Universalien der Musik
Musikalischer Ausdruck von Freude, Trauer und Angst wird universell verstanden
Emotionaler musikalischer Ausdruck überwindet problemlos die Grenzen zwischen den Kulturen. "Der emotionale Ausdruck von Freude, Trauer oder Angst in Gesichtern, Prosodie, und wie wir jetzt herausgefunden haben in Musik, wird universell verstanden", sagt Thomas Fritz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Dies könnte erklären, warum westliche Musik weltweit so stark Verbreitung findet. (Current Biology, online, 19. März 2009)
Ob das Verstehen von Emotion in der Musik den Menschen in die Wiege gelegt wird, oder ob sie dieses erst erlernen müssen, wird wissenschaftlich schon lange theoretisch diskutiert. Dennoch hat es bislang keine eindeutigen Untersuchungen dazu gegeben. Mit zwei aufeinander aufbauenden Experimenten zur Musikwahrnehmung ist Fritz der Antwort auf diese Frage ein gutes Stück nähergekommen. So haben seine Untersuchungen deutlich gezeigt, dass auch Menschen, die noch nie zuvor westliche Musik gehört hatten, die Basis-Emotionen Freude, Trauer und Angst problemlos in westlicher Musik erkennen. Auch stellte sich heraus, dass offenbar überall auf der Welt Menschen konsonante Musik lieber hören als dissonante Klänge. Allerdings konnte er dabei feine Unterschiede zwischen den Kulturen verzeichnen. "Es hat sich gezeigt, dass für westliche Hörer der gefühlte Unterschied zwischen Konsonanz und Dissonanz aufgrund kultureller Prägung größer ist", erklärt der Forscher vom Max-Planck Institut in Leipzig.
Um eindeutige Aussagen über musikalische Universalien treffen zu können, musste Fritz Versuchsteilnehmer finden, die noch nie in irgendeiner Weise mit westlicher Musik in Berührung gekommen waren. Diese Grundbedingung sei für das Experiment von entscheidender Bedeutung gewesen, betont der Forscher. "Denn Menschen eignen sich musikalisches Wissen bereits dann an, wenn sie nur passiv Musik hören, die irgendwo im Hintergrund läuft, zum Beispiel im Radio oder begleitend zu einem Film. Die Untersuchung musikalischer Universalien muss daher mit Menschen passieren, die musikkulturell absolut isoliert voneinander aufgewachsen sind." In Kamerun stieß er schließlich bei den Mafa - einer Ethnie des Mandaragebirges - auf Versuchsteilnehmer, die noch nie westliche Musik gehört hatten. Überdies produzierten sie selbst eine Musik, die wiederum den Probanden einer westlichen Gruppe vollkommen fremd war.
Im ersten der zwei Experimente untersuchten die Wissenschaftler gezielt die Fähigkeiten der Probanden, Freude, Trauer und Angst in der jeweils fremden Musik zu erkennen. Dafür wurden den Mafa und einer westlichen Kontrollgruppe kurze Klavierstücke vorgespielt, die nach den Prinzipien des westlichen Tonsatzes so komponiert waren, dass sie die jeweiligen Emotionen ausdrückten. Nach jedem Stück sollten die Mafa die Klavierstücke identifizieren, indem sie diese Abbildungen von Gesichtsausdrücken zuordneten, von denen bereits gezeigt wurde, dass sie universell erkannt werden. "Dieses erste Experiment zeigte uns, dass die drei untersuchten emotionalen Ausdrücke in westlicher Musik von den Mafa erfolgreich erkannt wurden", so Fritz. Dabei wirkten die musikalischen Parameter Tempo und Tongeschlecht auf sie in ähnlicher Weise wie auf westliche Hörer. "So wurde Musik mit schnellen Tempi in beiden Gruppen tendenziell als fröhlich empfunden. Für traurige und beängstigende Empfindungen war dagegen weniger das Tempo, dafür aber das Tongeschlecht maßgebend."
In ihrem zweiten Experiment ging es den Forschern um die Frage, ob angenehmes oder unangenehmes Empfinden interkulturell gleichartig durch westliche Musik und Mafamusik vermittelt wird. "Bereits bekannt war, dass konsonante Klänge in westlichen Ländern als angenehmer empfunden werden als dissonante", beschreibt Fritz die Ausgangslage. "Davon ausgehend wollten wir herausfinden, ob dasselbe auch für die Mafa zutrifft." Tatsächlich zeigten auch diese eine deutliche Vorliebe für konsonante Klänge - allerdings scheint für sie der gefühlte Unterschied zwischen Konsonanz und Dissonanz nicht so groß zu sein, wie sie westliche Hörer empfinden. "Wenn ein Mafa-Hörer ein Musikstück mag, dann mag er meistens auch dessen dissonant verfremdetes Gegenstück, nur eben konsistent weniger", so der Forscher über den feinen interkulturellen Unterschied im Hörempfinden, "mir persönlich zieht es bei den dissonant verfremdeten Musikstücken die Socken aus, und so geht es den meisten westlichen Hörern".