruck von Wohlstand im urbanen Raum festgestellt. Grundlegende Mechanismen, die mit dem Wachstum der Städte verbunden sind und moderne Wirtschaftsaktivitäten prägen — und auch Städte reicher und produktiver machen — könnten demnach auch das Vermögen der Oberschicht und Eliten vergrößern. In anderen Worten: Was eine Stadt wohlhabender macht, könnte sie zugleich auch ungleicher machen.

Zusammenhang zwischen Stadtwachstum und sozialer Ungleichheit?

„Unsere Forschung lässt vermuten, dass Ungleichheit eben kein nur unglücklicher Zustand ist, der in Städten zufällig auftritt,“ so Hauptautor Christopher Carleton. „Vielmehr entwickelt sich die Ungleichheit gemeinsam mit den Städten und folgt vorhersagbaren Skalierungsmustern. Vieles deutet darauf hin, dass Ungleichheit kein Nebeneffekt des städtischen Lebens unter bestimmten kulturellen oder ökonomischen Bedingungen ist, sondern die Folge des urbanen Wachstums selbst.“ So wird das städtische Leben hinsichtlich der Infrastruktur und der ökonomischen Prozesse effizienter organisiert, wenn eine Stadt wächst. Und das mehrt auch den Wohlstand. Dieser ist allerdings ungleich verteilt. Als Beispiel führen die Forschenden San Francisco an. Dort hat mit dem Boom der Techindustrie der Reichtum zugenommen, aber auch die Kluft zwischen den Einwohnern, die besonders gut verdienen, und den weniger privilegierten Menschen hat sich vergrößert, sodass sich viele Einwohner heute kaum noch eine angemessene Wohnung leisten können.

Für ihre Studie analysierten die Forschenden Daten von antiken römischen und modernen Städten, um zu untersuchen, wie Wohlstand – insbesondere der Wohlstand der Oberschicht – sich mit der Stadtgröße entwickeln. Die Daten für römische Städte umfassten die Anzahl der Denkmäler und der Inschriften, die elitären Mäzenen gewidmet wurden. Die Daten für moderne Städte gaben zum einen die Menge der sehr hohen Gebäude wieder, also der Wolkenkratzer wie den Burj Khalifa oder den Trump Tower, zum anderen die Anzahl der Milliardäre pro Stadt. Mithilfe statistischer Skalierungsmethoden testeten die Forschenden die mathematischen Beziehungen zwischen der Stadtgröße und Indikatoren für den Wohlstand der Oberschicht. Die Ergebnisse zeigen, dass der Wohlstand der Oberschicht zwar mit der Bevölkerungszahl zunimmt, der Reichtum ab einer bestimmten Größe einer Stadt aber langsamer wächst.

Vermögensaufbau von Eliten verlangsamt sich mit zunehmender Stadtgröße

Insgesamt zeigen die Untersuchungen, dass die Lösung des Problems der Ungleichheit möglicherweise komplexer ist als eine Änderung des Steuerrechts oder eine Anpassung der bestehenden Politik. Um den zunehmenden Herausforderungen des Anthropozäns zu begegnen, suchen die Forschenden am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie daher weiter nach historischen Erkenntnissen, um die drängenden Fragen der Gegenwart zu beantworten. Co-Autor Patrick Roberts fasst diese Fragen zusammen: „Führen verschiedene Arten der Stadtplanung zu unterschiedlichen Ausprägungen von Ungleichheit? Gibt es historische Beispiele, in denen die Ungleichheit gemildert wurde, obwohl die Städte wuchsen und der Wohlstand insgesamt zunahm?“ Die Antworten auf diese Fragen könnten Wissenschaft und Politik helfen, wirksame Maßnahmen gegen Ungleichheit zu entwickeln.

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In Städten hängt die Bevölkerungsgröße damit zusammen, wie viel Vermögen der Oberschicht etwa in monumentale Gebäude investiert wird. Diese Korrelation besteht offenbar zeit- und kulturübergreifend.
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