Schriften im Wandel

Im Laufe der Geschichte haben Menschen unterschiedliche Zeichensysteme geschaffen, die den Besonderheiten der jeweiligen Sprache entsprechen. Die Schriften haben sich dabei weiterentwickelt. Wie genau, das lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, da die Entwicklung meist seit Jahrtausenden abgeschlossen ist. Anders bei der westafrikanischen Vai-Schrift, die erst in den 1830er-Jahren entstand. Ihre gut dokumentierte Entwicklung ermöglicht der Forschung Einblicke in die Evolution von Schriften.

Das westafrikanische Volk der Vai entwickelte vor rund 100 Jahren eine eigene Schrift für seine Sprache. Das abgebildete Dokument stammt aus dem Jahr 1849. Eine Vielzahl gut erhaltener Vai-Dokumente ermöglicht der Wissenschaft, die Entwicklung dieser Schrift zu erforschen und dabei Erkenntnisse über die Evolution von Schriftsystemen allgemein zu gewinnen.

Schriftsysteme

Die Schriften der Welt lassen sich grob in drei Systeme aufteilen – wobei es auch Mischsysteme gibt.

Bei den Buchstabenschriften unterscheidet man zwischen Alphabetschriften, etwa Griechisch, Lateinisch oder Kyrillisch, und Konsonantenschriften wie dem Arabischen, in denen Vokale nicht dargestellt werden.

Bei Silbenschriften stehen die einzelnen Zeichen (Grapheme) in der Regel für mehrere Buchstaben, zum Beispiel für eine Verbindung aus Konsonant und Vokal.

In Logografien hat jedes Zeichen eine Bedeutung, gibt aber in der Regel keinen ganzen Begriff wieder. Um Begriffe darzustellen, werden Zeichen kombiniert. Im Chinesischen gibt es häufig Kombinationen zwischen einem oder mehreren Bedeutungszeichen (Piktogrammen) und einem Zeichen, das auch die Aussprache beinhaltet (Phonogramm).

Entwicklung des Alphabets

Protosinaitisch, die älteste bekannte Alphabetschrift, lässt sich auf die Hieroglyphen zurückführen. Die phönizische Schrift stellt einen weiteren Entwicklungsschritt dar, daraus entstand unter anderem die griechische Schrift. Allerdings ist nicht mehr genau nachvollziehbar, welche Veränderungen die einzelnen Buchstaben durchlaufen haben. Vermutlich wurden Schriftzeichen im Lauf der Zeit zum leichteren Schreiben vereinfacht, aber nur so weit, dass man sie beim Lesen noch gut unterscheiden kann.

Die Vai-Schrift

Die Silbenschrift mit rund 200 Graphemen (Schriftelementen) wurde ab den 1830er-Jahren von Analphabeten in Liberia entwickelt. Dank zahlreicher Dokumente ist die Schriftentwicklung von den Anfängen bis zur Standardisierung als Unicode im Jahr 2005 gut dokumentiert. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung von Olivier Morin, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie, hat die Veränderungen der Zeichen mit mathematischen Modellen analysiert. Daraus lässt sich folgern, dass die einzelnen Schriftelemente tatsächlich, wie bereits seit Längerem vermutet, mit der Zeit einfacher werden.

Die deskriptive Komplexität, die sich an der Größe der Bilddatei im Zipformat bemisst, hat über die Zeit deutlich abgenommen.

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