„Dies“ und „Das“: Kleine Worte, große Wirkung
Demonstrativpronomen dienen als sprachübergreifende Werkzeuge für gemeinsame Aufmerksamkeit
Wörter wie „dies“ und „das“ oder „hier“ und „dort“ sind universell und kommen in allen Sprachen vor. In einer aktuellen Studie haben Forschende der Yale University und des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik in Nijmegen die Rolle dieser sogenannten Demonstrativpronomen genauer untersucht. Dabei haben sie festgestellt, dass diese Wörter weit mehr leisten, als nur auf Objekte in der Nähe oder Ferne hinzuweisen: Sie fungieren als universelle Werkzeuge zur gezielten Lenkung der Aufmerksamkeit von Zuhörern und Zuhörerinnen und zur Schaffung gemeinsamer Aufmerksamkeit. Die in Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlichte Studie stützt sich auf Experimente mit Personen, die zehn verschiedene Sprachen sprechen, sowie auf Computermodelle. Die Ergebnisse zeigen, dass Demonstrativa universelle Werkzeuge sind, die Sprache und soziale Kognition miteinander verbinden.
In allen Sprachen gibt es Wörter wie "dies" und "das", um zwischen "nahen" und "fernen" Dingen zu unterscheiden. Während Sprachen wie Englisch und Hebräisch lediglich zwei solcher Demonstrativa kennen, verfügen andere Sprachen wie Spanisch oder Japanisch über komplexere Systeme mit drei Wörtern. So unterscheidet das Spanische zum Beispiel zwischen „este“ (etwas in der Nähe des Sprechers), „ese“ (etwas, das dem Zuhörer näher ist) und „aquel“ ( etwas, das von beiden entfernt ist). In allen Sprachen existieren Wörter wie „dies“ und „das“, um zwischen „nahen“ und „fernen“ Dingen zu unterscheiden. Während Sprachen wie Englisch und Hebräisch lediglich zwei solcher Demonstrativa kennen, verfügen andere Sprachen wie Spanisch oder Japanisch über komplexere Systeme mit drei Wörtern. So unterscheidet das Spanische beispielsweise zwischen „este“ (etwas in der Nähe des Sprechers), „ese“ (etwas, das dem Zuhörer näher ist) und „aquel“ (etwas, das von beiden entfernt ist).
"Wir waren an Demonstrativa interessiert, weil sie eng mit sozialer Kognition verbunden sind: Sie lenken gezielt die Aufmerksamkeit der Zuhörenden auf ein bestimmtes Objekt und schaffen so eine gemeinsame Aufmerksamkeit", erklärt Paula Rubio-Fernández vom MPI, leitende Wissenschaftlerin der Studie. "Gemeinsame Aufmerksamkeit ist eine einzigartige menschliche Fähigkeit, die Sprache und soziale Kognition in der Kommunikation miteinander verknüpft. Da Demonstrativpronomen in allen Sprachen vorkommen, früh in der Sprachgeschichte entstanden und bereits in der frühen Kindheit erlernt werden, sind sie ein ideales Modell zur Untersuchung des Zusammenspiels dieser fundamentalen menschlichen Fähigkeiten.“
In der Forschung wird diskutiert, ob das Lenken der Aufmerksamkeit – die sogenannte "mentalistische" Repräsentation – ein Teil der eigentlichen Bedeutung (Semantik) von Demonstrativa ist oder ob es sich aus allgemeinen Prinzipien der sozialen Kognition (Pragmatik) ergibt. Zur Klärung dieser Frage nutzten die Forschenden Computermodelle sowie Experimente mit Personen, die zehn verschiedene Sprachen aus acht Sprachgruppen sprechen.
In einem Online-Experiment wurden den Teilnehmenden Bilder gezeigt, auf denen ein „Sprecher“ einen „Zuhörer“, der am anderen Ende eines langen Tisches stand, um einen Gegenstand bat. Die Teilnehmenden sollte in die Rolle der sprechenden Person schlüpfen und ein Demonstrativpronomen aus ihrer Muttersprache wählen, um den gewünschten Gegenstand zu verlangen ("Jetzt brauche ich ..."). Auf manchen Bildern richtete die zuhörende Person ihren Blick bereits auf das gewünschte Objekt, in anderen hingegen auf einen von vier weiteren Gegenständen, die entweder näher oder weiter entfernt waren. Wenn die Aufmerksamkeitslenkung tatsächlich ein integraler Teil der Bedeutung von Demonstrativa ist, müsste sich dies darin zeigen, dass alle Sprecher und Sprecherinnen die ursprüngliche Blickrichtung des Zuhörers berücksichtigen, bevor sie sie ein Demonstrativpronomen wählen. Unterschiede zwischen den Sprachen wären dabei jedoch zu erwarten.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Teilnehmenden nicht nur auf die räumliche Position des Ziels, sondern auch auf die Blickrichtung der angesprochenen Person reagierten. Wie erwartet, variierte die Bedeutung von Demonstrativa sowohl innerhalb als auch zwischen den Sprachen. So konnte das „nahe“ Demonstrativpronomen (wie das englische „this one“) je nach Kontext eine räumliche Bedeutung („das hier in meiner Nähe“), eine Bedeutung für gemeinsame Aufmerksamkeit („das, worauf wir beide schauen“) oder eine „mentalistische“ Bedeutung („das hier drüben“) haben. Besonders interessant war, dass Personen, die Sprachen mit einem Drei-Wort-System sprechen, wie z.B. Spanisch, das mittlere Wort („ese“) zur Signalisierung gemeinsamer Aufmerksamkeit verwendet
"Unsere Forschung beleuchtet die komplexe Schnittstelle zwischen sozialer Kognition und Sprache. Wir zeigen, dass die Repräsentation der Aufmerksamkeit des Gesprächspartners tief in einer der grundlegendsten Wortklassen verankert ist, die in allen Sprachen vorkommt: den Demonstrativa," fasst Rubio-Fernández zusammen. Unsere Arbeit zeigt außerdem mithilfe bayesianischer Computermodelle, dass diese Form der Aufmerksamkeitslenkung nicht allein durch pragmatische Überlegungen außerhalb des sprachlichen Systems erklärt werden kann. Vielmehr scheinen mentale Repräsentationen in einem universellen Bestandteil der Sprache eingebettet zu sein.“