Warum wir Weil-Sätze oft falsch sagen
Begrenzter Planungshorizont beim Sprechen führt zu typischem Grammatikfehler
In Unterhaltungen und spontanen Äußerungen machen selbst versierte Sprecher immer wieder Grammatikfehler. Das lässt sich besonders häufig bei Weil-Sätzen beobachten: Viele Sprecher sagen „weil das ist falsch“ statt „weil das falsch ist“. Warum das so ist, haben Gerard Kempen vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik und seine Koblenzer Kollegin Karin Harbusch jetzt herausgefunden: Danach führt ein zu kurzer Satzplanungshorizont beim Sprechen zur Fehlkoordination zwischen Satzformulierung und Wortwahl.
Über den Satz „Das sagt man nicht, weil das ist ja falsch.“ dürften die meisten Deutschen beim Lesen stolpern. Den Grund dafür können sie auch benennen: Das Verb „ist“ steht an der falschen Stelle des Nebensatzes: Es kommt so früh wie in einem Hauptsatz und damit zu früh. Obwohl die Regel allgemein bekannt ist und in der geschriebenen Sprache meist problemlos angewendet wird, passiert der Fehler im Mündlichen häufig.
Um der Ursache dafür auf den Grund zu gehen, haben Gerard Kempen vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen und Karin Harbusch von der Universität Koblenz-Landau eine große Sammlung gesprochener Dialoge herangezogen. Daraus filterten sie alle Kausalsätze (beginnend mit „weil“, „denn“ und „da“) heraus, die einem Hauptsatz folgen. Anhand der Datenlage konnten die beiden Forscher zeigen, dass falsche Weil-Sätze häufiger produziert werden, wenn die Sprechenden nicht mehr genügend Planungszeit bzw. -kapazität aufbringen können, um den komplexen Satz – bestehend aus Haupt- und Nebensatz – fertigzustellen. Wie der deutsche Schriftsteller Heinrich von Kleist bereits vor 200 Jahren in seinem bekannten Aufsatz „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ schrieb, wissen Sprecher in der Regel am Anfang des Satzes noch nicht, wie derselbe endet.
Es stellte sich heraus, dass der Sprecher nicht immer imstande ist, den Inhalt des Weil-Satzes und seine grammatisch korrekte Form im engen Zeitfenster der Äußerung präzise festzulegen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entscheidung, dem Hauptsatz einen Kausalsatz folgen zu lassen, oft erst später fällt. So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für eine Fehlkoordination zwischen Satzformulierung auf der einen und Wortwahl auf der andern Seite: Fiel die Entscheidung für „weil“ als Konjunktion, d.h. für einen Nebensatz, können Planungsprobleme bei der Satzformulierung dazu führen, dass das Vorhaben abgebrochen wird. Im Ergebnis manifestiert sich der Inhalt des Kausalsatzes nicht als Weil-Nebensatz mit dem Verb korrekterweise am Ende, sondern als neuer Satz - also als Hauptsatz, in dem das Verb an einer frühen Position steht.
Warum ersetzen die Sprechenden in dieser Situation nicht einfach „weil“ durch „denn“? Schließlich wäre die Formulierung „Denn das ist ja falsch“ grammatisch korrekt. Das Forschungsteam führt dieses Verhalten darauf zurück, dass „weil“ aufgrund seiner höheren Nutzungshäufigkeit im gesprochenen Deutsch schneller als „denn“ und „da“ im mentalen Vokabular verfügbar ist und damit die konkurrierenden Begriffe unterdrückt. Hinzu kommt noch, dass wegen des ziemlich häufigen Auftretens der skizzierten Planungsprobleme das Weil-mit-Hauptsatz-Szenario immer leichter ausgelöst wird.
MD/MEZ