Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien GmbH

Aus schädlichem Abfall wird grüner Stahl

Making green steel from hazardous waste

Autoren
Jovičević-Klug, Matic; Souza Filho, Isnaldi R.
Abteilungen
Mikrostrukturphysik und Legierungsdesign
Zusammenfassung
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Nachhaltige Materialien, das bis vor Kurzem „Max-Planck-Institut für Eisenforschung“ hieß, ist ein Durchbruch beim Recycling von Abfällen aus der Aluminiumproduktion, sogenanntem Rotschlamm, und der Herstellung von grünem Stahl gelungen. Dabei konnten wir aus umweltschädlichem Rotschlamm mithilfe von Wasserstoffplasma CO2-freies Eisen gewinnen. So ließen sich 600 Millionen Tonnen CO2-freier Stahl aus den derzeit vier Milliarden Tonnen angehäuftem Aluminium-Abfall erzeugen. Und das in konventionellen Lichtbogenöfen, die seit Jahrzehnten in der Stahlindustrie zum Einsatz kommen.
Summary
Scientists at the Max Planck Institute for Sustainable Materials (until recently the “Max-Planck-Institut für Eisenforschung“) have achieved a breakthrough in the recycling of waste from aluminium production, so-called red mud, and the manufacture of green steel. By using hydrogen plasma, they were able to extract CO2-free iron from hazardous red mud. This way, 600 million tonnes of CO2-free steel can be produced from four billion tonnes of aluminium waste, which is currently piled up around the globe. This can be achieved in conventional electric arc furnaces, which have been used in the steel industry for decades.

Mobilität, Bauwesen und Medizin sind nur einige Branchen, in denen Stahl und Aluminium eine zentrale Rolle spielen. Prognosen zeigen, dass die Nachfrage nach beiden Metallen bis 2050 um bis zu 60 Prozent steigen wird [2, 3]. Die konventionelle Produktion dieser Metalle geht jedoch mit erheblichen Umweltbelastungen einher. Allein die Stahlindustrie trägt zu acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen bei und ist damit der größte Einzelverursacher von Treibhausgasen. Bei der Aluminiumproduktion fallen jährlich ca. 180 Millionen Tonnen giftigen Abfalls an, sogenannter Rotschlamm, der sich derzeit in Abfallanlagen oder auf offenen Feldern weltweit ansammelt.

Für diese Herausforderungen hat ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Nachhaltige Materialien eine umfassende Lösung entwickelt. Durch ihre Forschung könnten sich 600 Millionen Tonnen CO2-freier Stahl aus den derzeit vier Milliarden Tonnen angehäuftem Rotschlamm gewinnen lassen. Statt Rotschlamm in Abfallanlagen anzuhäufen, könnte er zukünftig direkt zur umweltfreundlichen Stahlproduktion verwendet werden und somit beide Industrien nachhaltig gestalten und industrielle Treibhausgase erheblich senken.

Mit Wasserstoffplasma CO2-freies Eisen aus Rotschlamm gewinnen

Zur Herstellung von Aluminium wird zunächst Aluminiumoxid aus Bauxit gewonnen und in einem weiteren Schritt zu Aluminium veredelt. Bei der Gewinnung von Aluminiumoxid fällt sogenannter Rotschlamm als Abfallprodukt an. Rotschlamm ist sehr umweltschädlich und enthält verschiedene Oxide und Spuren von Schwer- und Edelmetallen. Derzeit sind vier Milliarden Tonnen [4] Rotschlamm in Abfallanlagen und auf offenen Feldern rund um den Globus aufgeschüttet, beispielsweise in Australien, Brasilien und China. Die Instandhaltung der kilometerlangen Abfallanlagen ist technologisch schwierig und kostenintensiv. Bei starken Regenfällen laufen die offenen Abfallbehälter über. Bei Trockenheit verstopft der erhärtete Rotschlamm die Leitungen, die täglich mehrere hundert Tonnen neuen Rotschlamm zuführen. Trockenheit führt auch dazu, dass Wind den Rotschlamm-Staub kilometerweit ins Land trägt. Zudem greift der alkalische Rotschlamm die Zementwände der Abfallbehälter an und führt zu Rissen im Material. So hat das Auslaufen von Rotschlamm bereits mehrmals zu Umweltkatastrophen geführt wie 2010 in Ungarn oder 2012 in China.

Rotschlamm, der bis zu 60 Prozent aus Eisenoxiden besteht [5], verwandelt sich bei dem neuen Forschungsansatz unseres Teams zu einer wertvollen Ressource. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben bereits in früheren Forschungsarbeiten gezeigt, wie sich Eisenoxide mithilfe von Wasserstoffplasma, anstatt wie bisher mit Kohlenstoff, zu Eisen reduzieren lassen. Dabei fällt anstelle von Kohlenstoffdioxid neutrales Wasser als Nebenprodukt an. Dasselbe Verfahren verwenden sie nun zur Extraktion von Eisen aus Rotschlamm. Dabei wird Rotschlamm in einen Lichtbogenofen eingeführt und ein Lichtbogen zwischen einer Elektrode und dem Rotschlamm gezündet. Gleichzeitig wird Wasserstoff in den Ofen gepumpt. Durch die Energie des Lichtbogens wandelt sich Wasserstoff in Wasserstoffplasma um, welches 60 Prozent der Eisenoxide im Rotschlamm innerhalb von nur zehn Minuten zu hochreinem flüssigem Eisen reduziert. Der verbleibende Rest vom Rotschlamm besteht nach der Plasmabehandlung aus zähflüssigen Oxiden, die pH-neutral und nicht mehr umweltschädlich sind. Da das gebildete Eisen eine andere Dichte und Viskosität aufweist als die Oxidflüssigkeit, lassen sich beide Produkte problemlos mechanisch voneinander trennen. Das so gewonnene Eisen lässt sich weiter zur Stahlverarbeitung nutzen. Die Oxidflüssigkeit kann im festen Zustand als Baumaterial zum Beispiel für Gebäude verwendet werden.

Nächster Schritt: Effizienzsteigerung des Reduktionsprozesses

In Zukunft werden die Forscher untersuchen, wie sie die chemischen Prozesse der Plasmareduktion und die Zähigkeit der Oxidflüssigkeit beeinflussen können, um noch schneller und einfacher Eisen aus Rotschlamm zu gewinnen.

Das Max-Planck-Team konnte zeigen, wie sich umweltschädlicher Abfallstoff der Aluminiumindustrie zu nachhaltigem Eisen und Baumaterial recyceln lässt. Da CO2 bei der Stahlherstellung während der Reduktion von Eisenoxiden zu Eisen entsteht, kann das Plasmaverfahren auch den CO2-Ausstoß der Stahlindustrie verringern. Mit dem Recycling von Rotschlamm werden somit die zwei wichtigsten Metallindustrien Aluminium und Stahl, nachhaltiger. 

Das Projekt wird teilweise vom Europäischen Forschungsrat durch den Advanced Grant ROC finanziert.

Originalpublikation

Jovičević-Klug, M.; Souza Filho, I. R.; Springer, H.; Adam, C.; Raabe, D.
Green steel from red mud through climate-neutral hydrogen plasma reduction
Nature (2023) 

Literaturhinweise

Medary, C.
The biggest piece of the puzzle: aluminium and the energy transition
Solar Today Magazine (2023)
Tian, S.; Jiang, J.; Zhang, Z.; Manovic, V.
Inherent potential of steelmaking to contribute to decarbonisation targets via industrial carbon capture and storage
Nature Communications 9, 4422 (2018)
Service, R. F.
Red alert. Researchers are working to find new uses for red mud, the caustic byproduct of aluminium production
Science 369, 6506 (2020)
Agrawal, S.; Dhawan, N.
Evaluation of red mud as a polymetallic source – A review
Minerals Engineering 171, 107084 (2021)

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