Ada Lovelace und das erste Computerprogramm der Welt
Anna Siffert vom Max-Planck-Institut für Mathematik erklärt, warum Ada Lovelace als Pionierin der modernen Informatik gilt
Am 10. Dezember 1815 kommt sie als Augusta Ada Byron zur Welt, Tochter von Anne Isabella Noel-Byron und dem bekannten englischen Dichter Lord Byron. Kurz nach der Geburt ist die Ehe auch schon wieder vorbei. Aus Angst die Tochter könnte das stürmische und unberechenbare Temperament des dichtenden Vaters erben, lässt die Hobby-Mathematikerin Annabella, von Byron einst "Prinzessin der Parallelogramme" genannt, Ada eine naturwissenschaftliche Ausbildung zukommen.
Die 12-jährige Ada, vor allem von Maschinen fasziniert, möchte am liebsten eine Flugmaschine erfinden – leider erfolglos. Doch die Liebe für Maschinen ist es, was Ada Lovelaces Freundschaft zu dem Mathematiker Charles Babbage begründet, den sie mit 17 Jahren auf einem Empfang kennenlernt, und der zu diesem Zeitpunkt an einem Prototyp seiner Differenzmaschine arbeitet, "The Difference Engine". Sie korrespondiert mit Babbage über Jahre hinweg. 1848 übersetzt Ada auf seinen Wunsch einen französischen Artikel über sein zweites Projekt, seinen „Analytical Engine“, ins Englische. Dazu verfasst sie ihre eigenen Erläuterungen. Ihre insgesamt acht detaillierten Anmerkungen, schlicht "Notizen" genannt, haben die dreifache Länge des ursprünglichen Artikels und legen dar, was Ada als das Potential der Maschine sieht – denn sie begreift, dass es sich um mehr als nur um eine Gerät für numerische Berechnungen handelt.
Da die Funktionen des Analytical Engine nicht festgelegt sind, können sie auch für andere Dinge als Zahlen angewandt werden: "Der analytische Automat nimmt einen Rang ganz für sich allein ein", schreibt sie. Mit ihrer Vision von einer Maschine, die auch Musiknoten, Buchstaben und Bilder verarbeiten könnte, hat sie die Informatik um 100 Jahre vorausgedacht. In der inzwischen legendären Notiz G fügt Lovelace auch eine Anleitung zur Berechnung von Bernoulli-Zahlen" bei, einen Algorithmus in grafischer Darstellung – und wird damit die erste Programmiererin der Welt.
Frau Siffert, was fasziniert Sie an der Wissenschaftlerin Ada Lovelace?
Ihr wissenschaftliches Werk. Dieses ist, vollkommen unabhängig von der Person, herausragend. Ungefähr ein Jahrhundert bevor Konrad Zuse die erste programmierbare Rechenmaschine konstruierte, schrieb Ada Lovelace in den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts das erste Computerprogramm der Welt. Gemessen an dem Stand der Forschung der damaligen Zeit ist ihr Werk visionär.
Bezeichnend ist, dass ihr wissenschaftlicher Beitrag zu ihren Lebzeiten kaum Anerkennung fand. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts, mit Beginn des Computerzeitalters, wurde die Bedeutung ihrer Schriften erkannt. Heutzutage ist sie weltberühmt, nicht zuletzt, weil in den 1970er-Jahren die Computersprache ADA nach ihr benannt wurde. Aufgrund ihrer Leistungen wird sie zu Recht als Pionierin der modernen Informatik bezeichnet.
Mich fasziniert auch, wie viel Mut Ada Lovelace aufbringen musste, um ihren Traum einer wissenschaftlichen Karriere trotz erheblicher gesellschaftlicher Widerstände zu realisieren. Diese Tatsache trifft natürlich auf alle Wissenschaftlerinnen jener Zeit zu und macht deren Werke im Nachhinein umso beeindruckender. Neben ihrer wissenschaftlichen Karriere zog Ada zudem drei Kinder auf.
Was war das gängige Frauenbild in der Zeit von Ada Lovelace?
Die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts war patriarchalisch: Frauen wurden zum Zuschauen verdammt; sie wurden weder als selbstständig noch als mündig betrachtet. Der Mann war das klassische Familienoberhaupt. In dem Idealbild der damaligen Zeit wurden die Aufgaben der Ehe- beziehungsweise Hausfrau und Mutter zur einzigen Bestimmung der Frau erklärt. Ausnahmen waren Bauersleute, wo üblicherweise jeder auf dem Hof mit anpackte.
Die Ausbildung von Frauen zielte darauf ab, sie zu Ehefrauen und Müttern zu machen. So war zu jener Zeit Frauen in Großbritannien der Zugang zu Universitäten und wissenschaftlichen Bibliotheken verwehrt. Neben solchen Restriktionen hatten Frauen mit erheblichen Vorurteilen zu kämpfen; so gab es beispielsweise ‘wissenschaftliche’ Begründungen, weshalb Frauen nicht zum Studium befähigt seien. Die Frauenbewegung der Sufragetten nahm in Großbritannien erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihren Ursprung, gut 50 Jahre nach Ada Lovelaces Tod 1852.
Wie hat es Ada Lovelace geschafft, ihren Weg zu gehen?
Zunächst einmal wurde Ada Lovelace in eine wohlhabende Familie geboren. So war ihr Vater, Lord Byron, einer der größten Poeten der damaligen Zeit. Er verließ die Familie jedoch kurz nach Adas Geburt, sodass diese bei ihrer mathematisch interessierten Mutter aufwuchs.
Adas Mutter ermöglichte ihr eine naturwissenschaftliche Ausbildung bei den besten Tutoren. Einen entscheidenden Einfluss auf Ada Lovelaces späteres Hauptwerk, die Notes, hatte der berühmte Logiker Augustus De Morgan, bei dem Ada Unterricht nahm.
Im Zuge ihrer Ausbildung lernte sie zudem den Mathematiker Charles Babbage kennen, welcher Rechenmaschinen erfand. 1842 hielt er einen Vortrag über seine neueste Erfindung, die Analytical Engine. Der italienische Mathematiker Luigi Menabrea verfasste einen Bericht über diesen Vortrag auf Französisch. Ada Lovelace übersetzte diesen Bericht mit Hilfe von Charles Babbage ins Englische und ergänzte diesen durch eigene Kommentare. Aus diesen Notes geht hervor, dass Ada in der Analytical Engine einen Computer sah. Darauf beruht ein großer Teil ihres heutigen Ruhms.
Ada Lovelace erhielt darüber hinaus Unterstützung von ihrem Mann, William King. Er schrieb in Bibliotheken Artikel für Ada ab, da ihr als Frau der Zugang zu solchen untersagt war.
Welchen Einfluss hatte Ada Lovelaces Forschung in dem Gebiet der Informatik heute?
Hätte Ada nicht das erste Computerprogramm geschrieben, so hätte dies irgendwann jemand anderes gemacht. Die Bedeutung ihres Werks liegt darin, dass sie die erste war, und zwar ein Jahrhundert vor der Erfindung des Computers. Praktischen Nutzen hat ihr Programm heutzutage natürlich keinen.
Viel hat sich gebessert, aber wirklich gut bestellt ist es um die Karrieremöglichkeiten von Frauen in der Wissenschaft auch heute noch nicht. Was hat sich an der Situation von Frauen in der Wissenschaft geändert?
Das Rollenbild der Frau ist bei Weitem nicht mehr so starr definiert wie noch im 19. Jahrhundert. Inzwischen haben Frauen auf dem Papier dieselben Rechte wie Männer. Ungleichberechtigungen gibt es heutzutage jedoch immer noch, z. B. beim Gehalt. Bei gleichwertigen Leistungen im Vergleich zu männlichen Kollegen beziehen Frauen oft signifikant weniger Gehalt.
Die MINT-Berufe, Mathematik, Ingenieurswesen, Naturwissen- und Technikwissenschaften, sind immer noch männerdominiert. Was ist Ihrer Meinung nach notwendig, damit sich mehr Mädchen dafür begeistern und damit mehr Frauen auch in diesen Berufen arbeiten?
Kulturelle Voreingenommenheit oder Geschlechterklischees spielen in Deutschland meiner Meinung nach nur eine untergeordnete Rolle. Vorbilder sind zudem vorhanden. Ich denke, dass vielmehr oft die mangelnde Vereinbarkeit einer wissenschaftlichen Karriere mit der Gründung einer Familie ein Faktor ist, wenngleich in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr viele Programme geschaffen wurden, um dies zu verbessern.
Der Arbeitgeber muss die Vereinbarkeit von Wissenschaftskarrieren mit der Gründung einer Familie gewährleisten. Zudem sind die Arbeitsbedingungen im Vergleich zur Wirtschaft oft schlechter. Gerade für Wissenschaftlerinnen mit Familie sind Angebote für die Kinderbetreuung unerlässlich.
Darüber hinaus wären zum Beispiel eine frühere Entfristung der Arbeitsverträge sowie die Schaffung von zusätzlichen Stellen wünschenswert. Dies würde Planungssicherheit liefern und somit die Attraktivität einer wissenschaftlichen Karriere erhöhen.
Wie sinnvoll sind Mentoring-Programme?
Grundsätzlich halte ich diese für sehr sinnvoll, jedoch sollten sie meiner Meinung nach für Frauen und Männer angeboten werden. Ich sehe es durchaus kritisch, dass Männer von bestimmten Förderprogrammen aufgrund ihres Geschlechts ausgeschlossen werden.
Welche Vorbilder sehen Sie für Frauen in der Wissenschaft?
Jede muss ganz alleine für sich entscheiden, wen sie sich als Vorbild nimmt. Heute gibt es sicherlich in jeder Disziplin sehr erfolgreiche Wissenschaftlerinnen, die sich als Vorbild eignen.
Welchen Ratschlag würden Sie jungen Frauen geben, die überlegen, den Beruf der Wissenschaftlerin zu wählen?
Dass sie es auf jeden Fall versuchen sollten!
Die Fragen stellte Tanja Rahneberg.