Stellungnahme des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft zum Krieg in der Ukraine
Martin Stratmann zum Krieg in der Ukraine
„Alle Nationen müssen zu der Entscheidung kommen, freiwillig auf die Gewalt als letztes Mittel der Politik zu verzichten. Sind sie dazu nicht bereit, so werden sie aufhören, zu existieren.“ Mit diesem Satz schließt die Mainauer Deklaration aus dem Jahr 1955. Initiiert hatte sie der erste Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Otto Hahn. Er war nach dem Zweiten Weltkrieg einer der einflussreichsten Vorkämpfer für globale Völkerverständigung und internationale Entspannungspolitik.
Wir möchten mit diesem Zitat an die Deklaration erinnern, denn sie ist aktueller denn je. Dass 2022 wieder ein Krieg im Herzen Europas ausbricht, haben wir uns alle nicht vorstellen können bzw. wollen. Dass darüber hinaus ein Diktator – und nichts anderes ist der russische Präsident – den Völkern Europas unverhohlen mit einem Nuklearschlag droht, ist unerträglich. Die Max-Planck-Gesellschaft verurteilt den von Präsident Putin ausgelösten Krieg gegen die Ukraine zutiefst. Er ist ein Bruch des Völkerrechts und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft möchte ich allen Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine, insbesondere den uns kooperativ verbundenen ukrainischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, den Mitgliedern der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften unser Mitgefühl und unsere Solidarität aussprechen. Ich weiß, dass die bei uns tätigen etwas mehr als 80 ukrainischen Kolleginnen und Kollegen jetzt in großer Sorge um Familie und Freunde sind. Bitte geben Sie uns Bescheid, wo und wie wir unterstützen können.
Ich habe unsere Institute darüber informiert, dass die Max-Planck-Gesellschaft bereit ist, kurzfristig und unbürokratisch zentrale Mittel zur Verfügung zu stellen, um den mit Max-Planck-Instituten verbundenen ukrainischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Fortsetzung ihrer Arbeit mit Unterstützung lokaler Stipendienprogramme zu ermöglichen. Ich hoffe, dass wir damit im Rahmen unserer Möglichkeiten wenigstens einen kleinen Beitrag leisten können, um ihr Leid sowie das ihrer Familien etwas zu lindern.
Zugleich sehen wir, dass es auch deutliche Kritik aus der russischen Zivilgesellschaft gibt. Dass die Proteste nicht lauter sind, darf uns nicht verwundern – es bedarf in dieser Zeit großen Mutes, um sich kritisch gegen das russische Regime zu äußern, viele Tausend sind deshalb bereits inhaftiert worden. Auch das ist uns aus der eigenen Geschichte nur allzu vertraut: Am 22. Februar 1943 verurteilte der Volksgerichtshof im Schwurgerichtssaal des Justizpalastes in München die Mitglieder der Weißen Rose, Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst zum Tode. Ihr Verbrechen war es, die Wahrheit über den Krieg verbreitet zu haben, den damals Deutschland über die Welt gebracht hat ( 6. Flugblatt der Weißen Rose).
Vor wenigen Tagen haben russische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der Seite der vom Astrophysiker Boris Stern herausgegebenen Zeitschrift trv-science.ru einen Aufruf veröffentlicht, in dem sie sich deutlich gegen diesen Krieg aussprechen (deutsche Übersetzung): „Die Verantwortung für die Entfesselung eines neuen Krieges in Europa liegt allein bei Russland. Es gibt keine vernünftige Rechtfertigung für diesen Krieg“, heißt es in dem Aufruf gleich zu Beginn.
Bis zum 24. Februar hatten 2000 russische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschrieben und es kommen nach wie vor weitere hinzu (Stand 23.3.2022 gab es mehr als 8000 Unterzeichnende). Viele Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften haben unterzeichnet: „Die Isolierung Russlands von der Welt bedeutet eine weitere kulturelle und technologische Degradierung unseres Landes, die keine positiven Perspektiven bietet. Ein Krieg mit der Ukraine ist ein Schritt ins Leere. Wir sind uns bitter bewusst, dass unser Land, das entscheidend zum Sieg über den Nationalsozialismus beigetragen hat, nun zum Anstifter eines neuen Krieges auf dem europäischen Kontinent geworden ist. Wir fordern die sofortige Einstellung aller Militäraktionen gegen die Ukraine. Wir fordern die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität des ukrainischen Staates. Wir fordern Frieden für unsere Länder.”
Dieser Krieg wird auch zu schweren Verwerfungen und Einschränkungen in der Wissenschaft führen. Das ist umso trauriger, als es gerade auch in Kooperation mit russischen Kolleginnen und Kollegen wichtige Forschungsprojekte gibt, die einen Beitrag zur Lösung der drängenden globalen Probleme unserer Zeit, insbesondere dem Klimawandel leisten sollen. Die aktuelle Lage lässt uns aber leider keine Wahl. Deutschland wird Sanktionen daher auch im Bereich der Forschung anwenden, um auf die aktuelle Aggression des russischen Regimes zu reagieren.
Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft