Die Symphonie der Organellen

Mit „OrgaPlexing“ zeigen Max-Planck-Forschende, wie Immunzellen ihr Innenleben organisieren, um entzündliche Prozesse zu kontrollieren

5. Juli 2024

Forscherinnen und Forscher am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik haben ein neues bildgebendes Verfahren entwickelt, das zeigt, wie wichtige Wächterzellen des Immunsystems, die Makrophagen, ihre Zellstrukturen während einer Entzündung oder bakteriellen Infektion orchestrieren. Das Verfahren ermöglicht es, die Interaktionen zwischen mehreren Organellen gleichzeitig zu beobachten, und bietet damit bisher unerreichte Einblicke in den Zellstoffwechsel und die Produktion von Entzündungsmolekülen. Es eröffnet damit neue Perspektiven für die Erforschung und Behandlung komplexer Erkrankungen wie Entzündungen, Infektionen und Krebs.

Zellen von Menschen und Tieren sind durch viele verschiedene zellmembrangebundene Einheiten, sogenannte Organellen, unterteilt, die jeweils für bestimmte zelluläre Aufgaben zuständig sind. Bisher war unklar, wie die einzelnen Organellensysteme in ihrer Gesamtheit miteinander wechselwirken, um gemeinsam die Funktionen einer Zelle zu steuern. Jetzt haben Forschende am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg eine neue bildgebende Methode namens OrgaPlexing entwickelt, mit der sie das Interaktom von bis zu sechs Schlüsselorganellen kartieren und daraus funktionelle Wechselwirkungen ableiten können.

Makrophagen im Fokus

In ihrer Studie nutzte das Team um Gruppeleiterin Angelika Rambold Makrophagen, zentrale Wächterzellen des angeborenen Immunsystems, die ihren Stoffwechsel blitzschnell anpassen, wenn sie entzündliche oder bakterielle Signale wahrnehmen. Dabei zeigte sich, dass kleine Lipidtröpfchen, sogenannte Lipid Droplets, eine Schlüsselrolle spielen. Diese Fettspeicherorganellen arbeiten jedoch nicht alleine, sondern schließen sich mit verschiedenen anderen Organellen zu komplexen Multiorganelleneinheiten zusammen.

„Bei der Makrophagen-Antwort bestehen diese funktionellen Multiorganelleneinheiten aus dem endoplasmatischen Retikulum, Mitochondrien, Lipid Droplets und Peroxisomen. Sie regulieren ein Netzwerk von Lipidflusswegen, also regelrechte Schnellstraßen für Lipide innerhalb der Zelle, um die Bildung von Entzündungsmolekülen zu ermöglichen“, erklärt Julia Zimmermann, Erstautorin der Studie. Damit zeigt die Studie, wie mehrere Organellen spezifische Interaktionen miteinander ausbilden, um die Fettsäureverwertung und die Produktion von Entzündungsmediatoren in Makrophagen zu steuern.

OrgaPlexing – Gleichzeitige Visualisierung von multiplen Organellen

Im Zentrum der Studie steht ein innovativer Ansatz zur Visualisierung und Quantifizierung mehrerer Organellen innerhalb einzelner primärer Immunzellen. „Frühere Studien in Immunzellen konzentrierten sich typischerweise auf Interaktionen zwischen Organellenpaaren. Es lag aber nahe, dass die Interaktion sich nicht nur auf ein Paar beschränkt, sondern weiter reicht. Entsprechend haben wir lange getüftelt und mit OrgaPlexing eine Methode entwickelt, um bis zu sechs Organellen gleichzeitig zu visualisieren und deren Interaktionen miteinander zu analysieren“, sagt Angelika Rambold, Leiterin der Studie und der Forschergruppe „Immunologische Organellen-Netzwerke“.

Beim OrgaPlexing werden die Zellen mit einer Reihe verschiedener spezifischer Reagenzien, darunter fluoreszierende Antikörper und Farbstoffe gefärbt, um die jeweiligen Organellen sichtbar zu machen. Anschließend werden Bilder mit einem speziellen Mikroskop aufgenommen, das die unterschiedlichen Fluoreszenzspektren trennt, um klare Aufnahmen von bis zu sechs verschiedenen Organellen gleichzeitig zu erhalten. Durch die Kombination dieser multi-spektralen Bildgebung mit fortgeschrittener 3D-Bildanalyse gelang es dem Freiburger Team einen Workflow zu entwickeln, der es ermöglicht, die Masse, Form, Position und Interaktionen der Organellen in Makrophagen über den zeitlichen Verlauf einer Entzündungsreaktion zu analysieren.

„Wir verstehen jetzt, dass Makrophagen scheinbar getrennte Zellkomponenten als funktionelle Einheiten dynamisch koordinieren, um ihre Zellfunktion zu steuern. Die Möglichkeit solche Einheiten von kooperierenden Organellen zu definieren, erlaubt uns neue Einblicke wie Organellen-Netzwerke Zellen regulieren. Das ändert auch unsere Sichtweise auf physiologische und pathophysiologische Prozesse, in denen Organellen eine Rolle spielen“, sagt Angelika Rambold.

Ein Werkzeug für Forschung und Medizin

Für die Forschenden stellt OrgaPlexing einen bedeutenden Fortschritt dar – insbesondere für die Arbeit mit primären Immunzellen, wo technische Einschränkungen bisher die systemweite Organellenbildgebung einschränkten. Die Tatsache, dass OrgaPlexing ohne genetische Manipulationen der Zielzellen auskommt und praktisch auf jeden Zelltyp angewendet werden kann, macht es zu einem leistungsstarken Werkzeug zur Untersuchung des Zellstoffwechsels und der Organellenfunktion in gesunden und krankhaften Zellen.

Das Team um Angelika Rambold ist überzeugt, dass die Möglichkeit mit OrgaPlexing, also zelluläre Reaktionen auf dieser Systemebene zu visualisieren und zu messen, das Verständnis von komplexen Erkrankungen wie Entzündungen, Infektionen und Krebs verbessern wird. Diese Erkrankungen hängen stark mit dem Stoffwechsel und der Funktion von Organellen zusammen.

AR/JZ/MR

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