Auslöser für Lupus bei Kindern entdeckt
Eine einzelne Genmutation kann eine Form der Autoimmunerkrankung Lupus hervorrufen
Manchmal genügt eine einzige Veränderung in unserem Erbgut, um uns krank zu machen. So auch bei der Autoimmunkrankheit Lupus, die durch starke Entzündungen im ganzen Körper das Leben der Betroffenen entscheidend beeinträchtigt. Forschende des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin haben einen Mechanismus entdeckt, der Lupus bei Kindern auslösen kann. Dieser Mechanismus reguliert die Anzahl eines Immunrezeptors, der normalerweise Krankheitserreger an deren Erbgut erkennt. Ist der Mechanismus gestört, sammeln sich zu viele Rezeptoren in den Immunzellen an. Dadurch wird auch köpereigenes Erbgut erkannt. Das Immunsystem richtet sich gegen den eigenen Körper und verursacht die systemischen Entzündungen des Lupus. In Zusammenarbeit mit Medizinerinnen und Medizinern des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München gelang es den Forschenden, eine Lupus-Patientin zu identifizieren, bei der dieser Mechanismus durch eine einzelne Mutation gestört ist.
Das angeborene Immunsystem reagiert innerhalb von Minuten auf eindringende Krankheitserreger. Es ist eine frühe Verteidigungslinie, die viele Erreger in Schach hält, bis sich das spezifischere adaptive Immunsystem einschaltet. Doch diese Geschwindigkeit hat ihren Preis: Die Reaktion des angeborenen Immunsystems ist so unspezifisch und stark, dass sie gut kontrolliert werden muss, damit sie sich nicht gegen den eigenen Körper richtet.
In der Forschungsgruppe von Olivia Majer am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie arbeiten Forschende daran, diese Kontrollmechanismen des angeborenen Immunsystems besser zu verstehen. Im Fokus der Gruppe steht ein Immunrezeptor, der sogenannte Toll-like Rezeptor 7, der Erbgut von Viren und Bakterien erkennen kann und daraufhin eine Immunreaktion gegen die Eindringlinge auslöst.
Immunrezeptor aus dem Gleichgewicht
Damit das Immunsystem schnell reagieren kann, muss eine gewisse Anzahl dieser Rezeptoren in den Immunzellen vorhanden sein. Zellen halten diese Balance indem sie ständig Rezeptoren herstellen und wieder abbauen. „Wir wollten verstehen, was passiert, wenn dieses Gleichgewicht gestört ist“, so Gruppenleiterin Olivia Majer über ihren Forschungsansatz. Bei ihren Experimenten stieß ihr Team auf den Proteinkomplex BORC. Die Forschenden konnten zeigen, dass BORC benötigt wird, um den Toll-like Rezeptor 7 in der Zelle abzubauen.
Darüber hinaus benötigt BORC ein weiteres Protein, UNC93B1, um den Abbau korrekt durchzuführen. Gibt es in diesem Prozess einen Fehler, werden die Rezeptoren nicht abgebaut und sammeln sich in den Immunzellen an. „Aus Versuchen mit Mäusen, die ich schon vor einigen Jahren an der Universität Berkeley in Kalifornien durchgeführt habe, wussten wir bereits, dass zu viele dieser Rezeptoren ein Problem darstellen“, erklärt Majer. Bei einer zu großen Anzahl an Rezeptoren werde deren Erkennung von Erbgut unspezifisch. Es komme zur Immunreaktion gegen körpereigenes Erbgut, ein Auslöser der Autoimmunkrankheit Lupus. Bislang war aber weder BORC noch UNC93B1 mit Lupuserkrankungen bei Menschen in Verbindung gebracht worden.
Die Bestätigung ihrer Ergebnisse kam für die Forschenden per Anruf. Fabian Hauck lehrt, forscht und versorgt Patientinnen und Patienten am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sein Fachgebiet sind angeborenen Störungen der Immunität wie beispielsweise Lupus. Er wurde auf die Forschung von Majer aufmerksam, denn eine seiner Patientinnen hatte eine Mutation im Gen für ein bislang unbeachtetes Protein: UNC93B1. Genau dieses Protein hatte Majer zuvor mit ihrem Team identifiziert. „Als ich den ersten Anruf von Fabian Hauck bekommen habe, dachte ich noch, dass das zu gut ist, um wahr zu sein“, so Majer, „aber innerhalb von acht arbeitsreichen Wochen konnten wir gemeinsam bestätigen, dass die Mutation von UNC93B1 Ursache der Lupuserkrankung dieser Patientin ist.“
Ein neuer Ansatz für Lupus-Therapien
Parallel zu den Ergebnissen wurde in derselben Fachzeitschrift die Arbeit einer Arbeitsgruppe der Technischen Universität Dresden publiziert mit der die beiden Forschenden kooperieren. In ihrer Studie identifizierten die Dresdner Forschenden weitere Mutationen von UNC93B1, die Lupus auslösen können. Die Forschenden haben einen völlig neuen Mechanismus aufgedeckt, der sogar eine besonders aggressive Form des Lupus auslöst: Bereits im Kleinkindalter entwickeln sich schwere Symptome, während viele andere Formen des Lupus erst bei Erwachsenen auftreten.
Die Untersuchung auf eine Mutation von UNC93B1 könnte schnell ein Teil der Behandlung von Lupus werden und neue Ansätze für Therapien ermöglichen. In bisherigen Therapien versuchen Medizinerinnen und Mediziner vor allem die Entzündungen mit Medikamenten zu unterdrücken. Setzt man an dem jetzt entdeckten Mechanismus an, könnte man möglicherweise verhindern, dass die Entzündungen überhaupt entstehen – und so die Belastung der Betroffenen deutlich reduzieren.