Gravitationswellen, die Zweite
Forscher beobachten ein Signal von zwei schwarzen Löchern mit 14 und 8 Sonnenmassen
Das Signal wurde in LIGOs erstem Beobachtungslauf „O1“ am 26. Dezember 2015 um 4:38:54 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) von beiden LIGO-Instrumenten gemessen und GW151226 genannt. Die Welle erreichte den Detektor in Livingston 1,1 Millisekunden vor dem in Hanford. Das Ereignis war deutlich schwächer als das erste vom September 2015 und im Rauschen der Detektoren verborgen. Den Nachweis verdanken die Forscher letztlich der sogenannten Matched-Filter-Suche.
Eine derartige Suche vergleicht oder filtert die Daten mit vielen vorab berechneten Signalen, um die beste Übereinstimmung (englisch match) zu finden. Die berechneten Signale basieren auf den hoch präzisen Wellenformmodellen, die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) entwickelt haben. Sie erst ermöglichten dem LIGO-Team die Erkenntnis, dass das Signal von zwei verschmelzenden schwarzen Löchern stammt.
„Es ist fabelhaft, dass unsere Wellenformmodelle dieses schwache, aber so unglaublich wertvolle Gravitationswellen-Signal aus dem Rauschen extrahiert haben“, sagt Alessandra Buonanno, Direktorin am AEI in Potsdam und Professorin an der University of Maryland. „GW151226 stimmt perfekt mit unseren theoretischen Vorhersagen dafür überein, wie zwei schwarze Löcher einander mehrere Dutzend Mal umrunden und schließlich miteinander verschmelzen.“
Nach dem Aufspüren des Signals enthüllten Folgeanalysen, für die das AEI die Hälfte der Rechenleistung bereitstellte, die astrophysikalischen Eigenschaften des beobachteten Doppelsystems. Zum Einsatz kam dabei Atlas – der weltweit leistungsfähigste zur Gravitationswellen-Datenanalyse eingesetzte Supercomputer mit deutlich mehr Rechenleistung als die aller anderen Systeme der LIGO- und Virgo-Kollaborationen.
Demnach besteht das jetzt beobachtete System GW151226 aus einem schwarzen Loch mit der 14-fachen Masse unserer Sonne und einem weiteren mit 8 Sonnenmassen. Die beiden Schwerkraftfallen verschmolzen in einer Entfernung von rund 1,4 Milliarden Lichtjahren miteinander. Die Wissenschaftler fanden außerdem heraus, dass sich mindestens eines der beiden schwarzen Löcher um die eigene Achse drehte. Die Verschmelzung strahlte dann das Äquivalent von einer Sonnenmasse in Gravitationswellen-Energie ab und hinterließ ein rotierendes schwarzes Loch mit 21 Sonnenmassen.
Max-Planck-Forscher in der Simulating eXtreme Spacetime Collaboration haben dieses Szenario mit numerisch-relativistischen Simulationen untermauert. Sie berechneten Verschmelzungen schwarzer Löcher mit Eigenschaften wie denen von GW151226. Diese wiederum stimmten über die gesamte Signaldauer hervorragend mit den oben erwähnten Wellenformmodellen überein, die benutzt wurden, um die astrophysikalischen Merkmale der Quelle zu ermitteln. Das bestätigte ebenfalls, dass GW151226 von der Kollision zweier stellarer schwarzer Löcher im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie erzeugt wurde.
Das aus dem Detektorrauschen extrahierte Signal unterscheidet sich deutlich vom ersten empfangenen Signal. Weil die Massen der schwarzen Löcher kleiner sind, wurde das Signal von den Instrumenten dieses Mal über einen längeren Zeitraum, rund eine Sekunde lang, gemessen – und damit für etwa 27 Umrundungen der schwarzen Löcher vor der Verschmelzung. Beim Signal vom 14. September 2015 (GW150914) hatten sich nur etwa fünf Umläufe beobachten lassen.
Während der genannten einen Sekunde nahm die Frequenz der Gravitationswellen von 35 auf 430 Hertz zu. Die Maximalamplitude der relativen Längenänderung durch das Signal von 3×10-22 ist etwa dreimal schwächer als die des Signals GW150914.
„Nun müssen auch Skeptiker zugeben, dass unsere erste Messung kein statistischer Zufall war“, sagt Bruce Allen, Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Hannover. „Ich bin absolut zuversichtlich, dass wir in den nächsten paar Jahren Dutzende von ähnlichen Verschmelzungen schwarzer Löcher beobachten und dadurch viel über das Universum erfahren werden.“ Die in den vergangenen 20 Jahren erfundenen Methoden zur Datenanalyse hätten genauso gut funktioniert wie erhofft.
„Mit dieser zweiten Beobachtung sind wir wirklich auf dem Weg zur echten Gravitationswellen-Astronomie. Wir können nun anfangen, eine Vielzahl von Quellen auf der unbekannten dunklen Seite des Universums zu erforschen“, sagt Karsten Danzmann, Direktor am AEI in Hannover und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover. „Nach so vielen Jahren von Forschung, Entwicklung und Vorbereitung ist es sehr befriedigend, unsere Vision endlich wahr werden zu sehen.“
Der nächste Beobachtungslauf „O2“ von Advanced LIGO wird diesen Herbst beginnen und soll etwa sechs Monate lang dauern. Bis dahin sollen es weitere Verbesserungen in der Detektorempfindlichkeit LIGO erlauben, ein 1,5- bis 2-fach so großes Volumen des Weltalls zu erreichen wie bisher. Der in Ruthe nahe Hannover stationierte Gravitationswellen-Detektor GEO600 wird ebenfalls an dem Beobachtungslauf teilnehmen. Der Virgo-Detektor in Italien soll voraussichtlich in der zweiten Hälfte von „O2“ dazu stoßen.
KNI / HOR