Vielversprechendes Ziel für neue RNA-Therapeutika jetzt zugänglich
Forschende haben den ersten Hemmstoff eines RNA-Modifikators identifiziert, der bei Krebserkrankungen eine Rolle spielt
Mit den ersten RNA-Impfstoffen hat eine neue Ära in der Medizin begonnen. Bei diesen Wirkstoffen handelt es sich um modifizierte RNAs, die Immunantworten des menschlichen Immunsystems auslösen. Ein anderer Ansatz zielt in der RNA-Medizin hingegen auf die Störung körpereigener RNA und ihrer Modulatoren mit speziell zugeschnittenen Wirkstoffen ab. Forschende am Chemical Genomics Centre am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund, haben nun die ersten Hemmstoffe gegen das RNA-modifizierende Enzym METTL16 entwickelt. Die Methyltransferase ist für die Regulation verschiedener körpereigener RNAs verantwortlich und ist ein vielversprechendes Ziel in die Krebsbekämpfung. Die neuen Erkenntnisse legen den Grundstein für eine umfassende Untersuchung der Rolle von METTL16 in gesunden und kranken Zellen und sind ein Schritt in Richtung der Entwicklung von Therapeutika, die auf solche RNA-Modulatoren abzielen.
RNA wurde lange Zeit nur als passiver Botenstoff in der Zelle betrachtet, der durch DNA-Transkription erzeugt wird, um genetische Informationen an die Proteinfabriken, die Ribosomen, zu übertragen. Wie sich herausgestellt hat, kann RNA jedoch viel mehr als das. Neben der kodierenden DNA gibt es auch nicht-kodierende DNA. Sie kann die Aktivität von Genen auf vielen Ebene regulieren und so wichtige zelluläre Prozesse steuern. Heutzutage sind nicht weniger als ein Dutzend verschiedener RNA-Klassen identifiziert worden. So wird zum Beispiel RNAi von der Zelle eingesetzt, um bestimmte RNA-Ziele abzubauen und Gene zum Schweigen zu bringen – wenn es darum geht, fremde virale DNA zu bekämpfen.
RNA interagiert mit einer Vielzahl von Biomolekülen, wozu neben RNA und DNA auch Proteine und Metaboliten gehören. Die daraus resultierenden regulatorischen Komplexe steuern verschiedene lebenswichtige zelluläre Prozesse. Dabei können Fehler Krankheiten verursachen. Das Schicksal der RNA wird durch chemische Modifikationen bestimmt, die ihre Stabilität, Struktur und Interaktionen beeinflussen. Bislang wurden mehr als 170 verschiedene RNA-Modifikationen beschrieben. Die am häufigsten vorkommende ist die Methylierung an der N6-Position des RNA-Nukleotids Adenosin (m6A). Sie ermöglicht es der Zelle, schnell auf Umweltveränderungen zu reagieren, indem entsprechende zelluläre Reaktionen wie Teilung, Differenzierung oder Migration eingeleitet werden. Aus diesem Grund wird die RNA-Methylierung streng kontrolliert, wofür eine Reihe von Proteinen zuständig ist: "Schreiber" setzen die Methylgruppe ab, "Leser" erkennen sie und "Radierer" entfernen sie wieder.
Neue Substanz verhindert das Schreiben auf RNA
Eine gestörte RNA-Methylierung wird mit Krebs und anderen Krankheiten in Verbindung gebracht, was die "Schreiber" zu einem attraktiven therapeutischen Ziel macht. Bislang wurde nur eine Handvoll RNA-m6A-Schreiber identifiziert und nur für einen von ihnen, METTL3, sind wirksame Inhibitoren bekannt. Diese Moleküle verhindern, dass der Schreiber die Tinte, das Biomolekül S-Adenosylmethionin (SAM), aufnimmt. Die Gruppe um Peng Wu hat nun den ersten Inhibitor des „Schreibers“ METTL16 identifiziert. Im Gegensatz zu den zuvor genannten Inhibitoren zeigte er jedoch eine andere Wirkungsweise: Er verhindert die Interaktion von METTL16 mit der RNA. Die Forschenden konnten diese neue Art von Inhibitor identifizieren, indem sie einen Test entwickelten, der die Interaktion zwischen METTL16 und einem mit einem Fluorophor markierten mRNA-Substrat bewertet.
"Bestimmte Krebszellen weisen eine erhöhte Konzentration an „Schreibern“ auf und sind auch anfälliger für eine Absenkung des SAM-Spiegels, was sie zu vielversprechenden Zielen in der Krebsbekämpfung macht. Die genauen biologischen Folgen der Bindung von METTL16 an RNA-Substrate sind jedoch noch nicht eindeutig geklärt. Unsere Arbeit ermöglicht nun eine detaillierte Untersuchung der Rolle von METTL16 in kranken und gesunden Zellen. Die Ergebnisse legen aber auch einen Grundstein für die Entwicklung neuartiger, auf RNA abzielende Therapeutika", ordnet Peng Wu der Wert seiner Forschungsarbeit ein.