Biologische Krusten als Klimafaktor
Eine Deckschicht unter anderem aus Bakterien, Pilzen und Flechten reduziert die Menge an aufgewirbeltem Staub
Wenn sich Bakterien, Pilze, Moose, Flechten und Algen auf trockenem Land miteinander verbinden, dann bilden sie sogenannte biologische Bodenkrusten. Diese bedecken weltweit rund zwölf Prozent, in Trockengebieten etwa ein Drittel der Landoberfläche und festigen den Boden. Je stabiler sie sind, umso weniger Sand kann durch Wind aufgewirbelt werden. Da Staubpartikel in der Atmosphäre Auswirkungen auf das Klima haben, erfüllen Bodenkrusten also in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Funktion. Bettina Weber, Biologin an der Universität Graz und Gastwissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Chemie, liefert nun gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen erstmals umfassende Zahlen und Fakten zur Bedeutung dieser Verflechtungen der Landoberfläche für den regionalen und weltweiten Staubkreislauf unter aktuellen und zukünftigen Bedingungen.
Die größten Gebiete mit biologischen Krusten liegen in Afrika, im Nahen Osten und in Asien, in Australien und im Mittleren Westen der USA. Passen Temperatur, Niederschlagsmenge und Bodenbeschaffenheit, sind sie jedoch weltweit zu finden. „Wir schätzen, dass alle Vorkommen zusammen die globalen atmosphärischen Staubemissionen um etwa 60 Prozent reduzieren“, fasst Bettina Weber ein Ergebnis ihrer Forschungen zusammen. Bis 2070, so erwarten die Autorinnen und Autoren, werde die Biokrustendecke durch den Klimawandel und die Intensivierung der Landnutzung stark abnehmen, je nach Szenario zwischen 25 und 40 Prozent. Mit der Folge, dass mehr Staub in die Atmosphäre gelangt – mit verschiedenen Auswirkungen.
„Einerseits hat der Staub klimatische Effekte, da an den Partikeln Wasser kondensiert oder sich Eiskristalle bilden, was das Niederschlagsgeschehen beeinflusst“, erklärt Weber. Außerdem hat er in der unteren Atmosphäre eine kühlende Wirkung, indem er die Sonneneinstrahlung vermindert. „Unseren Berechnungen zufolge entspricht diese rund der Hälfte des Kühlungseffekts der vom Menschen freigesetzte Aerosole – etwa durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen und Biomasse“, ergänzt die Forscherin, die bis 2019 Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz forschte.
Staub vermindert Sonneneinstrahlung und liefert Nährstoffe
Andererseits transportiert Staub auch Nährstoffe, die, wenn sie weggeblasen werden, fehlen und im Zielgebiet eine düngende Wirkung haben können. In besonders kargen Gegenden kann der Nährstoffeintrag aber auch Schaden anrichten, weil hierdurch die ursprüngliche Vegetation verdrängt wird. Mit Sand werden außerdem Mikroorganismen verfrachtet, die neu gebildete und bestehende Lebensräume besiedeln. „Dabei können sich auch Krankheitserreger verbreiten, die Pflanzen, Tieren oder dem Menschen schaden“, erklärt die Biologin einen weiteren Zusammenhang. Somit stellt der Verlust von Bodenkrusten ein potenzielles Risiko für Klima, Umwelt und Gesundheit dar.
Zu ihren Ergebnissen kamen die Forscherenden, indem sie ein globales Klimamodell mit Messdaten zu biologischen Bodenkrusten kombinierten. Auf diese Weise kalkulierten sie deren aktuelle Bedeutung und simulierten verschiedene Zukunftsszenarien. Dabei zeigte sich deutlich die essenzielle Funktion biologischer Bodenkrusten. Daher sollten diese zukünftig bei der Modellierung des globalen Wandels, bei Maßnahmen zur Abschwächung der aktuellen Klimaentwicklung sowie der Konzeption von Anpassungsstrategien berücksichtigt werden, empfehlen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, wie eng die Evolution des Lebens und des Klimas miteinander verknüpft sind“, ergänzt Ulrich Pöschl, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie und Mitautor der neuen Studie. „Ein wissenschaftliches Verständnis für diese und ähnlicher Zusammenhänge ist auch von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung und Gestaltung des Anthropozäns, d.h., des aktuellen Erdzeitalters geprägt vom global umfassenden und rasch zunehmenden Einfluss der Menschheit auf den Planeten Erde.“