Auf dem Weg zur Symbiose

Forschende entdecken, wie Kooperation zwischen Mikroorganismen entsteht

3. September 2024

Marburger Max-Planck-Forschende haben anhand einer künstlichen Mikrobengemeinschaft untersucht, wie sich schrittweise ein gegenseitiger Nutzen herausbildet. Die Studie zeigt erstmals im Detail, wie es in Lebensgemeinschaften verschiedener Organismengruppen zu einem Verlust von Unabhängigkeit kommen kann.

Mutualismus ist eine Beziehung zwischen Organismen zweier verschiedener Arten, von der beide profitieren. Er ist bei Tieren und Pflanzen bekannt, spielt aber auch in der mikrobiellen Welt eine wichtige Rolle, wo verschiedene Arten auf engstem Raum zusammenleben. Mikroorganismen bilden oft Gemeinschaften, in denen sie Stoffwechselprodukte austauschen. Doch wie kann sich Kooperation gegen egoistisches Verhalten durchsetzen? Bisherige Forschungserkenntnisse beruhen vor allem auf evolutionären „Momentaufnahmen" natürlicher Symbiosen, so dass die genauen Mechanismen, die zum allmählichen Verlust der Unabhängigkeit in solchen Gemeinschaften führen, weitgehend im Dunkeln liegen.

Forschende um Victor Sourjik, Direktor am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg, wollten den Mechanismen auf die Spur kommen, die der Evolution des mikrobiellen Mutualismus zugrunde liegen. Dazu stellten sie diesen Prozess im Labor nach. Sie konstruierten eine Gemeinschaft zwischen dem Bakterium Escherichia coli und der Bierhefe Saccharomyces cerevisiae. Diese ließen sie sich unter Bedingungen entwickeln, unter denen die Partner nur gemeinsam wachsen konnten. „Unsere künstliche Lebensgemeinschaft aus Bakterien und Hefen ist ein ideales Modell, da Stoffwechsel und Genregulation beider Organismen bereits gut verstanden sind. Außerdem sind an vielen natürlichen Symbiosen Zellen mit Zellkern und Bakterien beteiligt, was dieses Modell besonders relevant macht", sagt Dr Giovanni Scarinci.

Neue Ebene der Abhängigkeit

Das Team beobachtete nicht nur eine Verstärkung der konstruierten Eigenschaften, sondern auch die Entstehung einer neuen Ebene gegenseitiger Abhängigkeit zwischen den Mitgliedern der Gemeinschaft. „Wir fanden heraus, dass der Stickstoffstoffwechsel der Hefezellen von dem der Bakterien abhängig wurde - ein Phänomen, das auch in natürlichen Symbiosen häufig vorkommt", erklärt Giovanni Scarinci, der Erstautor der Studie.

Eine umfassende Analyse ergab, dass die Selektion auf gegenseitigen Nutzen wiederholt indirekt erfolgte: Merkmale, die die Zusammenarbeit fördern, waren offenbar mit anderen vorteilhaften Merkmalen gekoppelt. Als Ursache fanden die Forschenden sowohl Pleiotropien (ein Gen beeinflusst mehrere Merkmale) als auch Trade-offs (ein Merkmal kann nicht abnehmen, ohne dass ein anderes zunimmt). "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Pleiotropie auch die Evolution neuer mutualistischer Interaktionen vorantreiben kann", sagt Victor Sourjik. "Im Gegensatz dazu konnten wir keine Beweise für Gruppenselektion finden, obwohl dieser Mechanismus allgemein als Motor für die Evolution von Mutualismus postuliert wird."

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