Immunzellen im Gänsemarsch

Ein Botenstoff hält dendritische Zellen auf ihrer Patrouille durchs Gewebe zusammen

17. Juli 2023

Mithilfe sogenannter dendritischer Zellen lässt sich der Verlauf von Krebserkrankungen vorhersagen: Je mehr von ihnen sich in einem Tumor aufhalten, umso besser sind die Aussichten für die Erkrankten. Die Zellen des Immunsystems zirkulieren vor allem im Blut und wandern nach einer Entzündung in die Gewebe des Körpers ein. Einige Typen von Immunzellen befinden sich allerdings dauerhaft in den Geweben, wo sie sich zu dreidimensionalen Netzwerken zusammenfinden. Ein Team um Wolfgang Kastenmüller, Georg Gasteiger und Dominic Grün von der Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diesen besonderen Typ von Immunzellen nun genauer untersucht.

Dendritische Zellen sind für die Steuerung von Immunantworten essenziell, weil sie an der ersten Abwehrlinie des Immunsystems stehen: Sie erkennen körperfremde Strukturen, nehmen sie auf und verarbeiten sie zu einer Art Fahndungsfoto. Das Foto präsentieren sie dann anderen Immunzellen und lösen damit eine spezifische Immunreaktion aus, etwa gegen Krankheitserreger oder Krebszellen.

Das Besondere an den dendritischen Zellen: Sie leben nur etwa eine Woche und wandern in dieser Zeit kontinuierlich durch die Gewebe des Körpers. „Insofern war klar, dass das klassische Nischenkonzept, wie man es etwa von Makrophagen kennt, hier nicht trägt“, sagt Wolfgang Kastenmüller von der Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie. Das Forscherteam fand dafür im Tiermodell ein komplett neuartiges Konzept, nach dem sich dreidimensionale Zell-Netzwerke organisieren können: Dendritische Zellen orientieren sich an den Blutgefäßen und wandern hintereinander an deren Außenwand entlang – ähnlich wie Kinder, die im Gänsemarsch laufen. Die Blutgefäße geben also die dreidimensionale Anordnung der Zellen vor.

„Wir wollten verstehen, wie dieser Prozess reguliert wird und wie die Zellen es schaffen, Lücken in ihrem Verbund zu schließen“, erklärt Milas Ugur, ein Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe von Kastenmüller. Solche Lücken zu schließen ist wichtig, weil die Immunabwehr sonst nicht mehr optimal funktioniert. Die Forschenden berichten, dass der lokal wirkende Botenstoff FLT3-Ligand die dendritischen Zellen auf ihrer Wanderschaft zusammenhält. Er und vermutlich noch weitere Botenstoffe werden vor Ort kontinuierlich hergestellt und von den dendritischen Zellen verbraucht. Gibt es Lücken im Verbund, stehen für die vereinzelten dendritischen Zellen mehr Botenstoffe zur Verfügung. Dieser Überschuss beschleunigt sie in ihrer Entwicklung und Bewegung und hilft ihnen, den Anschluss an die Gruppe wiederzufinden. Wenn die Zellen aufgerückt sind, haben sie durch die Konkurrenz ihrer Nachbarn wieder etwas weniger Botenstoffe zur Verfügung. Entsprechend drosseln sie ihre Entwicklungsgeschwindigkeit.

Ansätze für Immuntherapie

Diese Erkenntnisse sind unter anderem mit Blick auf die Krebstherapie von Bedeutung: Dendritische Zellen haben einen hohen prognostischen Wert für Tumorerkrankungen: Je mehr von ihnen sich in einem Tumor aufhalten, umso besser sind die Aussichten für die Erkrankten. Das gilt vor allem nach einer Immuntherapie. „Mit möglichst viel Grundlagenwissen über dendritische Zellen können wir besser verstehen, wie wir die Netzwerke dieser Zellen in Tumoren wiederherstellen können und dadurch maßgeschneiderte Therapien in der Zukunft entwickeln“, erklärt Kastenmüller. Die bisherigen Daten der Forschungsgruppe beruhen auf der Analyse von Lymphknoten aus Tiermodellen. Das Team will als nächstes testen, ob die gleichen Prinzipien der Netzwerk-Organisation der dendritischen Zellen für alle Gewebe und auch im Menschen gelten.

Über die Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie

Die Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie ist eine gemeinsame Initiative der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der Max-Planck-Gesellschaft mit dem Ziel exzellente immunologische Forschung zu fördern. Die rund 50 internationalen Forschenden aus 24 Ländern wollen die Grundlagen für eine erfolgreiche Immunantwort gegen Infektionserreger, chronisch entzündliche Erkrankungen und Tumore verstehen, um neue Konzepte und Strategien für Impfstoffe und Immuntherapien zu entwickeln.

 

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