Mit dem Feuer arbeiten

Vegetationsbrände werden weltweit und auch in Deutschland häufiger und heftiger. Das ist die Folge langer Trockenperioden, hervorgerufen durch die Klimakrise. Das Global Fire Monitoring Center mit Direktor Johann Georg Goldammer überwacht nicht nur das Brandgeschehen, es fördert auch den Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis und trägt sein Wissen dorthin, wo es dringend benötigt wird. Es hilft ganz konkret vor Ort, rettet Menschenleben und sichert eine lebenswerte Zukunft.

Text: Tobias Beuchert

Im Juli 2022 brannte es in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz lichterloh. Brandstiftung traf auf einen Wald im Hitzestress, der völlig ausgetrocknet und vom Borkenkäfer gebeutelt war. Mehr als tausend Feuerwehrleute kämpften von jetzt auf gleich um ganze elf Quadratkilometer Wald. Fabian Hälschke, Ortswehrleiter der Feuerwehr Großschönau stand den Flammen selbst gegenüber. Nach der Alarmierung steuerten sein Team und er ihr geländegängiges Tanklöschfahrzeug in Windeseile in das 30 Kilometer entfernte Mezní Louka kurz hinter der tschechischen Grenze. „Wir waren uns einig, dass wir das Feuer nie hätten aufhalten können, also haben wir mit den tschechischen Kräften beschlossen, zumindest dieses Dorf zu retten“, sagt Hälschke. Im Wald war für sperrige Fahrzeuge kein Durchkommen, weiter entfernt mussten sich Bodenkräfte sogar von Felsen abseilen. „Es war eine echte Schlacht“, erinnert sich Hälschke. „Das Feuer hatte eine unwahrscheinliche Kraft, als es sich die Schlucht hochgearbeitet hat. Wir standen mitten im Sog, mit dem das Feuer Sauerstoff angezogen hat und mussten um unser Leben rennen, auch wenn das nicht im Sinne der Feuerwehr ist.“

Eine Ära des Feuers

Der erfahrene Wehrleiter weiß: Das Inferno im Sommer 2022 war außergewöhnlich. Und doch hat sich niemand gewundert. Der Klimawandel führt zu intensiven und lange währenden Trockenzeiten, was die Menge an brennbarer Vegetation erhöht. Da reicht schon ein Funke. Und tatsächlich werden Vegetationsbrände weltweit heftiger und sind schwerer unter Kontrolle zu bringen. Hierzulande ist das Feuer der Gegner, das trägt die Feuerwehr schon im Namen. Johann Georg Goldammer, Feuerökologe und Waldbrandexperte des Max-Planck-Instituts für Chemie bewirkt ein Umdenken. In anderen Teilen der Welt ist das Feuer seit jeher regelmäßig zu Gast und hat sich zu einem wichtigen regulierenden Faktor in den dortigen Ökosystemen entwickelt. Als Direktor des Global Fire Monitoring Center schöpft Goldammer aus einem reichen Erfahrungsschatz in Forschung und Praxis, den er sich über die letzten 50 Jahre aufgebaut hat. Er weiß, dass sich viele Vegetationstypen an natürliche und kulturelle Feuer angepasst haben und dass tradiertes Wissen und Erfahrung aus anderen Teilen der Welt helfen können, unsere Wälder und Wiesen zu schützen. Das Ziel ist es, mit dem Feuer zu arbeiten und nicht dagegen. Denn eines steht fest: Es wird auch in Deutschland immer öfter brennen.

„Hier ist das Feuer Kulturgut“

Ein Blick nach Ghana lässt hoffen. Die Ökologin und Forstwissenschaftlerin Lucy Amissah leitet das jüngste Regionalzentrum des Global Fire Monitoring Center in Westafrika, eines von insgesamt acht Zentren weltweit. Ghanas Vegetation ist höchst abwechslungsreich und erstreckt sich vom satten Regenwald im Süden bis hin zur Savanne im Norden des Landes. Würde der Regenwald abbrennen, wäre das eine Katastrophe, denn er ist reich an Arten und seine enorme Biomasse speichert große Mengen des klimaschädlichen CO2. Glücklicherweise hat das Feuer dort bisher kaum eine Rolle gespielt, es war schlicht zu feucht. Anders als im trockenen Norden. „Hier ist das Feuer Kulturgut, ein wichtiger Teil der Landwirtschaft und des Ökosystems. Farmer bereiten ihre Flächen durch gezielt gelegte Feuer auf die Aussaat vor“, sagt Amissah. Einige Pflanzen brauchen das Feuer nämlich, damit ihre Samen austreiben. Aber solche Gleichgewichte halten nicht auf ewig und der Faktor Mensch droht das Blatt zu wenden.

Durch die auch hier zunehmende Trockenheit steigt die Gefahr, dass sich die nach traditionellen Erfahrungen gelegten Feuer nicht mehr kontrollieren lassen. Entwickelt sich ein intensiver Brand, wäre auch der Regenwald in Gefahr, der durch den Klimawandel an Widerstandskraft einbüßt. Und genau hier greift das Global Fire Monitoring Center ein. „Wir pflegen einen Austausch auf Augenhöhe. Es ist nicht sinnvoll, den Menschen auf dem Land zu verbieten, das Feuer einzusetzen. Stattdessen lernen wir von den traditionellen Techniken und bieten im Gegenzug Erkenntnisse aus der Forschung. Wir trainieren die Lokalbevölkerung, mit dem Feuer verantwortungsbewusst umzugehen“, erklärt Amissah. 

Forstwirtschaft im Wandel

In Deutschland ist die Situation anders. In der Landwirtschaft findet das Feuer keine Anwendung mehr, seit das Bundesnaturschutzgesetz 1976 in Kraft getreten ist. Stattdessen hat der Mensch über Jahrhunderte eine Kulturlandschaft geschaffen. Wenig davon ist wirklich natürlich. Das Land wird intensiv bewirtschaftet, hier ist kein Platz mehr für das Feuer. Das gilt auch für den Wald, der im Spätmittelalter für Raubbau und nach dem Zweiten Weltkrieg für Reparationszahlungen herhalten musste. „Es war damals logisch, mit der schnellwüchsigen Fichte und auch mit Kiefern wieder aufzuforsten“, sagt Goldammer. Auf Luftbildern gleicht die Landschaft heute einem Flickenteppich aus Ackerland und Waldparzellen. Und es besteht ein Anspruch an den verbliebenen Wald: Er soll nachhaltig Holz liefern, Siedlungen vor Überschwemmungen, Hangrutschen oder Lawinen schützen, für Erholung sorgen und ja, auch CO2 binden. Forstbetriebe sorgen dafür, dass der Wald diese Aufgaben auch in hunderten von Jahren erfüllen kann. „Wir dürfen nicht zu kurzfristig denken, das verbietet eigentlich die Sache“, so Goldammer. Gleichzeitig ist es schon heute zu warm für die Fichte geworden, sie wird es nicht schaffen. Das Klima ändert sich so rasch, da muss ein schnelles Umdenken her. „Aber selbst die Forstwissenschaft hat keine Pauschalantwort auf die Frage, wie unser Wald in Zukunft einmal aussehen wird“, sagt Goldammer.

Försterinnen und Förster setzen etwa auf einen Mischwald. Hier geht es um Risikostreuung, nicht mehr und nicht weniger. Stirbt die Fichte, trotzen vielleicht andere Arten dem Klima der Zukunft. In etwa 80 Prozent der deutschen Waldflächen aber scheint auch der schützende Schirm der Laubbäume durch lang anhaltende Trockenperioden bereits Löcher zu bekommen. Kurzum: Der deutsche Wald bietet Bränden mehr und mehr Zunder. In unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft kommt der zündende Funke übrigens nur in etwa 0,5 Prozent der Fälle von der Natur. In allen anderen Fällen hat der Mensch seine Hand im Spiel, ob beabsichtigt oder nicht. „Wir müssen lernen, mit dem Feuer zu leben“, fordert Goldammer.

Die Natur zum Vorbild

Sein Vorschlag ist pragmatischer Natur. Ein lichter Wald soll her, zumindest vereinzelt in Waldbrandschutzkorridoren. Die sibirische Taiga dient als Vorbild, sie hat dieses Prinzip perfektioniert. Alle 20 bis 40 Jahre entfachen hier Blitze Brände, die in einigen Regionen offene Lichtwälder von Lärchen und Kiefern geformt haben. Seit Jahrtausenden hat sich so ein natürliches Gleichgewicht eingestellt. Die Bäume stehen weit genug auseinander und Brände laufen im niedrigen Bewuchs zwischen den Stämmen schnell aus. Und sie sorgen dafür, dass Unterholz und Sträucher immer wieder zurückgebrannt werden. Die Kiefern und Lärchen selbst kommen mit den oberflächlichen Brandwunden ganz gut klar. Wenn es nach Goldammer ginge, sollten Forstverwaltungen in Deutschland darüber nachdenken, sich hier Strategien abzuschauen. Sicherlich wirkt ein schütterer Waldkorridor wie ein radikaler Schritt und er müsste intensiv gepflegt werden, damit nicht alles durcheinanderwächst. Ein Weg wäre es, die Waldstreifen zu beweiden, also das Gras zu nutzen, oder das Unterholz kontrolliert auszubrennen, so wie es die Natur in Eurasien vormacht. Die Idee ist also, die Waldwirtschaft um eine Komponente des Feuermanagements zu erweitern.

Strategien für Politik und Praxis

Das Ziel von Goldammer und seinem internationalen Team ist es, ihre Forschungsergebnisse und Erfahrungen weltweit nutzbar zu machen. Den Betriff des „Science Policy Interface“ ergänzt Goldammer gerne um den Begriff der Praxis, also „Practitioner“. Denn das Global Fire Monitoring Center macht beides: Es entwickelt und begleitet Strategien auf höchster politischer Ebene und schult diejenigen, die am Boden freiwillig und beruflich mit dem Feuer zu tun haben.

Schon seit den 1990ern erforscht Johann Georg Goldammer mit seiner Freiburger Arbeitsgruppe zur Feuerökologie wie sich Landschaftsbrände kontrollieren lassen. So ist ein reicher Fundus an praxiserprobten Strategien und Techniken entstanden, die eher an Filme aus Kanada oder Australien erinnern. Das Einsatzwerkzeug: Ein kleiner Tankrucksack, mit dem man auch Blumen gießen könnte, eine kleine Flasche mit Benzin zum Legen von Gegenfeuern, diverse Handgeräte wie etwa einer Art Gartenhacke und dazu Arbeitskleidung in leicht sichtbarem leucht-gelb mit knallrotem Helm und einer Schutzbrille gegen den Ruß. Feldversuche demonstrieren, wie effektiv sich ein Flächenbrand mit Handarbeit kontrollieren lässt. Bodenkräfte arbeiten dabei mit der Ursache des Feuers, anstelle Hektoliter wertvollen Wassers in den viel zu heißen Flammen verpuffen zu lassen. Sie nehmen dem Feuer vorausschauend das Futter, etwa indem sie quer zur Feuerfront Schutzstreifen ziehen oder taktische Gegenfeuer legen. „Die Flammen laufen schneller den Berg hoch als wir es könnten“, sagt Sebastian Muth, Kreisbrandinspektor aus dem Landkreis Kitzingen. Viele Feuerwehren wissen, wo ihre Grenzen liegen und lassen sich von Goldammer und Firmen wie @fire schulen.

Querschnittsaufgabe Klimawandel

„Das Feuer selbst kennt keine Grenzen“, weiß Goldammer. Er und seine Teams haben weltweit unter Beweis gestellt, dass sie auf eine globale Herausforderung wie den Klimawandel reagieren können, indem sie sich von anderen Kulturen etwas abzuschauen und es schaffen, in Deutschland einen aufrichtigen und zielgerichteten Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis zu pflegen. „Der Mikrokosmos der örtlichen Feuerwehren und Forstverwaltungen und der Makrokosmos des Global Fire Monitoring Center, die gehören zusammen“, so Goldammer. „Der Klimawandel und damit auch das Thema Vegetationsbrände sind eine Querschnittsaufgabe.“

Das Global Fire Monitoring Center hat seine Wurzeln in der Max-Planck-Gesellschaft und hat nun das Interesse der internationalen Staatengemeinschaft geweckt. Das gesammelte Wissen des Freiburger Zentrums geht aktuell in den Global Fire Management Hub über, eine zentrale Anlaufstelle des Feuermanagements, das den Vereinten Nationen unterstellt ist. „Schwarze Hände und eine schwarze Nase bekommen und am nächsten Tag bei den Vereinten Nationen mit Schlips und Kragen stehen, um das Gelernte diplomatisch weiter zu vermitteln“, so beschreibt Johann Georg Goldammer seine Arbeit in einem Satz.

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