Forschungsbericht 2021 - Friedrich-Miescher-Laboratorium für biologische Arbeitsgruppen in der Max-Planck-Gesellschaft
Meiotische DNA-Brüche und DNA-Rekombination
Einleitung
Die Meiose ist eine spezialisierte Form der Zellteilung, die zur Bildung von Eizellen und Spermien bei Tieren und Pollen oder Sporen bei Pflanzen führt. Die meiotische Rekombination ist es, die die unglaubliche Vielfalt des eukaryontischen Lebens bedingt. Jeder von uns trägt jeweils zwei Chromosomensätze, einen Satz von jedem Elternteil, die einander ähneln und als homologe Chromosomen bezeichnet werden. Wenn wir unser genetisches Material an unsere Nachkommen weitergeben, geben auch wir nur einen Teil unserer Chromosomen weiter, denn unsere Kinder erben ebenso eine Mischung der genetischen Substanz von allen vier ihrer Großeltern. Um gesunde Nachkommen zu erzeugen, muss sichergestellt sein, dass sie stets die korrekte Anzahl an Chromosomen erhalten. Daher müssen sich homologe Chromosomen zunächst durch Crossovers miteinander verbinden (Abb. 1).
Bildung von doppelsträngigen DNA-Brüchen
Die Verknüpfung homologer Chromosomen beginnt mit der Reorganisation des meiotischen Chromatins in einer spezialisierten Schleifen-Achsen-Architektur [1]. Danach werden programmierte doppelsträngige DNA-Brüche (DSBs) erzeugt, welche über Proteine gesteuert werden, die mit der Symmetrie-Achse der DNA assoziiert sind, aber in den Schleifen (Loops) stattfinden.
Kürzlich haben wir ein Schlüsselprotein gefunden, das die DNA-Achse mit der Schleife verbindet. Nachfolgend haben wir einen Teil der DSB-formenden Maschinerie aus der Bäckerhefe außerhalb der Zelle auf synthetischem Chromatin rekonstituieren können und untersuchten diesen Proteinkomplex mit einer Kombination aus biochemischen und strukturbiologischen Methoden. Wir fanden, dass Mer2, bei Säugern als IHO1 bekannt, durch Interaktion mit einem anderen Protein, Hop1 (HORMAD1), direkt auf der Achse lokalisiert werden kann. Mer2 wiederum verbindet sich auch direkt mit Nukleosomen, wahrscheinlich an der Schleife, und weist die DSB-bildende Maschinerie an, dort Brüche zu erzeugen. Mer2 bindet außerdem das Protein Spp1, das Regionen mit offen liegender DNA erkennt (Abb. 1B; [2]), wodurch die Platzierung meiotischer DSBs effizienter wird.
Sobald meiotische DSBs vorliegen, müssen sie schnell repariert werden. Auch dazu wird ein Teil der DNA-Bruchmaschine benötigt. Ein Komplex aus drei Proteinen, Mre11-Rad50-Xrs2 (MRX), wird anfangs an diejenige Position gebracht, wo deren Interaktion mit Mer2 die Bruchbildung ermöglicht [2]. MRX trägt dann zum ersten Schritt der Bruchreparatur bei, indem durch DNA-Abbau an der Bruchstelle einzelsträngige DNA (ssDNA) freigelegt wird. Die ssDNA wird nachfolgend mit Rekombinase-Enzymen beschichtet und bildet ein sogenanntes „präsynaptisches Filament“. Diese Filamente sind es, die dann in andere doppelsträngige DNA-Bereiche des jeweiligen homologen Chromosoms eindringen und nach passenden Regionen suchen. Sobald eine Region ähnlicher DNA-Sequenz gefunden wurde, kann der Prozess der Rekombination beginnen.
Rekombination und Interhomolog Bias
Während der Meiose hat die DNA-Reparaturmaschine zwei mögliche Vorlagen zur Auswahl. Eines ist das sogenannte „Schwesterchromatid“, das durch DNA-Replikation vor der meiotischen Rekombination entstanden ist. Das Schwesterchromatid ist identisch mit dem Chromatid, bei dem der DSB gebildet wurde, und die Meiose nutzt bevorzugt das homologe Chromosom als Vorlage. Das Homolog wird durch einen Mechanismus begünstigt - oder das andere wird nicht begünstigt - , der als Interhomolog Bias (IH) bezeichnet wird. Wir nehmen an, dass IH aufgrund der räumlichen Beschränkung einer Kinase - Mek1 - funktioniert. Mek1 bindet über Hop1 direkt an die meiotische Achse und verhindert so die DNA-Reparatur in seiner direkten Umgebung.
Im Verlauf der Meiose bildet sich eine große Anzahl sogenannter Rekombinations-Zwischenprodukte, die letztendlich aber wieder entfernt werden müssen, um sicherzustellen, dass das gesamte haploide Genom nicht beschädigt wird. Eine als Helikase bezeichnetes Enzym arbeitet an vielen dieser Rekombinations-Zwischenprodukte; die Helikase Sgs1, auch als Bloom-Helikase oder BLM bezeichnet, kann die Rekombinations-Zwischenprodukte auflösen. Bei Beginn der Meiose muss Sgs1 jedoch in einem gewissen Maße herunterreguliert werden, um eine Rekombination überhaupt zu ermöglichen. Kürzlich stellten wir fest, dass die nur bei der Meiose vorkommende Helikase Mer3, beim Menschen als HFM1 bezeichnet, der Sgs1 entgegenwirken kann, indem sie sich mit den gleichen Kofaktoren wie Sgs1 verbindet (Abb. 1C).
Die Synapsis und der Abschluss der Meiose
Sobald die Rekombination eingeleitet wurde, gelangen die beiden homologen Chromosomen durch einen als Synapse bezeichneten Prozess und über den synaptonemalen Komplex (SC) als Mittler in eine enge, sehr organisierte Anordnung. Der synaptonemale Komplex bildet entlang der Achsenlänge der zwei homologen Chromosomen eine Struktur, die wie ein Reißverschluss aufgebaut ist. Die Achse wird neu gruppiert und das Protein Hop1 wird durch das Enzym Pch2 entfernt. Die Entfernung von Hop1 verhindert nicht nur weitere Brüche - vermutlich wegen der Entfernung von Mer2 - sondern mäßigt gleichzeitig den IH-Bias durch Entfernung der Mek1-Kinase.
Der hier beschriebene komplexe Crossover-Prozess garantiert, dass die beiden homologen Chromosomen räumlich beisammenbleiben und sichert so einen verlässlichen Durchgang in die Keimzellen bei gleichzeitigem Austausch der (Groß-)väterlichen und (Groß-)mütterlichen Genabschnitte. Bei Fehlern während der Meiose können Nachkommen mit der falschen Anzahl von Chromosomen entstehen. Außerdem gibt es Hinweise, dass die fehlerhafte Expression einiger meiotischer Proteine die DNA-Reparaturmaschinerie verändert und die Zelle dadurch anfälliger für chromosomale Umbildungen wird, was zur Entstehung von Krebs führen kann.